Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Mir will's doch geraten scheinen, meinte Huxer, denen im Schloß nicht geradezu vor den Kopf zu stoßen. Es steht nun einmal in den alten Briefen, daß wir mögen Ratmannen kiesen? mit Wissen der Herrschaft und die ihr genehm sind. Lassen wir's nun bei der alten Förmlichkeit, so wird man auf die Personen im Schloß wenig achthaben. Weigern wir aber die Anzeige, so mag es leicht geschehen, daß man sich aufs hohe Pferd setzt und uns zu überreiten sucht.
Wilm von Wiemen und Tidemann Schwach stimmten ihm zu, Barthel Groß aber sagte: Es kann doch nicht vergessen werden, daß der Orden seine Macht über uns verloren gehabt hat und wir unter dem König von Polen gestanden haben. Ist nun darüber Streit, ob dies zu Recht oder Unrecht geschehen sei, so mag der erst ausgefochten werden. Was inzwischen etwa unregelmäßig vorgenommen, kann nicht gerügt werden; später aber fußt man darauf als auf einem sicheren Vorgang und gewinnt durch Übung Recht.
Ihr gefallt Euch in halben Maßregeln, schalt Hecht, und werdet es büßen. Jetzt ist der Orden schwach und kann den Zügel nicht anziehen. Werfen wir das Gebiß ab, so wird er's uns nimmermehr anlegen. Lassen wir ihn aber wieder zu Kraft kommen, so werden wir uns die Zähne daran zerbeißen. Ich sehe kein Heil für uns unter seiner Herrschaft.
Warum sollen wir nicht vom Orden erlangen können, was uns der König zugestand? fragte Letzkau. Muß er doch einsehen, daß er uns auf andere Weise nimmer zufriedenstellt und zur festen Stütze seiner Macht gewinnt. Wir müssen darauf dringen, daß der Herr Hochmeister einen Landesrat erwähle aus den Vollmächtigen der großen Städte und den Edelsten des Landes, und daß er in Landessachen mit seinen Gebietigern und Prälaten nichts beschließe und ausführe, davon diese geschworenen Räte nicht Kenntnis erhalten. Nie wieder darf eine Abgabe erhoben werden ohne des gemeinen Landes Bewilligung! Und was geschoßt ist vom Lande mit gutem Willen, das soll auch nicht verwandt werden nach der Gebietiger Einsicht, sondern mit Zustimmung der Landesräte, und soll ihnen Rechnung gelegt werden, wie ein Verwalter Rechnung zu legen hat. Dann wird Friede im Lande sein und der Orden jedem Feinde stehen.
Aber nur die Furcht vor dem Könige und die Not im Lande werden ihn vermögen, so weit nachzugeben, erinnerte Heinrich von Dalen.
Darum müssen wir das Unsere tun, bemerkte lachend Hermann Rogge, daß der König ihm furchtbar bleibt und seine Kassen nicht wieder voll werden. Des Bürgermeisters Plan ist gut und wohlausgesonnen.
Das ist er! rief Johann Hamer. Hat man ein zu mutiges Pferd, das macht man durch Hunger zahm.
Nun sieht man doch, worauf man hinaus kann, meinte Arend Scheren, und tappt nicht mehr im Dunkeln. Den Landesrat müssen wir haben, und ohne Landesrat bewilligen wir keinen Pfennig.
Ihr werdet ihn haben, wenn ihr beim Könige bleibt, sagte Hecht, und ich möchte wohl selbst darin sitzen, wenn er ehrlich etwas zu sagen hat. Wie er aber neben dem Ordenskapitel bestehen soll, begreife ich nicht. Ihr wollt Pferde vorn und hinten an den Wagen spannen; da mag er eher zerbrechen, als von der Stelle kommen.
Und Ihr kehrt, wie die Weiber, stets wieder zu Eurem ersten Wort zurück, verwies Letzkau. Man kann nicht aus Luft ein Haus bauen und an den Sternen ein Licht anstecken.
Hecht erwiderte heftig, und man schrie durcheinander. Der Hausherr hatte einige Mühe, Frieden zu stiften. Laßt euer Bier nicht schal werden, riet er, und feuchtet die Kehlen an. Ich denke, wir streiten auf beiden Seiten um des Kaisers Bart.
Die Deckel der Krüge klappten, die Kanne wurde zu neuer Füllung herausgereicht. Pater Severus stand noch immer an der Öffnung unter dem hölzernen Schieber, das Ohr dicht an die Wand gedrückt. Die Kapuze war ihm ins Genick gefallen, die beiden Fäuste hatte er geballt, die Zähne bissen fest aufeinander, während die Lippen geöffnet waren. Jetzt richtete er sich auf und stieß einen zischenden Laut vor, wie ihn die Wut austreibt. Er hatte genug gehört und benutzte die Zeit, in der die Magd draußen sich nach dem Keller entfernt hatte, um die Kammer zu verlassen und durch die Haustür auf die Straße zu treten. Er warf sie so heftig hinter sich zu, daß man's bis in die Herrenstube hinein am Klirren der Krüge auf dem Tische merkte.
Mit raschen Schritten ging der Pater dem Haustor zu. Es war ein abscheuliches Wetter geworden; der Sturm heulte um die hohen Giebel der Häuser und fegte den trockenen Schnee in langen weißen Schleiern von den Dächern hinab oder wirbelte ihn an den Straßenecken hoch auf und dem Vorschreitenden ins Gesicht, daß ihm Augenbrauen und Bart bald mit einer dicken Kruste bedeckt waren. Er achtete darauf nicht, senkte nicht einmal den Kopf oder zog die Kapuze fester an; seiner Stimmung schien es gerade zuzusagen, einen Widerstand brechen zu müssen, so legte er sich mit voller Brust gegen den Wind. Manchmal hob er den Arm mit der geballten Faust wie drohend und sprach halblaut heftige Worte: Dieses übermütige Krämervolk soll gezüchtigt werden! Eine Bande von Verrätern – die Herren Bürgermeister obenan! Oh, die Nichtswürdigen, die Buben! Hab' ich sie nun recht erkannt? Sind sie mit Zuckerbrot zu füttern? Die Peitsche auf ihren Rücken! Das ist eine Brut, die ausgetilgt werden muß wie ein Wespennest mit siedendem Wasser – eine Pestbeule, die das ganze Land anzustecken droht! Heran mit Feuer und Schwert!
Er stieß selbst den Torriegel zurück, da der Wächter unter einem Mauervorsprung Schutz gegen das Unwetter gesucht hatte, und schritt dem Schlosse zu; dort warf er die Kutte ab und überließ es dem Mönch, sie vom Boden aufzuheben. Ich weiß genug! rief er. Mich werden diese Buben nicht mehr täuschen. Zum letztenmal hab' ich in diesem Gewande gesteckt. Trete ich jetzt in die Stadt ein, so ist's in blanker Rüstung, das Schwert an der Seite. Wir wollen einen Tanz aufführen, und ich will euch schwenken, daß euch der Atem vergehen soll!
Was der Komtur gehört hatte, wälzte sich wie eine ungefügige Masse in seinem Kopfe herum; er mußte ihn anstrengen, um in der Erinnerung zu sondern, was der eine und der andere gesagt hatte. Anfangs schien ihm kein Unterschied darin zu sein: der Orden sollte um sein Herrenrecht gebracht werden – so oder so. Am verständlichsten war ihm noch, was Hecht plante: Verschwörung mit dem König, Abfall, Gewalt. Dagegen ließ sich mit den Waffen ankämpfen. Er wünschte fast, die anderen wären darauf eingegangen, daß er sofort dreinschlagen könnte. Es kümmerte ihn im Augenblick wenig, daß er keine Zeugen hatte. Aber das wollten sie nicht – die feigen Hunde! Was wollten sie? Er hatte Mühe, sich's notdürftig zu erklären, worauf Letzkau ausging. Pah! Kniffe und Pfiffe – es kommt sicher auf dasselbe hinaus! Die ganz neuen Gedanken, die der Bürgermeister angeregt hatte, gärten doch fort und wollten eine Vorstellung gewinnen. Ein Landesrat! Was war das für ein Ding? Wie konnte neben dem Generalkapitel des Ordens eine Macht bestehen, die zu bestimmen hatte: das sei und das sei nicht? Lieber in ehrlichem Kampfe mit den Polen und Litauern untergehen, als so heimtückisch einen Keil in den Stamm treiben lassen, der ihn bis aufs Mark zersplittern müßte. Letzkau war von den beiden Bürgermeistern der gefährlichere. Je mehr er über seine Reden nachdachte, um so gewisser wurde ihm diese Erkenntnis. Und sicher hatte er noch nicht einmal sein letztes Wort ausgesprochen, seinen ganzen teuflischen Plan enthüllt. Wer konnte erraten, was dieser Kopf im geheimsten brütete?
Die andern schienen ihm nur armselige Wichte gegen diesen Mann, auf den sich sein tiefster Haß richtete.
Mit welchen Mitteln konnte er ihn befehden? Ihm den Prozeß machen? Aber er durfte nicht Richter und Zeuge sein in einer Person. Nicht einmal Zeuge allein! Niemand durfte erfahren, daß er in der Mönchskutte gelauscht hatte, versteckt in eines Weibleins Kammer. Nun erst, da es darauf ankam, von seiner List Vorteil zu ziehen, erkannte er deren Nutzlosigkeit und – Unwürdigkeit. Das empörte ihn noch mehr, das peinigte ihn Tag und Nacht.
Das Kästchen mit dem Ringe hatte er vergessen. Es war im Ärmel der Kutte steckengeblieben. Er erinnerte sich erst daran, als der Jude sich meldete und um seine Aufträge bat. Nun schickte er Peter Engelke nach dem Kloster, es in Empfang zu nehmen und zugleich dem Juden mit der nötigen Weisung zu übergeben. Das hübsche Fräulein wollte er seinen Zorn nicht entgelten СКАЧАТЬ