Stillerthal. Martina Simonis
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Название: Stillerthal

Автор: Martina Simonis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783724522935

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СКАЧАТЬ Wunden von Kühen, die nach einem Absturz tagelang durchs Gelände geirrt waren, ehe sie gefunden wurden. Und er wusste, es war höchste Zeit zu handeln, wenn es nicht schon zu spät war. Entschlossen riss er den Umhang in Streifen und band damit den verletzten Arm am Körper der jungen Frau fest. Dann warf er sie sich über die Schulter und stieg zur Alm hinunter.

      Vince kam fröstelnd aus dem kühlen Naturkeller, in dem Matthis’ Käse reifte. Er kippte den kleinen Rest Sole, die er zum Abreiben der Käselaibe genommen hatte, in den Bottich, der neben der Käserei stand. Dann hockte er sich zufrieden auf die kleine Holzbank vor der Stube und wärmte sich in der Morgensonne.

      Vince war gern Kuhbub auf dem Matthishof. Der Hof lag fernab vom Dorf auf einem kleinen wiesengesäumten Plateau mitten im Bannwald. Das war ihm gerade recht. Hier hatte man seine Ruhe. Keine keifenden Nachbarn, und der Vater, der ihn immer schlug, wenn er etwas falsch machte, weit weg. Matthis schlug nie. Weder ihn noch die Kühe. Zu den Kühen war er besonders freundlich. Vince verstand nicht, warum manche die Stirn runzelten, wenn sie von Matthis redeten. Nur seine Eutersalbe nahmen alle gern. Vince war überzeugt, dass niemand so viel von Kühen verstand wie Matthis. Matthis hatte sogar eine von Lundis’ besten Milchkühen, die sich ein Bein gebrochen hatte, so gut geschient, dass man nach ein paar Monden nichts mehr merkte.

      Dösig saß Vince auf der Bank, als ihn das tiefe Muhen von Matthis’ Leitkuh aus dem Halbschlaf riss. Kurze Zeit später sah er Maya und die anderen Kühe in dichtem Gedränge den schmalen Fußweg, der den Hof mit der Alm verband, hinunterstapfen, Matthis folgte dicht dahinter. Aber Matthis kam nicht allein. Über den Schultern hatte er den leblosen Körper einer Frau hängen. Vince sprang auf und lief ihm entgegen. Mit offenem Mund starrte er das fremde Stück Mensch an. Matthis blieb kurz stehen und reichte Vince seinen Stock.

      «Hier, bring die Kühe auf die Hausweide und dann komm ins Haus, ich brauch dich.»

      Vince nickte und trieb die Kühe auf die kleine umzäunte Wiese, die direkt neben dem Hof lag. Die Kühe kannten Vince und sie kannten die Weide und so folgten sie ihm brav. Sobald das letzte Kalb auf der Wiese stand, schloss Vince das Holzgatter und rannte ins Haus. Als er in die Stube kam, blieb er abrupt stehen.

      «Igitt!», japste er. «Das stinkt!»

      Matthis sah ihn streng an.

      «Ein verkoteter, kranker Körper riecht nie gut. Komm jetzt, ich will, dass du was lernst.»

      Matthis hatte die Fremde auf den langen Küchentisch gelegt, der den Küchenbereich vom übrigen Raum abtrennte. Über der gemauerten Feuerstelle hing ein Topf mit brodelndem Wasser. Eilig trug Matthis Schüsseln, Schöpfkelle und allerlei Kräuterutensilien aus Regalen und Schränken zusammen. Als er alles beisammen hatte, holte er ein Messer und zerschnitt in zügigen Schnitten die zerfetzten Kleider, zog sie vorsichtig ab und warf sie ins Feuer. Dort, in den prasselnden, lodernden Zungen fanden sie ein schnelles Ende.

      «Reinheit und Sauberkeit, das ist das Wichtigste, wenn du Krankheit besiegen willst», erklärte Matthis. «Vergiss das nie!»

      Vince nickte. Andächtig sah er zu, wie Matthis die Waschschüssel mit heißem und kaltem Wasser sowie einigen Kräutern und Seifenraspeln füllte. Dann wusch er mit einem Lappen den nackten Körper so oft ab, bis das Wasser dunkel war. Vince beobachtete atemlos, wie sich aus dem dreckverkrusteten Fleisch ein weißer Körper schälte.

      «Sie sieht ekelig aus. Wie eine Made!», meinte er.

      Matthis blickte ihn nachdenklich an.

      «Fass sie an», befahl er.

      Zögernd streckte Vince die Hand aus und berührte den hellen Körper.

      «Was spürst du?», fragte Matthis.

      «Es ist glatt und da sind kleine Härchen.»

      «Nun berühre deinen eigenen Arm.»

      Vince tat, wie ihm geheißen.

      «Was spürst du nun?»

      «Er ist auch glatt und hat kleine Härchen», gestand Vince.

      Matthis nickte.

      «Es ist nicht die Hautfarbe, die einen Mensch zum Menschen macht. Präge dir das gut ein!»

      Dann machte er sich wieder an die Arbeit. Er wickelte der Fremden mit flinken Bewegungen eine Windel um den Schritt und deckte sie mit einem sauberen Tuch zu. Schließlich näherte er sich dem linken Arm und zeigte auf das feuchte Tuch, mit dem er den Arm abgedeckt hatte.

      «Warum habe ich das gemacht?», fragte er. Vince schüttelte den Kopf.

      «Weiß nicht.»

      «Sie hat eine böse Wunde. Stoff hat sich darin verklebt. Der Stoff muss sauber entfernt werden.»

      Matthis hob das Tuch ab. Vince zog scharf die Luft ein. Eine tiefe, eitrige Wunde zog sich über die gesamte Länge des Armes. Vince hatte noch nie eine so schlimme Wunde gesehen. Beklommen beobachtete er Matthis, der unschlüssig dastand und den Arm betrachtete.

      «Was machst du, wenn du so eine Wunde vor dir hast?», fragte er, mehr zu sich selbst als zu Vince.

      Vince schluckte und versuchte, nicht zu genau hinzusehen.

      «Weiß nicht.»

      «Eigentlich müsste man den Arm amputieren», murmelte Matthis, und Vince merkte, wie sehr ihm die Vorstellung zuwider war.

      Wieder stand Matthis minutenlang da, ohne sich zu bewegen. Nachdenklich fuhr er fort: «Aber sie ist noch so jung … Wenn ich Mutters Vorrat aufbrauche, wir könnten es schaffen …»

      «Was?»

      «Den Arm wieder gesund zu machen!»

      Er überlegte kurz, dann nickte er.

      «Wir könnten es schaffen!»

      Matthis holte eine flache Schüssel und füllte sie mit einer Flüssigkeit aus einer Flasche. Dann legte er ein schlankes Messer und andere Gerätschaften hinein, holte sie wieder heraus und hielt sie kurz über das Feuer. Blaue Flammen schossen in die Höhe, es sah aus, als wollten sie die Dinge verzehren, aber kurz darauf erloschen die Flammen von allein.

      «Feuer reinigt», sagte Matthis. «Alles, was mit so einer schlimmen Wunde in Kontakt kommt, muss vom Feuer gereinigt werden! Alles!»

      Matthis badete kurz seine Hände in der Flüssigkeit und hielt sie ebenfalls über das Feuer. Vince schrie auf, als blaue Flammen um die Hände emporzüngelten. Aber dann zog Matthis seine Hände schon wieder aus dem Feuer und die Flammen erstarben.

      Atemlos verfolgte Vince, wie sich Matthis an die Arbeit machte. Zuerst band er den Arm ab und entfernte die verklebten Stofffetzen. Dann öffnete er die alte Wunde, entfernte Eiter, Narbengewebe, schnitt faules Fleisch weg. Immer wieder tunkte er saubere Tücher in eine Flüssigkeit und reinigte damit die Wunde. Am Ende vernähte er das klaffende Fleisch, umwickelte den Arm mit dünnen Rindenstücken und löste den Druckverband.

      Matthis zeigte auf den Rindenverband und sah Vince scharf an.

      «Das da hast du nie gesehen, СКАЧАТЬ