Название: Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman
Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Landdoktor
isbn: 9783740956721
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Im Laufe der Nacht tauchte ungebeten die Erinnerung an das Telefonat wieder auf, aber Robert schob diese Gedanken energisch zur Seite. Es war fast zehn Jahre her, dass er seinen Vater gesehen hatte. Franz Berger war ihm schon lange völlig fremd geworden und hatte in einer anderen Welt gelebt. Er konnte nicht um seinen Vater trauern und hatte nicht das Bedürfnis, zur Beerdigung zu reisen.
Viel mehr beschäftigte Robert der Gedanke, was Lilly von seiner Entscheidung halten würde. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und würde sein Verhalten nicht verstehen können. Hätte sie eine solche Nachricht erhalten, sie säße im nächsten Flieger und wenn die Reise drei Tage dauerte. Robert musste sehr genau überlegen, was und wie viel er vom Telefonat mit seinem ungeliebten Bruder erzählen würde.
Gekonnt verdrängte er den Gedanken und konzentrierte sich auf seinen Auftraggeber, einen Schweizer Investor, der viel Geld für den Bau einer Luxusferienanlage in der Nähe von Christchurch ausgeben würde. Zufrieden stellte er wieder einmal fest, dass Lillys Klugheit und ihr Charme eine unwiderstehliche Mischung war, die ihm bei privaten und geschäftlichen Anlässen zugute kam. Das wollte er unter keinen Umständen gefährden.
*
Fast zwanzigtausend Kilometer entfernt in Roberts Heimatdorf hatte niemand den Kopf für lukrative Geschäftsabschlüsse bei edlem Champagner. Im Gutshaus ›Silberwald‹ kamen viele Menschen zusammen, die sich von Franz Berger verabschieden und seinem jüngsten Sohn ihr Beileid ausdrücken wollten. Rautende bekam liebevolle Unterstützung von Traudel und anderen Frauen, die ihr bei der Arbeit halfen. Im Haus herrschte leise Betriebsamkeit, und nach und nach organisierte Daniel alles für den letzten Weg seines Vaters so, wie der es sich gewünscht hatte. An einem schönen Sommertag, als die Sonne den Zenit überschritten hatte, wurde Franz Berger neben seiner geliebten Frau Sybille beigesetzt.
Das halbe Dorf war auf den Beinen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Daniel erlebte den Tag bewegt und getröstet durch die aufrichtige Anteilnahme der Familie, Freunde und Nachbarn. Es war schön, das Leben des Vaters noch einmal so gewürdigt zu sehen. Franz Berger war ein beliebter Mann in der Gemeinde gewesen, selbst dann noch, als ihn ein Unfall bei der Forstwirtschaft ans Haus fesselte. Dieser Arbeitsunfall hatte das Leben des Gutsbesitzers und seines jüngsten Sohnes von Grund auf verändert, und jetzt stand Daniel wieder an einem Wendepunkt.
Rautende hatte die letzten Gäste zur Tür begleitet und trat nun neben Daniel, der erschöpft in der Eingangshalle stand und auf den alten Tisch starrte, auf dem sich eine Fülle an Blumen und Briefen drängte. Sie schob ihren Arm unter den des jungen Mannes und drückte ihn sachte.
»Es ist doch schön, dass alle gekommen sind. Das hilft, gell?«, sagte sie liebevoll.
»Es sind eben nicht alle gekommen«, antwortete Daniel ungewohnt heftig. »Robert ist nicht hier, sondern bei seinem ach, so wichtigen Auftrag am anderen Ende der Welt.«
Rautende lehnte müde den Kopf an seine Schulter und wischte sich mit der Hand über die brennenden Augen. »Du kennst ihn doch, den Robert«, sagte sie leise. »Da ist wohl nichts zu machen.«
»Das werden wir sehen«, knurrte Daniel. Er fühlte sich unendlich müde und erschöpft, aber gleichzeitig auch wütend. So wütend wie er am Beerdigungstag seines Vaters nicht sein wollte, aber er konnte nichts dagegen tun. Er drückte Rautende kurz an sich, dann fragte er: »Kannst du mich beim Aufräumen für eine Viertelstunde entbehren? Ich muss dringend mit Robert sprechen.«
»Natürlich, Bub, nimm dir alle Zeit, die du brauchst«, antwortete sie sofort. Sie ging zu Traudel in die Küche, die dort den Abwasch vorbereitete. Die beiden Freundinnen arbeiteten Hand in Hand und unterhielten sich leise über den Tag, während Daniel ins Büro hinüberging, um seinen Bruder anzurufen.
Robert war eben vom Tennisplatz gekommen und unter die Dusche gegangen, als sein Handy klingelte. Er hatte gleich ein wichtiges Arbeitstreffen und war ärgerlich, weil ihn das Klingeln aus dem sanften Genuss der Regenwasserdusche herausriss.
»Lilly? Drück das Gespräch weg, ich bin jetzt für niemanden zu sprechen!«, rief er ungehalten in das luxuriöse Hotelzimmer hinüber.
Lilly griff nach dem Handy und zögerte, als sie den Namen im Display las. Was wollte Daniel denn schon wieder von seinem Bruder? Die junge Frau hatte mitbekommen, dass Daniel in der vergangenen Woche mehrere Male angerufen hatte. Jedes Mal war Robert hinterher wortkarg und verschlossen gewesen. Sie wusste nicht, worum es ging, aber es schien etwas Wichtiges zu sein, was Robert beschäftigte und bedrückte. Vielleicht wäre es jetzt nicht gut, das Gespräch einfach wegzudrücken?
Kurz entschlossen nahm Lilly das Gespräch entgegen. »Hallo? Hier Lilly von Glasbach am Apparat von Robert Berger«, meldete sie sich.
Für einen Augenblick herrschte überraschtes Schweigen, dann sagte eine angenehme, tiefe Männerstimme: »Hier ist Daniel Berger, ich möchte meinen Bruder sprechen.«
»Das geht im Augenblick nicht, Robert ist nicht zu erreichen«, erwiderte sie zurückhaltend.
»Ach, nein?« Die Männerstimme wurde scharf. »Und womit ist mein Bruder wieder einmal so sehr beschäftigt, dass er nicht einmal zur Beerdigung kommen konnte?«
»Wie bitte? Zu welcher Beerdigung?«, fragte Lilly überrascht.
»Zu der unseres Vaters.« Jetzt kippte die Stimme und klang heiser vor Erschöpfung. »Sagen Sie ihm, der Tag ist vorüber, nun braucht er nicht mehr zu kommen.«
»Was … Ich verstehe nicht«, stammelte Lilly verwirrt, »was haben Sie eben gesagt? Roberts Vater ist heute beerdigt worden?«
Bei diesen Worten lachte der Mann auf, und es klang, als hätte er lieber geweint. »Ja, Roberts und mein Vater«, wiederholte er. »Sagen Sie meinem Bruder einfach, dass alles so gemacht worden ist, wie ich es vorgeschlagen hatte.«
Lilly traute ihren Ohren nicht. Die Nachricht war so schockierend und plötzlich gekommen, dass sie Zeit brauchte, um sie richtig zu verstehen.
»Heißt das, Roberts Vater ist gestorben und bereits beerdigt? Und Sie haben alles allein in die Hand genommen, ohne dass Robert kommen und sich verabschieden konnte?«, fragte sie entsetzt.
»Nein, das verstehen Sie falsch«, antwortete Daniel. »Gleich nachdem Vater eingeschlafen war, habe ich Robert angerufen und gebeten zu kommen. Er sagte, er könne erst dann kommen, wenn es beruflich möglich ist. Ich glaube, bei Ihnen in Neuseeland war es Nacht, und Robert war wegen eines Geschäfts auf einer wichtigen Cocktailparty.«
»Ja, ich erinnere mich«, flüsterte Lilly ungläubig.
»Nun, jetzt hat es sich erledigt. Richten Sie ihm das bitte aus. Leben Sie wohl, Lilly, und viel Glück mit meinem Bruder«, beendete Daniel das Gespräch.
Erschüttert starrte Lilly auf das schweigende Handy in ihrer Hand. In ihrem Kopf rasten die Gedanken wild durcheinander. Richard hatte vom Tod seines Vaters erfahren und war nicht sofort nach Hause geflogen? Er kannte das Datum der Beerdigung und war selbst dann nicht zurückgekehrt? Und er hatte ihr kein einziges Wort davon erzählt …
Was sollte sie davon halten?
Erfrischt und mit seinen Gedanken schon beim nächsten Meeting, kam Robert ins Zimmer СКАЧАТЬ