Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Hm! das hat seine gute Ursache. Ich war eben auf dem Wege nach der Stadt, hatte von Sonnenaufgang einen tüchtigen Marsch gemacht. Da sah ich hier seitwärts die Stange und dachte gleich: dazu gehört auch ein Vogel. Wollte also erfahren, auf wieviel Schritt Entfernung die Marienburger in ihrem Schießgarten schießen, den schon Herr Winrich von Kniprode ihnen hergerichtet haben soll. So ging ich hierher und konnte Euch beispringen.
Ihr habt also noch keine Herberge in der Stadt, Waldmeister? Kommt mit mir ins Schloß, ich hoffe Euch in der Vorburg unterbringen zu können. Meine Fürbitte gilt jetzt dort etwas.
Der Alte schüttelte den Kopf.
Ihr werdet doch in der Marienburg ein wenig ausruhen wollen.
Ich gehe nicht in das Haus meines Feindes, Junker. Aber ich will an der Brücke warten, bis er herauskommt. Es ist jetzt Sommerzeit – ich schlafe am Ufer unter der Brücke.
Hans antwortete nicht sogleich. Nach einigem Nachdenken sagte er: Hört, Gundrat, es gefällt mir nicht, daß Ihr so sprecht. Was Ihr gegen den Herrn Hochmeister habt, weiß ich nicht, aber Ihr braucht versteckte Worte, hinter denen nichts Gutes lauert. Darum hattet Ihr Euch auch dem Komtur ergeben, der unehrlich gegen seinen Herrn handelte. Ihr sagt, seine Sache war nicht Eure Sache, und so mag's sein. Aber ich bitt' Euch, zu bedenken, daß Plauen, was er Euch auch einmal zuleide getan, nicht wie ein einzelner Mann ist, mit dem eine Feindschaft auszufechten, sondern daß er als Hochmeister über dem Orden und als Fürst über dem Lande steht, vielen verantwortlich. Da sollte billig alles Rachegelüste schweigen.
Der Alte zog die Stirn in Falten. Das versteht Ihr nicht, Junker, entgegnete er dann mürrisch. Ich kannte ihn schon vor der Zeit, als er in den Orden trat. In dem, was geschehen, hat er dadurch nichts ändern können, daß er das Kreuz nahm. Meine Augen sahen es nicht. Aber kümmert Euch darum nicht, Junker, und laßt den Dingen ihren Lauf.
Den Rest des Weges bis zur Stadt verhielt Gundrat sich schweigsam, wie auch Hans das Gespräch wieder aufzunehmen bemüht war. Selbst auf eine Frage nach der Wildnis hatte er nur eine kurze, abweisende Antwort. Am Tor blieb er zurück. Besser, man sieht uns nicht zusammen, meinte er. Habt Ihr mir etwas zu sagen, so trefft Ihr mich an der Brücke.
Hans ging durch die Stadt nach dem Schlosse. Er hatte dabei reichlich Zeit, zu überlegen, was er nun beginnen wollte. Seine Hoffnung, der Meister würde ihn wieder rufen lassen und nach seinen Wünschen ausfragen, war nicht in Erfüllung gegangen. Wie lange sollte er darauf warten? Es schien nicht ratsam, sich bei längerem Bleiben der Gefahr auszusetzen, nochmals mit Switrigals Dolch in nahe Berührung zu kommen. Daß Eifersucht den Buben stachelte, daran konnte kein Zweifel sein. Dann aber war's das beste, ihm zu zeigen, daß er sich ganz vergeblich um Waltrudis bemühte. Ja, es war Zeit, ein offenes Wort zu sprechen und die Sache zur schnellen Entscheidung zu bringen.
Er fand die Gießmeisterin in großer Aufregung. Eben sei Prinz Switrigal dagewesen und hätte sich ganz unsinnig betragen. Die boshaftesten Worte seien ihm vom Munde gegangen, und er hätte gesagt, daß er sich nicht länger wie ein Kind behandeln lassen wolle, und gedroht, die Tür, die Waltrudis verriegelt hielt, mit der Faust einzuschlagen. Auch gegen ihn habe der böse Mensch geflucht, und was er außerdem in seiner heimischen kauderwelschen Sprache gesprochen, das habe sie nicht einmal verstanden, sei aber wahrscheinlich das allerschlimmste gewesen. Das Fräulein sei in großen Schrecken versetzt worden, und es könne ihr noch nachträglich schaden. Zugleich ging sie an die Tür und klopfte leise an. Macht nur auf, Fräulein, sagte sie, es ist der Herr Ritter von der Buche, unser guter Freund. In dessen Schutz seid Ihr vor dem wütenden Menschen sicher.
Der Riegel wurde sofort zurückgezogen, und Waltrudis trat mit recht bleichem und verstörtem Gesicht herein. Wie sie aber des lieben Gastes ansichtig wurde, schien alle Unruhe und Bangigkeit zu weichen, Mund und Augen lächelten holdselig, und die Hand streckte sich ihm entgegen. Er bückte sich rasch und küßte sie. Da war's, als ob ein rotes Mal auf der weißen Haut zurückblieb. Sie sah's und wollte es mit der anderen Hand fortreiben, aber es trat nur noch deutlicher vor. Deshalb zog sie den Arm ein wenig ein, daß die Klappe des Ärmels darüberfiel. Sie wurde ganz verwirrt.
Was hat's denn aber gegeben, Herr Ritter? fragte Frau Ambrosius, um ihr zu Hilfe zu kommen. Aus des Prinzen garstigen Reden mußte man schließen, daß er mit Euch irgendwo ein ernstliches Zusammentreffen gehabt. Er hat Euch doch nichts zuleide getan?
Hans erzählte kurz, was hinter dem Schießgarten geschehen war. Die Frauen bekreuzten sich, und die Gießmeisterin konnte sich gar nicht heftig genug gegen den frechen, störrischen Buben aussprechen, der ein Fürst sein wolle und sich wie ein Straßenräuber betrage. Waltrudis aber zerdrückte mit den langen, seidenen Wimpern eine Träne und sagte: Gott sei's gedankt, daß Ihr gerettet seid.
Das klang ihm, als ob sie ihm sagte: Wie gut bin ich dir im Herzen! Er faßte sich deshalb Mut, trat dicht vor sie hin und sprach: Dankt Ihr so innig Gott, daß ich gerettet bin, so darf ich mich wohl auch selbst dessen freuen. Denn wisset, daß ich lieber tot wäre als von Euch verleugnet. Es läßt sich nun nicht mehr zudecken: es ist eine Todfeindschaft zwischen Switrigal und mir, und die hat nur in Euch ihren Grund, so unschuldig Ihr dazu seid. Eure Schönheit macht ihn so unsinnig und daß er glaubt, ich sei seinem Liebeswerben im Wege. Daß ich ihm aber nicht ebenso gesinnt bin, das will ich mir nicht zum Lobe rechnen. Denn mein Herz ist voll Hoffnung, daß ich Euch lieb und wert bin und keinen König und Kaiser zu fürchten habe. War's Täuschung, so sagt mir's offen, damit ich mich nicht ferner so grausam betrüge. Las ich aber recht in Euren Augen und in Eurem Herzen, Waltrudis, so sagt nur auch das offen und ehrlich. Denn die Zeit ist gekommen, wo es klar werden muß zwischen uns. Meines Bleibens darf hier nicht länger sein. So laßt mich in die Heimat die Gewißheit mitnehmen, daß ich dort bald nicht mehr allein bin und mein Gemüt mit Sorgen quäle. Sagt mir: wollt Ihr mein liebes Weib sein? Darf ich mir Eure Hand vom Herrn Hochmeister erbitten?
Da zuckten ihre Wimpern, und sie wagte doch nicht die Augen aufzuschlagen. Und dann blickte sie seitwärts auf die Gießmeisterin, die sich nicht von der Stelle gerührt hatte, obschon die Sache sie so weit gar nichts anging. Als die aber freundlich nickte, reichte sie dem Ritter beide Hände hin und flüsterte:
Nehmt mich – ich war Euer von Anbeginn. Er hob ihre Arme hoch, legte sie um seinen Hals und zog das schöne Mädchen an sich – er küßte das goldige Haar, die feuchten Augen und den roten Mund. Dann sank er vor ihr auf die Knie und sah mit feurigen Blicken zu ihr auf. So will ich dir geloben, rief er, du Engelreine, daß ich dir getreulich angehören will bis ans Ende.
Sie hob ihn auf. Ich vertraue Gottes Güte, antwortete sie, daß er Euren Mund Wahrheit sprechen läßt.
Frau Ambrosius war sehr gerührt. Sie meinte, das hätte sie schon lange gewußt, und geradeso hätte es kommen müssen. Ein Fürst sei freilich keine verächtliche Partie, aber nach Masowien wäre sie nicht gegangen, und wenn ein Herzog um sie gefreit hätte. Man merke es wohl an diesem Prinzen, was da für wilde, heidnische Menschen lebten. Dann kam sie auf einen anderen Gedankenweg. Das ist nun in meinem Hause geschehen, plauderte sie, und ich hab's gewissermaßen mit zu verantworten, da ich dabeigestanden und nicht Einhalt getan habe. Was nun Euch betrifft, Herr Ritter, Ihr seid selbständig und möget Euch binden, wie es Euch gefällt. Das Fräulein aber, das unter meiner Obhut steht, hat Verwandte und muß sie befragen – hohe Verwandte, wie Ihr wißt, deren Ja- und Neinwort wuchtig in die Schale fällt. Darum, bis die gesprochen haben, darf ich in meinem Hause heimlichen Verkehr nicht leiden. Auch könnte ein Unglück geschehen, wenn der Prinz Euch träfe, zu unseres Hauses ewigem Schimpf. Deshalb bitte ich Euch, Herr Ritter, daß Ihr geht, und nicht wiederkehrt, bis Ihr des Herrn Hochmeisters gnädigste Einwilligung bringt. Wir sind ehrliche Leute und wollen in Ehren bleiben.
So meint' СКАЧАТЬ