Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ sieht Gründgens in einer Heirat lediglich eine Möglichkeit, die noch nicht akzeptierte eigene Homosexualität zu unterdrücken, vielleicht sehnt er sich tatsächlich nach einer Beziehung zu einer Frau – wobei hier »das überwertige Frauenideal der eigenen Mutter sicher eine dominante Rolle«29 spielt, wie später ein Psychiater meint, der Gründgens behandelt; auch Renée Stobrawa ist für Gründgens »immer das Höchste und Reinste, die Höhe, die ich erreichen muß«30. Auf alle Fälle empfindet er seine homosexuellen Wünsche als höchst problematisch. Zum einen ist er geprägt vom rheinischen Katholizismus seines Elternhauses (der bigotterweise unberührt bleibt von der Tatsache, daß der Vater zahlreiche Affären pflegt) und der in der Wilhelminischen Ära noch weitverbreiteten Schamhaftigkeit – so hatten etwa Düsseldorfer Stadtverordnete 1902 zur Frage Stellung genommen, ob ein Schwimmverein in »sittlicher Beziehung eine segensreiche Thätigkeit« entfalte: »Es diene doch nicht zur Hebung der Sittlichkeit, wenn Knaben mit dem nackten Körper und nur mit dem dünnen Badehöschen bekleidet, sich […] gegenseitig mit Blicken bemessen könnten.«31 Zum anderen, das darf man nicht vergessen, stellt das deutsche Strafgesetzbuch Homosexualität unter Strafe; im Jahr 1921 werden in Deutschland immerhin 425 Männer nach Paragraph 175 verurteilt.32 In dessen seit 1872 gültiger Fassung33 heißt es: »Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.« Alle Versuche, das Sexualstrafrecht zu reformieren, sind bislang fehlgeschlagen, schon 1897 war eine erste, unter anderem vom SPD-Vorsitzenden August Bebel unterzeichnete Petition des Arztes Magnus Hirschfeld dem Reichstag vorgelegt worden und, wie alle folgenden, gescheitert. Und so ist der pubertierende Gründgens sicher geprägt worden von Zeitungsmeldungen wie beispielsweise jener über einen Vorfall 1914, als in Duisburg »in einer Sonnabendnacht von der Kriminalpolizei eine homosexuelle Gesellschaft entdeckt und aufgehoben [wurde]. Von der Düsseldorfer Polizei war die Nachricht eingelaufen, daß Leute aus diesen Kreisen planten, in Duisburg einen sogenannten Männerball abzuhalten. Da auch der Zeitpunkt bekannt war, stellten sich an jenem Abend einige Kriminalbeamte am Bahnhof auf, um auch das Festlokal in Erfahrung zu bringen. […] Um zwölf Uhr nachts wurde die gesamte Kriminalpolizei an dieser Stelle zusammengezogen […] Die Anwesenden gehörten durchweg der guten Gesellschaft an; unter ihnen befanden sich Ärzte, Kaufleute, Beamte, Apotheker u.a. Einige Teilnehmer versuchten, durch die Fenster zu flüchten, wurden aber durch die draußen postierten Beamten abgefangen.«34 Dramatischer als eine Verurteilung sind für die Betroffenen oftmals die gesellschaftlichen Folgen, drohen doch neben der Ächtung durch den Bekanntenkreis die Kündigung von Arbeitsstelle und Wohnung.35

      Ob Gründgens’ Sexualität seine Berufswahl mit beeinflußt hatte, sei dahingestellt – Magnus Hirschfeld schätzte bereits 1914 den Anteil Homosexueller unter den Schauspielern doppelt so hoch wie im Durchschnitt36, die 1920 von der Homosexuellenzeitschrift Freundschaft publizierte Behauptung, daß sich Homosexuelle, vor die Wahl gestellt, in mindestens 75 Prozent aller Fälle für den Beruf des Schauspielers entschieden37, scheint indes übertrieben. Spätestens während seiner Zeit an der Hochschule für Bühnenkunst muß sich Gründgens jedoch mit seiner Bisexualität, die im Laufe seines Lebens immer stärker zur Homosexualität hin tendiert, auseinandergesetzt haben, durch die enge Freundschaft mit Hanns Böhmer und nicht zuletzt auch durch Louise Dumont, die den Schülerinnen und Schülern ihre an die Zwischenstufentheorie Magnus Hirschfelds38 erinnernden Überlegungen zur sexuellen Orientierung vermittelt hatte. In ihrem Buch VERMÄCHTNISSE formuliert sie diese so: »In der Pubertätszeit, so lehrt die moderne Psychologie, ist die Bisexualität ziemlich allgemein. Goethe aber lehrt uns: der geniale Mensch erlebt öfter im Leben die Periode der Pubertät. Mithin darf angenommen werden, daß der künstlerische Mensch im allgemeinen zu den Grenzerscheinungen gehört, in denen männlich-weibliches Wesen immer zusammenklingt. Die Dominante ist hier das Entscheidende.«39 Dabei scheint sie bisexuelles Empfinden für Künstler zwar für notwendig zu erachten, trennt dieses aber von der körperlichen Sexualität. Ein »Geheimnis« solle vor der »Aufdeckung aller Beziehungen des niedrigen Eros« schützen, die »auch zum Teil als schicksalhafte Tragik«40 gesehen werden.

      In seinem in Halberstadt entstandenen, Fragment geblieben Drama GLÜCKSSUCHER. BILDER AUS DEM LEBEN versucht nun der junge Schauspieler Gründgens, die ihn quälende Erkenntnis, wie stark sein bislang verdrängtes homosexuelles Verlangen ist, den schwierigen Prozeß dessen, was man heute Coming-out nennt, literarisch zu verarbeiten – freilich ohne damit an die Öffentlichkeit zu treten. Der 18jährige Desider – der sprechende Name ist abgeleitet vom lateinischen desiderium: Verlangen, Sehnsucht – wartet im elterlichen Musikzimmer verzweifelt auf einen Anruf: »Sei barmherzig bitte! Mach der Qual ein Ende. – Ich kann nicht mehr. (sieht auf die Uhr) Zu spät. Schon ½ Stunde nach der versprochenen Zeit. (kniet) Lieber Gott, laß ihn bitte anrufen. Bitte (fast schreiend). Ich warte nicht länger (setzt sich wieder daneben und starrt wie vorher auf das Telefon). (murmelt wie abseits) O komm, o komm, komm.« Endlich kommt der ersehnte Anruf von Walter (ein »frischer, gerader Mensch, 18 Jahre«): »Ich habe gewartet, oh so lange! Aber jetzt – (sich unterbrechend – hastig, glücklich) ja nun – ich rief schon dreimal an heute! Ich muß dich sprechen. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir. – Ja! – Findest du das so merkwürdig? – Ja, ich muß dir unbedingt etwas sagen. Ich (zögernd) bin zu einem Entschluß gekommen. – Ja! Wann kannst du kommen? Heute abend! Bitte! – Geht nicht? Ja dann – aber morgen! – Erst um 6 Uhr? Na ja, aber bitte pünktlich, ja! Auf Wiedersehn, lieber Walter (horcht noch nach). Noch jemand da? (hängt ein und kommt vor) Ha (glücklich erleichtert). Er kommt! (geht zum Klavier, spielt, steht auf, rennt durchs Zimmer) Gott ich danke dir –« Am folgenden Abend gesteht Desider dem überraschten Walter (der, so erfährt man, vor einiger Zeit mit Desiders Freund Gert »so intim« war) seine Liebe, doch das Gespräch wird abgebrochen, als Desiders Mutter ihn bittet, eine Bekannte nach Hause zu bringen, Desider bleibt also im Ungewissen darüber, ob Walter seine Zuneigung erwidert. Er sucht den Rat der 22jährigen Asta, laut der Charakterisierung des Autors eine »gerade großzügige Natur«: »Weißt du, ich bin doch ein eigentümlicher Mensch, so quer. Wenn ich doch nur wüßte, was ich wollte. […] Siehst du, jetzt zum Beispiel bin ich vollständig auf Frauen eingestellt. Aber siehst du, andererseits – momentan natürlich nicht – andererseits glaube ich auch, in mir ein Faible für die andre Art Liebe zu haben.« Asta hält das für »Unsinn«: »Ach Gott, […] das bildest du dir ja doch bloß ein. Du bist doch so ein kluger Mensch – nein, nein. […] Desi, nein, das redest du dir da ein. Das ist doch das Schmutzigste, was es gibt, dieses – Gott, ich habe immer normal gefühlt und kann das ja nicht beurteilen, aber das ist doch einmal unnatürlich und deshalb schmutzig.« Doch Desider bleibt beharrlich: »Nein, Asta, im Gegenteil. Ich empfinde in solchen Fällen so etwas Reines und Gutes. Siehst du, das ist so. Denn seh’ ich den Betreffenden, und dann zuckts in mir zusammen, und dann muß ich ihn immer anrufen. Aber wenn ich ihn dann endlich gesprochen habe, mit ihm ein Stück spazieren gegangen bin – oder das noch nicht mal –, dann ist es wieder gut. Mehr will ich nicht.« Auf Astas Entgegnung: »Aber Desi, dabei bleibt es nicht«, insistiert Desider: »Doch, dann bin ich zufrieden.« »Gott, Junge, ich möchte dir so gerne helfen, aber – das ist ja vollkommen unmöglich, daß es dabei bleibt. Das kann es gar nicht. Wenn du wirklich so bist, und du hast manchmal so was, zum Beispiel mit den schönen Beinen, eben das war auch wieder so was – dann ist das noch nicht so ausgeprägt, dann führt das bestimmt dazu«, meint Asta. Desider versucht sie zu überzeugen: »Nein, das ist ja unmöglich, denn diejenigen, die ich so liebe, die würden da gar nicht drauf eingehen.« Worauf die Szene mit Astas Replik schließt: »Das ist ja noch schlimmer, denn dann wirst du bestimmt einmal unglücklich.«

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      Gustaf Gründgens

      © bpk / Staatsbibliothek zu Berlin

      Es scheint, als nehme Gründgens in seinem dramatischen Versuch sein eigenes Schicksal vorweg: Auch er wird sich überwiegend in heterosexuelle СКАЧАТЬ