Der schottische Bankier von Surabaya. Ian Hamilton
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Название: Der schottische Bankier von Surabaya

Автор: Ian Hamilton

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Ava-Lee-Roman

isbn: 9783959172141

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СКАЧАТЬ einen Auftrag übernommen hatte, musste sie sich konzentrieren. Das Gleiche galt für Amanda, wobei da noch etwas hinzukam: Ava wusste, Amanda würde über Michael sprechen wollen, und Ava war nicht bereit, sich in die verzwickte Lage der ersten Familie ihres Vaters verwickeln zu lassen.

      Sie schob ihren Laptop beiseite und ging ihre Notizen vom Vorabend durch. Bank Linno stand ganz oben auf ihrer Liste, gleich hinter Joey Lac. Ava kannte mehrere indonesische Banken, aber Linno gehörte nicht dazu. Das war nicht weiter ungewöhnlich, denn es gab mehr als hundert Geschäftsbanken im ganzen Land. Sie loggte sich auf der Linno-Website ein und war prompt überrascht von der spärlichen Aussagekraft. Als sie sich die zugänglichen Informationen näher ansah, wurde die Sache noch seltsamer. Die Bank hatte ihren Hauptsitz in Surabaya auf der Insel Java. Surabaya hatte über drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und war eine bedeutende Stadt, aber es war nicht Jakarta. In Jakarta, der Hauptstadt, hatte die Bank keine Zweigniederlassung, ja nicht einmal eine Zweigstelle. Ihre Aktivitäten beschränkten sich auf die Provinz Ost-Java. Der Liste der Zweigniederlassungen zufolge schien sie nur in Surabaya, Batu, Maland und Madiun tätig zu sein.

      Wieso hat eine kleine indonesische Bank ein Büro in Toronto?, fragte Ava sich, als sie auf den Button INTERNATIONAL auf der Website klickte. Und wieso hat eben diese Bank Büros in New York, Rom, Caracas und Porlamar?

      Sie öffnete das Branchenverzeichnis von Toronto und fand nichts außer einer 800-er Telefonnummer – keine Adresse, keine Ansprechpersonen, keine Servicenummern. Ohne groß zu überlegen, wählte Ava die angegebene Nummer. Es klingelte zwei Mal, dann schaltete sich die Voicemail ein. Ava legte auf. Äußerst merkwürdig, dachte sie.

      Kanada hatte fünf große lizensierte Handelsbanken und eine sehr viel längere Liste von kleineren Geldinstituten und Genossenschaftsbanken. Das komplette Bankenwesen war streng reguliert und vielleicht das sicherste der Welt. Linno konnte durchaus ohne Lizenz operieren; es konnte eine »Near Bank« sein, ein banknahes Institut, das Finanzdienstleistungen, aber keine Bankgeschäfte im engeren Sinne anbot. Ava kannte etliche, die nicht direkt mit den Kunden arbeiteten, sondern mittels Finanzberatern, aber selbst die gaben zumindest ihre Servicenummern an.

      Sie öffnete die Seiten der anderen internationalen Zweigniederlassungen – die Informationen dort waren ebenso spärlich. Dann kehrte sie zur Hauptniederlassung in Surabaya zurück. Die Informationen über die Aktivitäten der Bank in Indonesien waren weit detaillierter – sie schien das ganze Spektrum an Dienstleistungen für Privat- und Firmenkunden anzubieten. Ava übertrug die Namen der Zweigniederlassungen, die Anschriften, Telefonnummern und die E-Mail-Adressen in ihr Notizbuch. Es war Mittag in Toronto, Mitternacht in Surabaya. Da es keinen Sinn hatte anzurufen, schickte Ava eine E-Mail, in der sie um den Namen einer Ansprechperson und die Adresse des Büros in Toronto bat.

      Als das erledigt war, packte sie den Laptop und ihr Notizbuch in die große Chanel-Tasche, die sie als Aktentasche nutzte, und rief unten an, um sich ihren Wagen aus der Garage holen zu lassen. Sie schaute sich in ihrem Apartment um. Sie war nur zwei Tage hiergewesen, aber es kam ihr sehr viel länger vor.

      9

      DIE FAHRT DEN DON VALLEY PARKWAY hinauf verlief so zäh wie immer, und der Verkehr ließ auch nicht nach, als sie auf den Highway 7 abbog und Chinatown North erreichte. Mittlerweile lebten ungefähr fünfhunderttausend Menschen chinesischer Herkunft im Großraum Toronto. Die erste große Welle war aus Hongkong gekommen, kurz vor der Eingliederung der ehemals britischen Kolonie, gefolgt von einem Zustrom aus dem Mutterland. In Toronto gab es chinesische Tageszeitungen, chinesische Radio- und Fernsehstationen, gigantische Einkaufszentren, die denen in Hongkong nachempfunden waren, sowie Restaurants – Hunderte von Restaurants –, die jede erdenkliche asiatische Küche anboten, kreiert von Chefköchen aus Spitzenrestaurants in Hongkong, Shanghai und Beijing, die Spitzengehälter für ihre Übersiedlung bekamen. Jennie Lee behauptete, dass die chinesischen Restaurants in Toronto inzwischen die besten der Welt waren, und Ava konnte ihr nicht widersprechen.

      Als sie damals in Toronto angekommen waren, hatte sich die einzige Chinatown in der Innenstadt befunden. Jeden Samstagmorgen hatte Jennie Ava und Marian ins Auto geladen und sie zum Abakus- und Mandarin-Unterricht gebracht, während sie chinesisches Gemüse einkaufen ging und ihren geliebten thailändischen Jasminreis im Zehn-Kilo-Sack. Diese alte Chinatown war dicht bevölkert, und deshalb hatte Jennie sich mit ihren Töchtern in Richmond Hill, im Norden von Toronto, niedergelassen, wo sich im Laufe der Zeit eine wohlhabende, gebildete chinesische Community entwickelte.

      Mimi hatte Ava einmal gefragt, warum so viele Chinesinnen und Chinesen nach Richmond Hill zogen. Die Antwort war einfach. Viele Jahre lang war Vancouver der bevorzugte Ankunftsort für chinesische Einwanderinnen und Einwanderer gewesen, und in Richmond, einer Stadt im Süden von Vancouver, hatten sie sich niedergelassen. Als Toronto Vancouver allmählich als wirtschaftliches Zentrum der chinesischen Community in Kanada ablöste, zogen viele im Westen angesiedelte Chinesinnen und Chinesen nach Osten. Und weil sie – wie alle Landsleute in Hongkong – den Namen Richmond kannten, landeten sie in Richmond Hill. Als Jennie mit ihren Töchtern nach Osten ging, um dem tristen Regenklima Vancouvers, wie sie es nannte und das sie viel zu sehr an Hongkong erinnerte, zu entrinnen, hatte es dort noch nicht viele Chinesinnen und Chinesen gegeben. Doch innerhalb weniger Jahre war Richmond Hill, Ontario, so chinesisch wie Richmond, British Columbia.

      Das Lucky Season befand sich in einem Einkaufszentrum namens Times Square, das der Hongkonger Mall gleichen Namens nachempfunden war. Es war kein schickes Restaurant, aber man bekam ein köstliches und preisgünstiges Dim Sum. Jennie hatte das Lokal Jahre zuvor entdeckt und besuchte es seitdem mehrmals in der Woche. Jedes Dim-Sum-Gericht kostete zwei Dollar zwanzig, also etwa die Hälfte von dem, was man in den meisten anderen Lokalen am Highway 7 bezahlte, und vielleicht ein Viertel von dem, was die angesagten Restaurants wie das Lai Wah Heen in der Innenstadt von Toronto in Rechnung stellten. Das Lokal bot Platz für etwa vierhundert Gäste und war immer voll.

      Ava kannte die Frau am Empfang – eine weitere von Jennie Lees unzähligen Freundinnen – und wurde sofort an einer Gruppe wartender Gäste vorbei zu einem Tisch geleitet. Niemand beklagte sich über die Vorzugsbehandlung. Beziehungen zu haben war akzeptierter Bestandteil des Alltagslebens in Richmond Hill; es wurde einem keineswegs geneidet – es wurde bewundert.

      Die Restaurantmitarbeiterin erkundigte sich nach Jennie. Ava erklärte, dass ihre Mutter den Sommer in einem Cottage verbracht hatte. Die Frau – sie war in flachen Schuhen mindestens eins fünfundachtzig groß und hatte im Basketballteam der chinesischen Frauen mitgespielt – sah ungläubig zu Ava herunter. »Ich dachte, sie wäre nach Hongkong gefahren oder so. In einem Cottage kann ich sie mir nicht vorstellen.«

      Ava zuckte die Achseln. »Sie hat es überlebt.«

      »Möchten Sie Sauer-Scharf-Suppe?«, fragte die Frau.

      »Ja, wie immer. Die bestelle ich jetzt schon. Und alles andere, wenn mein Gast eingetroffen ist.«

      Wenn es ums Essen ging, war Ava erklärtermaßen voreingenommen. Sie glaubte, dass die chinesische Küche in all ihrer unglaublichen Vielfalt und ihrer Wertschätzung frischer Zutaten nicht zu übertreffen war. Und wenn sie nur ein einziges Gericht würde wählen dürfen, dann wäre es Sauer-Scharf-Suppe. Sie hatte sie, so meinte sie, buchstäblich tausendfach in Hunderten von Restaurants gegessen. Und jedes Mal, wenn sie sie aß, war sie anders – nicht nur von Restaurant zu Restaurant, sondern selbst in ein und demselben Restaurant an verschiedenen Tagen. Die fortwährende Überraschung entzückte sie. Die Vielfalt, was die möglichen Zutaten anging, sowohl die unabdingbaren als auch die wahlweisen, war so breit gefächert, dass kleine Abweichungen hier und da das ganze Geschmacksprofil verändern konnten. Wie der Name schon sagte, musste die Suppe scharf sein, deshalb gehörten Pfeffer- und Chilischoten auf jeden Fall hinein. Sie sollte außerdem eine СКАЧАТЬ