Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ nicht ganz verheißungsvoll und befriedigend die erste Lebensperiode beschlossen, hatte er eine zweite begonnen, über deren Einzelheiten und Wendungen ebenfalls ein gewisses Dunkel lag, welches, da Claus selber es nicht aufzuhellen Veranlassung genommen hat, bis auf diese heutige Stunde unenträtselt geblieben ist; es ist nur gewiß, daß diese zweite Lebensperiode in einer angenehmern Weise als die erste ihr Ende erreichte, dadurch nämlich, daß Claus auf vielfältiges Anhalten und nach mancherlei Gängen um Fürsprache und Empfehlung zum Hausverwalter unsers Edelhofs bestellt wurde, ein Dienst, der, wie die Dinge gegenwärtig in der Rheider Burg standen, eine vollkommene Sinekure darstellte.

      Claus Fettzünsler also hatte ein verräuchertes Gesicht mit einem Paar blinzelnder Schelmenaugen darin, eine kleine Gestalt mit einem respektierlichen Bäuchlein und von besondern Kennzeichen ein Bein, das durch irgend ein bedauerliches Ereignis um die volle Beweglichkeit der Muskulatur gekommen war ... mit andern Worten, er hinkte.

      In dem Augenblicke, in welchem wir die Kammer betreten, war der Hausverwalter damit beschäftigt, ein frugales Abendmahl – wenig aber gut, und das reichlich, wie er sich ausdrückte – für seine Gäste zu bereiten.

      Von diesen saßen zwei, nämlich Spielberend und der Deserteur Johannes, an einem runden Klapptisch, der oben im Gemache zwischen zwei Fenstern stand. Johannes war im obern Teile des Schlosses von dem jungen Mädchen, das ihm die Anweisung eines Zufluchtsortes versprochen, zu einem solchen geführt worden, zu einem Versteck, wie er es nicht besser wünschen konnte. Sie hatte sich dann entfernt, nachdem sie ihm die Tür zum Wohngemache des Verwalters gezeigt, wo er, wie sie ihm gesagt, mit Claus Fettzünslers vorauszusetzender Genehmigung sich aufhalten könne, solange nicht außergewöhnliche Ereignisse einträten, die ihn zur Vorsicht und zur Flucht in sein Asyl oben in dem weitläufigen Gebäude mahnten.

      Seitwärts unter dem Fenster, an einem mit Schusterwerkzeug bedeckten Tische, saß noch ein vierter Gast. Es war ein Mann von untersetzter Figur, einem breiten Gesicht mit auffallend großem Munde, der, wenn er lachte, sich bis an die Ohren zog, flacher Nase und Augen, die an pfiffiger Schelmhaftigkeit nichts denen nachgaben, die aus Claus Fettzünslers Antlitz leuchteten. Er saß in Hemdärmeln und war mit Nadel und Pechdraht beschäftigt, an einem Paar riesiger Schuhe die Havarien langen Gebrauchs zu beseitigen.

      Der Deserteur hatte dieser Gesellschaft eben seine Geschichte erzählen müssen. Er hatte es getan in einzelnen abgebrochenen Sätzen, mit einem gewissen mürrischen Humor.

      »Und nun wisset ihr alles, was euch zu wissen not tut,« schloß Johannes seinen Bericht.

      »Und das ist just nicht das größte Stück von Eurer Geschichte,« sagte der Schuster lachend. »Wir sind aber nicht neugierig, Herr Sergeant. Für unsereins ist es gut, wenn er nicht zu viel weiß. Seht nur den Spielberend an. Der weiß zu viel, der arme Teufel. Nicht so viel gerade, wie er den Leuten weismacht, aber doch mehr als ihm gut ist. Darüber ist er ganz vom Fleisch gefallen und sieht ordentlich hohlwangig aus.«

      »Nun, Lügenschuster,« versetzte der Spielmann, »ich habe mir sagen lassen, du seiest auch nicht immer dumm gewesen. Dazumal, als sie dich aus dem Kloster zu Altenberge fortjagten, da soll’s auch nur darum gewesen sein, weil du zu viel wußtest!«

      Der Lügenschuster, wie ihn Spielberend nannte, lachte wieder und diesmal hell auf, wie vor innerm Vergnügen.

      »Ja, ja,« sagte er augenzwinkernd, »wir wußten allerlei, ich, der bloß Küchenjunge war dazumal, und der Claus, der heilige Mann, der einen ehrwürdigen weißen Rock anhatte und in jeder Tasche desselben ein Stück von unserm lieben Herrgott. Wir hatten dazumal ein kleines Kompaniegeschäft, bei dem sich Klaus aber besser stand als ich. Er stahl die Weinflaschen aus dem Keller und machte andere Streiche, und hernach, wenn’s auskam, mußte ich die Ausreden erfinden.«

      »Also Ihr wart dazumal schon der Lügenlieferant, Matthis?« warf Spielberend dazwischen.

      »Jugend hat keine Tugend,« fiel lächelnd Claus Fettzünsler ein.

      »Nun, das Alter auch nicht immer,« sagte hier der Deserteur, »das werdet ihr wohl bei euern Klosterherren gemerkt haben!«

      »Ja, wir merkten so allerlei,« versetzte Fettzünsler kopfnickend.

      »Weißt du noch, Claus, wie wir die leeren Tonnen über den Hof rollen mußten?« fragte Matthis, der Schuster.

      Claus Fettzünslers Lächeln ging in ein stilles Kichern über.

      »Und was war mit den leeren Tonnen?« fragte Spielberend.

      »Nun, sie waren leer und’ es war doch etwas darin ...«

      »So erzähl’ einmal die Geschichte, Matthis, aber lüg’ nichts hinzu!«

      »Es war einmal ein Abt,« begann der Lügenschuster, »der war ein fröhlicher, lebenslustiger Herr, aber darum nicht minder immer in Span und Händeln mit den Herren vom Konvent, wie das nun einmal für ein rechtschaffenes Kloster ehemals so herkömmlich und gebräuchlich war, wenn es auch nicht immer so scharf herging wie dazumal unter dem Abt Johann von Schlebusch, der von den Mönchen wegen seiner Ueppigkeit abgesetzt und zum Nonnenbeichtvater am Kloster Liebesberg gemacht wurde, wo er sich nachmals durch treue Pflichterfüllung ausgezeichnet haben soll. Unser besagter hochwürdiger Herr Abt hatte nun eines Tags einen Besuch von einem Paar recht hübschen jungen Damen; was sie bei ihm wollten, das weiß ich nicht, wenn Fettzünsler es nicht etwa weiß, der hatte dazumal die Aufwartung im Abteihaus und stand sehr in Gnade bei dem Herrn und mag mehr darüber sagen können. Ich denke, es waren ein Paar reuige Sünderinnen, die gekommen, dem frommen Herrn ihre kleinen unschuldigen Uebeltaten zu beichten. Muß auch wohl so sein, daß sie sich dabei auch ein wenig schämten, und daß sie darum so still und behutsam bei Nacht und Nebel gekommen waren. Denn es wußte niemand, daß sie da waren, bis auf ein paar schlaue Herren im Konvent; die erfuhren es – weiß unser Herrgott, wie sie’s ausspioniert hatten. Nun wußte es aber auch bald der ganze Konvent und der Konvent fing alsbald an, den Abteibau mit spähenden Augen zu belagern Tag und Nacht. Sie wollten durchaus die Freude haben, die beiden jungen Damen mit ihren erleichterten Gewissen abziehen zu sehen. Se. Hochwürden, der Herr Abt, bekamen aber auch bald Wind von der Sache, und wer nun nicht erschien, um sich den schadenfrohen Herren Konventualen zu zeigen, das waren die schönen Sünderinnen. Das dauert eine Weile so, bis den zweiten Tag gegen die Abendzeit, wo es zu dämmern beginnt. Da öffnen sich sänftiglich die beiden Klappen über der Kellertreppe an der Abtei, und herauskommen der gute Fettzünsler und meine Wenigkeit, der fromme Matthis, und wir rollen ganz sacht und lässig jeder eine Tonne herauf und dann vor uns her über den Klosterhof, dem Tore zu.

      »Eine Weile geht das nun gut, und wir sind schon dicht an der Brücke, die vor dem Klostertore über den Bach führt. Siehe, da kommt der gottselige Mann, der Pater Kellner daher und fragt uns ganz demütiglich: Wohin wollt ihr denn mit den Tonnen, lieben Leute?

      »Ehrwürdiger, sag’ ich, wir sollen die Tonnen nach dem Vorbau bringen, wohin alsbald der Fuhrmann sie abzuholen kommen wird. Der Herr Abt hat es uns also befohlen

      .

      »So, sagt der Pater Kellner, sollen sie abgeholt und wieder gebraucht werden? Es ist recht, Matthis, aber sie werden leck geworden sein. Sie müssen erst ins Wasser, damit sie quellen, die trocknen alten Fässer; sonst werden sie lecken. Rollt sie mir einmal da in den Bach hinein, lieber Matthis.

      »Um Gottes willen, Ehrwürden, sagte nun Claus Fettzünsler erschrocken, in den Bach dürfen wir sie nicht werfen – dann, dann ...

      »Nun, was dann, guter Bruder Nikolaus?

      »Dann schwimmen sie weg, sag’ ich, da ich sehe, daß Fettzünsler СКАЧАТЬ