Sei Sonne, sonst bleibst du Fledermaus. Maulana Dschelaluddin Rumi
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Название: Sei Sonne, sonst bleibst du Fledermaus

Автор: Maulana Dschelaluddin Rumi

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783843803892

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СКАЧАТЬ bloß Nachahmer, weil sie nicht den Mut besäßen, unmögliche Situationen zu erleiden, übernahm selbst Rumi, so wie ’Attar, Bayazid u. v. a. im Käfig musulmanischer und monotheistischer Konditionierungen, Denkschienen, Widersprüche und pogromauslösender Hauptirrtümer, fast alle religiös vorgegebenen Inhalte, Dogmen, Theoreme möglichst unhinterfragt. Aus seinem koranfesten Gotteslob, Anrufungen, pausenloser Waschsucht, Ritualgebet tauchten schön schräge Denkbilder und Formulierrosinen immerhin gelegentlich auf, schade drum; bisweilen öfter, in Ekstase noch öfter; nur selten bezeichnete er das Glaubensbekenntnis originellerweise als »Schaum vorm Maul eines Kamels«. Indem er die irakische Mystikerin Rabia al-Adawiya totschwieg, aber x mittelmäßige Derwische ständig nannte und eine ihrer Geschichten einem namenlosen Asketen zuordnete, schien er sich größere Frauenverachtung zuschulden kommen zu lassen als ’Attar.

      Rumi, statt Muhammads Diktum, der Fatalist sei schlimmer als der Ungläubige, anzuzweifeln, bejahte und begründete es. In etlichen Versen schien er metaphysisch Unbegabte wenigstens nicht zu hassen, sondern bloß zu bedauern; er steckte sie mit Amusischen in einen Topf, verglich sie moderaterweise mit Mistkäfern, die Mond und Sonne nicht schön finden können, also in einem Erdloch göttliches Licht vermissen. Wenigstens schimpfte er nicht ganz so einfallslos auf Ungläubige, verglich Unglauben putzigerweise mit dem »Stein der Un-Weisen«. Einen Alchimisten veranlaßte er, nie wieder Gold herzustellen, da es sich ja bloß um diesseitiges Gold, also Kot, handelte. Seinen eigenen Standpunkt legte er auch gern mal seit sechshundert Jahren toten Muhammad-Gegnern in den Mund. Im Rauschtrank von Rumis Poesie pflegten sogar Abstrakta sich öfters wechselseitig zu köpfen. Ein Musulmane reiste zusammen mit einem Christen und einem Dschahudi (Juden), wie die Vernunft mit der Triebseele und dem Teufel. (Mathnawi, Buch 6, Vers 2378) Rumi ließ sogar Abneigung gegen Farbige durchblicken, vor allem gegen betrunkene Neger; Türken hingegen fand er hell und also schön. Haschischkonsum, obwohl der Koran ihn gar nicht verbot, sah Rumi als so verwerflich an wie Päderastie (seinem Biographen Aflaki zufolge). Gegen seine korankompatiblen Passagen lassen sich seine weisheitsvollen Tat-twam-asi-Passagen mit der Lupe suchen. Auch als Dichter verharrte er im Käfig jener Formalitäten, die seit Saadi und Fariduddin ’Attar das Genre Lehr-Epos ausmachten: Jeder funkelnden Parabel hängte er eine brave, dürre Moral von der Geschicht’ an, oft eine enge und schematische, wenig erhellende. Kaum erzählte Rumi die Mär eines alten Narren, der mitten auf einer Durchgangsstraße einen Baum pflanzte und dessen Ausreißung ständig zugunsten des Baums verschob, sodaß spätere, ökologisch vorbelastete Leser im Abendland lächeln mußten und mit Baum und Mann sympathisierten, hieß die enttäuschende Moral dann bloß, man solle Untugenden schon im Keim rechtzeitig ausrupfen – schade drum!

       Übersteige dich, bis dir die Sterne untertan sind!

       Die Lebensgeschichte von Rumis Seelenfreund Schamsuddin von Täbriz (1204–1248)

      Der Geburtsname von Schamsuddin (Schamseddin = Sams ad-Din Mohammed Ben Ali ibn Malakad Tabrizi = Sonne des Glaubens) lautete Muhammad Malekdad. Drei Jahre vor Rumi geboren, in der erdbebengeschüttelten, von Sarsam (Meningitis), Maschara (Blutgeschwülsten) und Hunaq (Diphterie) heimgesuchten Seldschuken-Metropole Täbriz, von Türken überlaufen und unterwandert, sah er bereits als Kind Allah, alle Engel und anderes Übersinnliche mit Selbstverständlichkeit und wunderte sich dann bald, daß andere nichts dergleichen sahen. Sein Vater, ein Textilexperte, alias: Tuchhändler, und er: die alte archetypische Konstellation: Geschäftstüchtiger Realist (à la Tuchhändler Giovanni Bernardone oder Hermann Kafka) zeugt Taugenichts mit höheren Interessen (à la Francesco von Assisi oder Franz Kafka).

      Nachdem er, der ab irgendwann Schamsuddin hieß, von den Täbrizerinnen Goldstickerei gelernt hatte, wanderte er als analphabetischer, umso beredterer Qalandar (Wanderderwisch) unstet durch die Lande, leicht verlottert, stets in schwarzen Filz gehüllt. Manchmal webte er Hosenbünde mit Hosenkordeln und trug bald den Beinamen Zarduzi (Goldsticker), und auch Tayyar (Fliegender), genau wie Dschaffar ibn Ali Taleb, der von Allah zwei Flügel erhielt, um zum Paradies zu fliegen. Er hieß auch Paranda (fliegender Schams), weil es oft so aussah, als vollzöge er verblüffend schnelle Ortswechsel, geographisch gesehen. Regeln und Rituale, gute Laune, Heuchelei, Lob verachtete er. Sein Lehrer Abu Bakr-i Tabrizi-i Sallabaf, der Körbe flocht, genügte ihm nicht. Auhaduddin Kirmani (gestorben 1238), der sein Schüler werden wollte, ward abgeschmettert; Schamsuddin suchte selber einen Lehrer. Seine Gegner, die sich vermehrten, stieß er mit geistlichem Hochmut genauso oft und gern vor die Köpfe wie seine Anhänger, die sich kaum vermehrten. Schriftgelehrte beschimpfte er als »Ochsen und Esel«. Er handelte wie alle Lehrmeister, die nicht zum Götzen werden und ihre Schüler auf Verblüffungs-Basis von der Verehrung des Individuums heilen wollten (von Meister Marpa in Tibet, der seinen Schüler Milarepa zur Verzweiflung trieb, bis zum späteren Sufi Gurdijeff, der Vegetariern Fleisch vorsetzte und Carnivoren Körner).

      Vom Wort her klang »Schams« arg vorislamisch; Schams war ein Götze der Banu Tamim gewesen, und Hauptgottheit der alten Sabäer (Sure 27,24), und auch, nach Stabo, Hauptgottheit der alten Nabatäer, also nicht ganz unidentisch mit Helios. Mitten im Monotheismus, der die Morgengebete extra vor Sonnenaufgang vorverlegt hatte, um der Gefahr, zur blendenden Sonne – statt zum unsichtbaren Allah – zu beten, kleinzuhalten, ging in Schamsuddin al-Täbriz erneut die poetische »Sonne des Glaubens« auf, knapp zur Genitivmetapher verdünnt und erniedrigt.

      Da das Paradies von Widerwärtigkeiten umgeben sei, Schamsuddins Lehre zufolge, habe man just bei Unbill Grund zum Jubel. Wenn Wechselfieber ihn schüttelte, tanzte er lachend vor Vorfreude auf seine baldige Genesung; und umgekehrt: In gesunden Tagen lief er finster herum aus Bange vor Umschwung und Erkrankung. Bei einer anderen Sitzung lag gedrückte Stimmung auf allen Derwischen. Schamsuddin behauptete, irgendwer hätte sich eingeschlichen. Man fand aber keinen Eindringling, sondern bloß ein Paar Schuhe, die keinem gehörten. Die entfernte man – prompt wurde die Gesellschaft heiter und gelöst. Rühren ließ er sich nur von einem mystisch frühreifen Knaben, der in seinem Zimmer, den Kopf auf den Knien, sich Ekstasen und dem Gelalle von Versen hingab, die die Eltern nicht zu unterbrechen wagten und um deren Wiederholung der lauschende Schamsuddin bat, doch der Knabe verweigerte dies und starb mit achtzehn.

      Gelegentlich verglich sich Schamsuddin mit Sagenheld Rostam, der in Firdusis »Schahname« auf die Frage des mythischen Riesen »Wohin soll ich dich schleudern?« nicht um Gnade winselte, sondern erwiderte: »Wirf mich auf den höchsten Berggipfel, damit meine Knochen von dort aus meinen Ruhm verkünden.«

      Gern erzählte er von jenem Mann, der jahrelang sein Ziel vergeblich gesucht hatte, dann seinen Kopf auf einen Ziegelstein legte, davon träumte, was er gesucht hatte, aufwachend den Ziegelstein küßte, ihn immer mit sich trug, vor jedem rühmte, ihn jedem zum Begrüßen und zum Berühren hinhielt.

      Scheich Schamsuddin, der Rattenfänger von Täbriz, lehrte nicht Mystik für Anfänger, sondern für derart Fortgeschrittene, daß er selbst sattelfest eingesessene Obergurus zu verblüffen verstand. Keiner verstand ihn, wenige mochten ihn. Zu Allah betete er: »Gibt es nicht ein einziges unter Deinen Geschöpfen, das meine Gesellschaft zu ertragen begehrt?« Das konnte beides heißen: seine Provokationen oder seine optische Schönheit zu ertragen. Dieses Geschöpf fand er bald. Eine Eingebung verwies ihn zum nicht unbekannten, drei Jahre jüngeren Dozenten juristischer und religiöser Wissenschaften (nach anderen Quellen: zwanzig Jahre jünger). In Konya traf er Ende Oktober 1244 ein, stieg zunächst im Khane (Zunfthaus) der Zuckerbäcker ab, oder auch im Gasthaus Princiler. Mit seiner unorthodoxen, schier blasphemischen, jedenfalls wahnwitzigen Frage, wer größer sei, Muhammad oder Bayazid, ließ er Rumi erbleichen und ohnmächtig zu Boden sinken, manche sagten hinterher: vom Kamel aus; andere sagten später: Schamsuddin saß hierbei auf einem Sofa am Eingang der Karawanserei. Nach wieder anderer Überlieferung war das Kamel ein Esel, und Schams pöbelte den konsternierten Akademiker an, riß diesem dessen Manuskript aus der Hand und warf es in einen Brunnen mit den Worten: »Soll ich’s wieder rausfischen? Es wird ja dann trocken sein.« Ein Matrose berichtete später, die erste СКАЧАТЬ