Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ eröffnet. Bereits ab 7. September probiert man parallel dazu Büchners Revolutionsdrama DANTONS TOD, das drei Tage später Premiere hat. Gründgens werden darin gleich mehrere Rollen zugeteilt, darunter immerhin der Thomas Payne, »eine Rolle, die mich ungeheuer interessiert«7, so Gründgens. Ebenfalls noch im September hat er als Lord Caversham in Oscar Wildes IDEALEM GATTEN Premiere: »Die Rolle […] ist fabelhaft. 70jähriger, übervornehmer englischer Fürst. I. Akt Frack, III. Akt Gehrock, IV. Akt Cutaway. Ich bade mich in Eleganz.«8 Anfangs berichtet »Guy«9 seiner ehemaligen Mitschülerin Renée Stobrawa, einem robusten, blonden Mädchen von eher herber Schönheit, in das er sich heftig verliebt hat, noch: »Das Theater macht einen sehr anständigen Eindruck. […] Man hat hier allerlei mit mir vor. Man hält mich für den geistreichsten und expressionistischsten Schauspieler, den H[alberstadt] je gehabt hat. Der Dramaturg ist fabelhaft; der hält außerdem Berge von mir. Ich bin momentan nicht sehr begeistert, aber voll Hoffnung. Mein Bild hängt in jeder Buchhandlung!! Na ja!«10 Der »fabelhafte« Dramaturg und zugleich Oberspielleiter der Städtischen Bühnen ist Martin Kerb, der sich ganz dem zeitgenössischen Drama verpflichtet hat. Kurz darauf wird Kerb tatsächlich Karriere als Regisseur in Berlin machen und 1926 die Leitung des Schauspielhauses in Essen übernehmen11 – seine Theaterauffassung dürfte der von Gründgens weitgehend entsprechen, wird ihn doch der Kritiker Herbert Ihering als einen Regisseur loben, »der in kurzer Zeit mit sicherster Beherrschung des Handwerks eine Aufführung aus den Bedingungen des Stückes und der Schauspieler entwickeln und zum Erfolg führen kann«12.

      Immerhin wird Gründgens’ Gage wie die der meisten Kollegen nach einigen Wochen angehoben, um 150 Mark auf 550 Mark, und das sogar rückwirkend zum Spielzeitbeginn. Obwohl er zudem einen Zuschuß von seinen Eltern erhält, ist Gründgens, der den Halberstädtern durch seine »fesche Garderobe«13 auffällt, stets bemüht, sein Einkommen aufzubessern, organisiert Unterhaltungsabende für den »Vaterländischen Frauenverein« (dessen Aufgabe seit Kriegsende darin besteht, die Krankenpflege zu fördern), an denen er mal eine »Stierkampfpantomime«14 zum Besten gibt, mal zum Entsetzen aller »rhythmische Tänze in Trikothöschen«15 vorführt, und engagiert sich in einer auf die Darstellung historischer Totentänze spezialisierten Laienspieltruppe. Kann er – zusammen mit dem Kätzchen »Schnuy«, das er geschenkt bekommen hat – zunächst recht günstig und zudem nur 800 Meter vom Theater entfernt als möblierter Herr in der Kaiserstraße 8 (der heutigen Walther-Rathenau-Str. 8) bei der Familie des Schuhgroßhändlers Arthur Heynemann wohnen, die zu den angesehensten der rund 300 jüdischen Familien in Halberstadt zählt, so muß er, als dieses Zimmer nicht mehr zur Verfügung steht, wie einige seiner Kollegen im Hotel Prinz Eugen logieren: »Mein Hotelzimmer kostet ohne Frühstück pro Nacht 12 Mark. Ein möbliertes Zimmer war für den Moment nicht zu bekommen. Und billigere Hotels gibt es hier nicht. Ich zittere bei dem Gedanken, daß aus unserer Teuerungszulage nichts wird«, schreibt Gründgens seiner »Mui«. Notgedrungen erteilt er den Mädchen des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Lyzeums Unterricht in rhythmischer Gymnastik (»Ich placke mich hier mit 9jährigen Kindern ab. Sonst könnte ich überhaupt nicht leben hier.«16) – und das alles neben seinem Engagement an den Städtischen Bühnen.

      Dort steht er in der achtmonatigen Saison zwar in 22 verschiedenen Stücken auf der Bühne, assistiert überdies und arrangiert Tanzszenen für Shakespeares WINTERMÄRCHEN, Anna Bethe-Kuhns Märchen DAS NEUGIERIGE STERNLEIN, Christian Lahusens »Ballett zu einem Lustspiel von Molière« mit dem Titel DIE HOCHZEIT DER SCHÄFERIN und Nestroys LUMPAZIVAGABUNDUS. Allerdings wird Gründgens, der vertraglich »ausdrücklich auch zur Übernahme kleiner Rollen und zur Komparserie«17 verpflichtet ist, als Schauspieler nur selten seinem Alter entsprechend beschäftigt, sondern muß meist alte Männer spielen, ausstaffiert mit üppigen Bärten und umgeschnallten »Falstaffranzen«, wie man im Theaterjargon die wattierten Bäuche nennt, die seine schlanke Figur kaschieren. So gibt er in Schillers MARIA STUART nicht etwa die Rolle des Mortimer, die dem fast zwölf Jahre älteren Albrecht Schoenhals anvertraut wird, sondern dessen etwas biederen, pflichtbewußten Onkel Paulet, den Wächter der Stuart (die Kritik nennt seine Darstellung »hoffähig«18) und in Ibsens analytischem Familiendrama GESPENSTER keineswegs den 27jährigen Maler Oswald, sondern den alten Jugendfreund seiner Mutter, Pastor Manders. Immerhin erhält er in Schnitzlers ANATOL die Rolle des Max und erweckt in Lessings EMILIA GALOTTI »den Eindruck eines aalglatten, gewandten Höflings, zeigte aber nicht die teuflische Bosheit und Schlechtigkeit des Marinelli«19, so der Kritiker der Halberstädter Zeitung und Intelligenzblatt. Francesco Sioli weiß mit Gründgens’ nervösem Temperament wenig anzufangen. Gleichwohl verhandelt er für die kommende Saison über einen Vertrag als »1. Charakterliebhaber und jugendlicher Charakterspieler« mit Gründgens, der sich »plötzlich so klein und so unausgeglichen« findet, daß er »starke Zweifel« hegt, ob er »ein solches Fach ausfüllen kann«20, wie er Louise Dumont schreibt, bei der er sich vergeblich um ein Engagement am Schauspielhaus Düsseldorf bewirbt. Doch als Sioli einen Ruf als Intendant nach Aachen erhält, steht eine Verlängerung von Gründgens in Halberstadt ohnehin nicht mehr zur Disposition. Nach Aachen mitnehmen will Sioli den Anfänger, der ihm »technisch brillant, aber seelisch ein Embryo«21 scheint, nicht: »Sie engagiere ich erst wieder, wenn Sie ein dicker Komiker geworden sind!«22

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      Gustaf Gründgens als Marinelli und Hanns Böhmer als Hettore Gonzaga in Lessings EMILIA Galotti, Vereinigte Städtische Theater zu Kiel, 1921

      © Theatermuseum Düsseldorf

      Gründgens hatte sich indessen in Halberstadt nicht immer wohl gefühlt: »Ich bin eigentlich immer allein gewesen hier, und wie gut das für mich war, glaube ich jetzt zu sehen. Obwohl ich gerade unter dem Alleinsein gelitten habe.«23 Davon zeugen nicht zuletzt die Gedichte, die er Renée Stobrawa schickt: »Tanzt ihr Gedanken / Auf den Gräbern der Verlorenen / Stammelt über verzerrte Trugbilder / Gewesener öder Alltäglichkeit / Sucht abgegraste geschwundene Schönheit auf / Verpestet Euch im Erinnern an erlebte Kloaken / Jagt ihr Gedanken / Weit in die Zukunft / Baut Irrtümer auf / Brecht Wege ins Nichts / Hofft Welten, heiligt kommendes Glück / Nur / Schweigt / Über meine Einsamkeit.«24 Noch im Oktober hatte er seine »Göttin«, seinen »Engel«25, sein »Herzele liebes«, seine »Süße«26 beschworen: »Meine Renée, mir ist nie so klar gewesen wie jetzt, daß mir ein Leben ohne Dich unmöglich ist. Ich liebe Dich so innig und heiß, daß ich hier immer mit Dir bin und mit Dir erlebe. […] Glaub mir, mir fehlen einfach die Worte, die mein Gefühl zu Dir ausdrücken sollten. Ich möchte Dich ganz umarmen, küssen und dann ganz ruhig in Deinem Arm liegen, ganz nahe bei Dir.«27 Doch als ihr Gründgens im Juni 1921 seine gesammelten Gedichte mit dem Titel ALTES UND NEUES widmet, ist die Liebe bereits erkaltet. »Ich habe nie darüber schreiben mögen: sie ist so anders als ich; vielleicht besser. Wir haben viel korrespondiert im Anfang, und dann konnte ich nicht mehr schreiben; eben, weil ich mußte, nicht. Ich mußte mich nach Erhalt eines Briefes hinsetzen und antworten, sonst kam am nächsten Tag ein Telegramm (ich meine das nicht buchstäblich). Und dann kam eine Zeit, in der hier in mir alles drunter und drüber ging, und dann schrieb ich noch weniger. Und dann fand Renée, daß wir nicht zusammenpassen. Vielleicht fand sie es damals nur aus irgendeinem Kokettsein und wartete auf meine Gegenteilbezeugungen. Aber ich hatte auch nachgedacht und war zu dem gleichen Resultat gekommen. (Nicht wegen dem Unterschied im Briefeschreiben.) Aber ich bin nicht der Mann, der Renée zufriedenstellen kann. Ich setze zum Beispiel einen großen Teil meiner Erotik ins künstlerische Schaffen um. Und Renée schafft nur aus einer Erotik heraus, die dauernd nach einer Befriedigung verlangen muß. Ich kann entweder nur ihr Mann sein oder nur ein guter Schauspieler werden«, schreibt Gründgens erstaunlich offen seiner Mutter im April 1921. »Ich weiß nicht, ob Du mich verstehst, es ist das erste Mal, daß ich mir selbst in Worten Rechenschaft darüber ablege. Ich kann, glaube ich, weder mit der Frau als Herrin noch mit der ›Käthchen von Heilbronn‹-Natur etwas anfangen. Für eine rein physische Erotik ohne starkes geistig-seelisches Band werde ich nie Verständnis haben.«28

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