Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ Ich glaube wohl, daß Euch das Getreibe hier verwirrt. Ihr seid in einem Fürstenschlosse, nicht in einem Ordenshause, und der nahe Krieg schafft viel Unruhe. Gott der Herr wolle alles zum besten wenden!

      Kann ich Euch nützen, lieber Sohn, so tu ich's gern, des braven Plauen wegen. Kommt zunächst mit mir an die Firmarietafel. Ich gehöre zu den Kranken und Gebrechlichen, die dort gespeist werden, und räume Euch mit des Spittlers Genehmigung willig meinen Platz ein, wenn er die Speisen schon verteilt haben sollte. Dann mögt Ihr in meiner Zelle schlafen. Es steht da noch das Bett für den Krankenpfleger, den ich vor einigen Tagen brauchte. Morgen wollen wir weiter zusehen, wie Eure Angelegenheit zu fördern ist. Haltet Euch an mich, und daß Ihr mich allezeit zu finden wißt, sage ich Euch, daß man mich den Bruder Wigand von Marburg nennt. Merkt Euch den Namen.

      Heinz dankte ihm für seine Güte und folgte ihm die Treppe hinab über die Brücke nach dem hohen Hause, das sie durch ein hochgewölbtes Portal betraten. Bruder Wigand versäumte nicht, in die Kirche einzutreten und ein kurzes Gebet an einem Seitenaltar zu sprechen. Der Spittler nahm den Gast auf seine Empfehlung gütig auf und hatte genug Speisevorrat und Tafelbier für beide.

      Die Schlafzelle lag nicht weit davon; sie gehörte zum Spital und bot mancherlei Bequemlichkeit, die den Ritterwohnungen fehlte, so auch einen kleinen Ofen, durch den der Raum im Winter erwärmt werden konnte. In die dicke Mauer war eine tiefe Fensternische eingeschnitten, der Fußboden in derselben durch einen hölzernen, mit einer Binsendecke belegten Tritt erhöht. Es stand dort ein Tisch unter der durch Ölpapier gegen das Eindringen der kalten Luft verwahrten Lichtöffnung. Darauf lagen aufgeschlagene Bücher, auch mehrere Federn und Pinsel neben kleinen Schälchen mit schwarzer und roter Flüssigkeit. Das oberste Blatt eines der Bücher war erst zur Hälfte mit kurzen ungleichen Reihen beschrieben. Das ist meine Werkstätte, erklärte Bruder Wigand. Ich schreibe gern gute Bücher ab und bin auch vom Herrn Hochmeister über des Hauses recht ansehnliche Liberei gesetzt. Ist meine Gesundheit nicht zu schwach, so lehre ich in seiner lateinischen Schule. Die wird nun freilich lange Ferien haben, da die jungen Gesellen statt der Feder das Schwert zur Hand nehmen, und wenn sie sich wieder in der Schulstube sammeln, so viel ihrer mit heiler Haut davongekommen, liege ich vielleicht schon als stiller Mann neben stillen Männern auf dem Parchan, wo unweit der St.-Annen-Kapelle unser Begräbnisplatz ist. Wie Gott will!

      Heinz fragte den Bruder, was er zur Zeit schreibe und warum er die Reihen nicht ganz ausfülle. Der antwortete lächelnd: Das da schreibe ich nicht aus anderen Büchern ab, sondern es ist mein eigenes Werk zu nennen. Seit früher Jugend bin ich in diesem Ordenslande und habe viele Heerfahrten begleitet und lange ein Heroldsamt bekleidet und mancherlei erfahren, was mir des Aufbewahrens wert schien. So hab' ich beschlossen, eine Chronik des Ordens zu schreiben und sie in Reime zu bringen, daß sie sich leichter dem Gedächtnis einpräge. Vor vielen Jahren ist sie schon beendet worden, denn was nach Meister Wallenrods Tode geschehen, mochte ich nicht aufnehmen, damit das Buch keinen der Brüder verdrieße. Ich schreibe es nun säuberlich ab für des Herrn Hochmeisters Liberei. So habe ich meine Beschäftigung täglich und bin doch nicht ganz ein unnützer Mitesser.

      Der Junker bat ihn, etwas aus dem Buche vorzulesen, da er wohl merkte, daß der Schreiber mit ganzer Seele bei seinem Werke sei. Wigand ließ sich auch nicht lange bitten, schlug einige Blätter zurück und las vor von der Schlacht bei Rudau, in der Hennig Schindekopf, der tapfere Komtur, gegen die Litauerfürsten Kynstut und Oljerd kämpfte und siegend den Heldentod starb. Dann meinte er, daß es Zeit sei, zur Ruhe zu gehen. Ein andermal wolle er ihm von dem Ehrentisch vorlesen, den Meister Wallenrod vor der großen Kriegsreise nach Litauen seinen Gästen gedeckt habe. Dergleichen werde sich nicht mehr wiederholen in diesen Landen.

      Am nächsten Morgen nahm er ihn mit sich und führte ihn zu dem obersten Kämmerer, der den Hochmeister nach dem Aufstehen zu bedienen und zu kleiden hatte. So kommen wir schneller zum Ziele, meinte er, als wenn wir bei einem der Gebietiger anklopfen. Diese Leute sind immer um den Meister und erkunden leicht die günstigste Stunde, wann ein Fremder ihn sprechen kann. Wendet man sich an sie, so schmeichelt's ihnen, daß man sie für vielvermögend hält; und so sind sie gern nützlich. Er täuschte sich denn auch nicht. Der Kämmerer nahm die Briefe an sich und versprach, sie dem Meister abzugeben, bevor er noch mit Geschäften behelligt sei; so werde er ihnen sicher mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein Geschenk vermehrte noch seinen Eifer, zu dienen.

      Es war noch zu früh, auf die Vorlassung zu warten. Bruder Wigand zeigte seinem jungen Freunde die Bibliothek des Schlosses, in der sich gegen fünfzig geschriebene Bücher geistlichen und weltlichen Inhalts befanden, ein Schatz, den Junker Heinz schwerlich nach seinem vollen Wert zu würdigen verstand. Dann sagte er ihm, daß er als ältester Herold die Anfertigung der Fahnen zu beaufsichtigen habe, und gestattete seine Begleitung nach dem Raume der Vorburg, in welchem die Maler arbeiteten. Da waren zwei große seidene Fahnen mit des Hochmeisters Wappen schon fertig ausgehängt: sie zeigten auf weißem Grunde ein goldenes Kreuz mit schwarzen Rändern, an den Spitzen erweitert; mitten darauf lag ein goldenes Kreuz mit schwarzem Adler; die dem Fahnenstock abgewandte Seite des Tuches war zweimal geschlitzt. Prächtig glänzte die Goldstickerei. Ebenso kostbar waren vier kleinere Banner des Meisters hergestellt. Mehrere andere von Leinwand wurden mit des Meisters Wappen in Gold bemalt, eine größere Zahl begnügte sich mit einfacherer Malerei in Farbe. Tücher, die bereits benutzt und verblichen waren, wurden sorgfältig übermalt. Die Arbeiter bewiesen viel Geschick in ihrer Kunst; es waren, wie Bruder Wigand erzählte, dieselben, die auch im Kapitelsaal die großen Figuren aus der Heiligengeschichte auf die dreieckigen Wandabschnitte zwischen den Gewölbebogen künstlich aufgetragen hatten.

      Im Vorbeigehen wurde dem Gießmeister Ambrosius aus Nürnberg im Gießhause ein Besuch abgestattet. Er verstand die Kunst, das Metall zu mischen und Geschütze in einer Größe herzustellen, wie man sie bisher nicht für möglich gehalten hatte. Freilich war es ihm noch nicht gelungen, den Guß aus einem Stück zu formen, aber er brachte die Teile geschickt und fest zusammen, so daß ein Springen bei angemessener Pulverladung nicht zu befürchten war. Alle Ballisten und Katapulten und wie die Wurfmaschinen sonst heißen mögen, sind dagegen Kinderspiel, sagte er. Mit zehn solchen Röhren will ich mir's wohl übernehmen, die festeste Mauer niederzuwerfen, und das aus einer Entfernung, wo auch kein Pfeil oder Schleuderwurf von den Zinnen her treffen soll.

      So sind auch unsere Schlösser nicht mehr sicher, meinte Wigand, wenn der Polenkönig sich ähnliches Geschütz zu schaffen weiß.

      Der Nürnberger zog die Achseln. Es ist so, antwortete er. Aber die Kunst, so große Stücke zu gießen, ist noch ein Geheimnis weniger Werkmeister, und die Kosten sind so groß, daß nur sehr reiche Fürsten sie aufbringen können. Auch hat's erhebliche Schwierigkeiten, so schwere Massen von einem Ort zum anderen zu bewegen, da die Räder der Wagen den Druck nicht aushalten oder auf schlechten Landstraßen so tief einsinken, daß den Zugtieren die Kraft versagt. Wäre das nicht zu bedenken, so könnten wir leicht noch mächtigere Röhren zusammenschweißen.

      Das sicherste bleibt immer, äußerte Wigand, den Feind in seinem eigenen Lande anzugreifen und in offener Feldschlacht niederzuwerfen, damit er an die festen Schlösser nicht heran kann. Den Einfällen der Litauer werden sie wohl noch lange Zeit standhalten.

      Sie gingen nun nach dem Residenzschlosse zurück. Im Vorzimmer vor des Meisters Gemach standen schon wieder Ordensbeamte, Hauptleute und Boten, die Einlaß begehrten. Es waren polnische Männer aufgegriffen, die in Bettlerkleidung das Land durchstreiften, um für den König zu kundschaften, und die nun verräterische Aussagen gemacht hatten, ihr Leben zu retten. Auch waren in der Nacht Briefe von den Komturen der Grenzburgen angelangt: daß der Feind ein großes Heer zusammenziehe und Großfürst Witowd seine Litauer, aber auch wilde Russen und Tataren dem König zuführe. Sein Bruder Switrigal, der ihm feindlich gesinnt und im geheimen mit dem Orden verbündet war, hatte Boten geschickt und melden lassen, daß er ihn nicht aufzuhalten vermöge. So hatte der Meister wieder Arbeit die Fülle für diesen Tag. Gleichwohl wurde Heinz von Waldstein auf des Kämmerers Meldung vorgelassen.

      Er trat in ein prächtiges СКАЧАТЬ