Название: Die Romantik
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388836
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»Er sprach wie aus einer tiefen Vergangenheit des Geistes heraus«, sagt Steffens von Novalis, wo er in den Lebenserinnerungen seiner gedenkt. In diese heimliche Innenwelt, wo er am liebsten weilte, konnten sie nicht mit. Sie liebten ihn, wie man den liebt, der aus einem fernen, geheimnißvollen Lande kommt, dessen Sprache einen seltsamen, nievernommenen Accent hat, der im Sprechen Bilder gebraucht, die einer Landschaft von unbekanntem, unerhörtem Reiz entnommen zu sein scheinen. Der liebste unter den Romantikern war ihm Tieck, der ihm an Klarheit des Geistes, Kraft und Ausdauer weit nachstand, seine zarte Empfindung aber auf's Innigste theilte. Sie lernten sich aber erst zwei Jahre später kennen.
Anfänglich mischte er sich nur aus Pflichtgefühl in die Gesellschaft der Uebrigen, riß er sich nur ungern von seinen Todesbetrachtungen los. Aber allmälig wirkte doch die Schwerkraft der Erde auf die leicht schreitende, zum Schwunge bereite Gestalt. Gerade weil das Unsichtbare mit dem Sichtbaren so enge, für uns unzertrennlich verbunden ist. Je tiefer man in die Erscheinungen eindringt, desto lieber werden sie. Wenn es auch die Wissenschaften waren, die ihn zunächst in ihren Kreis zogen, so war das doch auch mit Irdischem verknüpft. Gespräche darüber, besonders mit Friedrich Schlegel, brachten ihn in eine angeregtere Laune, als er für seine Lage möglich und schicklich gehalten hatte. Er glaubte deshalb sich geradezu vor dem Umgang mit diesem Freunde hüten zu müssen; denn Alles, was an Muthwillen, Scherz und elektrischem Feuer in ihm war, entlud sich, wenn er mit ihm in Berührung kam.
Mit einem leisen Bangen fühlte er sich unwiderstehlich vom Lebendigen angezogen. Dann versuchte er gewaltsam sich in Ueberirdisches zu versenken, an Sophiens Grabe sitzend sich ihr Wesen und Alles was sie ihm war recht greifbar und entzündend vor die flüchtige Seele zu führen. Und mit einem kindlichen Stolze, der rührend und doch zugleich erhaben ist, zeichnete er aus, wenn es ihm gelungen war, die Flügel wieder auszubreiten und mächtig in die jenseitige Ferne des Nachthimmels einzudringen. Man könnte den Verlauf dieses Ringens eine umgekehrte Tragödie nennen: mit Furcht und Mitleid, aber doch mit Wonne erfüllt es zu sehen, wie das Leben, von dem der Entsagende im ersten Akte Abschied genommen hat, durch seine einfache Kraft und Schönheit ihn wieder in seine Mutterarme lockt und im letzten Akte den schamhaft Glühenden, Besiegten wieder an sein ewiges Herz drückt. Der Sieg wurde dem Leben nicht leicht, und nicht ohne sichtbare Erschütterung ging die Umkehr in seinem Busen vor. Denn er machte die entsetzliche und räthselhafte Erfahrung an sich, daß das wahrste, reinste und hingebendste Gefühl, wenn der Anblick des geliebten Gegenstandes die Flamme nicht nährt, erlöschen kann, daß das treumeinendste Herz der Untreue fähig ist. Man spürt das Wanken seines Herzens an dem Nachdruck, mit dem er sich vorhält, wie er durch sein freiwilliges Streben oder Resignation des Lebens der Welt die Möglichkeit der Treue über den Tod hinaus beweisen müsse. In höchster Angst ruft er die Formel aus: Christus und Sophie! Es war ihm ein Glaubenssatz gewesen, daß sie die Hälfte seines Wesens war, daß er dereinst den Bund mit ihr erneuern müsse, die durch die Weisheit ewiger Gesetze ihm jetzt von der Seite gerissen war. Hatte er sich doch vorgenommen, wenn er in der »alten längst bekannten Urwelt« sie wiederfinden würde, ihr zu erzählen: »Ich träumte von dir, ich hätte dich auf der Erde geliebt – du glichst dir auch in der irdischen Gestalt – du starbst – und da währte es noch ein ängstliches Weilchen, da folgte ich dir nach.«
Aber es war ihm nicht möglich Schatten zu lieben. In Freiberg, wohin er sich nach dem Wunsche seines Vaters begab, um an der Bergakademie zu lernen, verlobte er sich mit Julie v. Charpentier, die, wie es scheint, ihm Liebe entgegenbrachte und dadurch die seinige weckte. Steffens schildert sie als hochgebildet, schön, weich, mit einem wehmüthigen Ausdruck.
Ob er sie, wie gesagt wird, weniger leidenschaftlich liebte als Sophie, ist wohl schwer zu entscheiden, aber unwahrscheinlich; denn es war nicht seine Art, im Fühlen oder Handeln halb zu sein. Das freilich ist nicht zu bezweifeln, daß die Erinnerung an seine Liebe, die stärker als der Tod hatte sein sollen und es nicht gewesen war, zuweilen beengend sich auf die Freude seines neubelebten Herzens legte. Er gab auch, trotz Allem, das Verhältniß zu Sophie keineswegs auf. Seine Liebe war ihm Religion geworden. Seine Treulosigkeit, da er sich doch treu wußte und fühlte, seine Doppelliebe wurde das Problem, mit dem sich seine Gedanken immer beschäftigten. Er löste es in seinem Roman »Heinrich von Ofterdingen« in der Weise, daß Sophie und Julie nur in der Welt der Erscheinungen zwei sind, einst aber, im Lande der Erfüllung, wo alles Geschiedene sich vereinigt, als eine und dieselbe sich offenbaren. Er hätte an sich selbst verzweifeln müssen, wenn er sein früheres Gefühl, das so stark und echt in ihm gewesen war, aufgegeben hätte; deshalb suchte er es sich zu bewahren und mit dem neuen mystisch zu vereinigen. Jedenfalls sah er hoffend und liebend in die Zukunft und faßte sein Verhältniß grade so metaphysisch auf wie ehemals das mit Sophie, wie aus den Strophen an Julie zu sehen ist:
»Daß ich mit namenloser Freude
Gefährte deines Lebens bin
Und mich mit tiefgerührtem Sinn
Am Wunder deiner Bildung weide –
Daß wir auf's Innigste vermählt
Und ich der Deine, du die Meine,
Daß ich vor Allem nur die Eine
Und diese Eine mich gewählt,
Das danken wir dem süßen Wesen,
Das sich uns liebevoll erlesen.«
Damals, als Novalis die Arme nach dem Tode ausstreckte, umfing ihn das Leben; nun er den höchsten Kranz des Lebens dicht über seinen Locken wähnte, stand der Tod neben seinem Bette. Er fürchtete ihn jetzt. Er hatte Stimmungen gehabt, in deren einer er den schwermüthigen Ausspruch gethan hatte: »Leben ist eine Krankheit, ein leidenschaftliches Thun.« Aber es stammt doch auch der prächtige Vers von ihm:
»Ruh' ist Göttern nur gegeben,
Ihnen ziemt der Ueberfluß,
Aber uns ist Handeln Leben,
Macht zu üben nur Genuß.«
Im Ganzen gehörte die Anhänglichkeit an das Leben mit zu seiner Frömmigkeit, da doch das Leben die einzige uns bekannte Form ist, in der wir uns entwickeln können. Und er war doch Künstler: Er lebte so gern im Lande der Sinne, wie er nach dem Bericht des Kreisamtmanns Just selbst sagte, wenn auch nicht in dem der Sinnlichkeit. Indessen zweifelte er doch nicht daran, daß, wie und wo immer es auch sein möge, jeder Mensch auch nach seinem körperlichen Tode dem Ziele seiner Vollkommenheit weiter nachstreben dürfe. Er glaubte, daß nichts geschehe, was nicht zu seinem Besten sei. Also wandte er, ein Sterbender, seine weichende Kraft dazu aus, gelassen und heiter zu sein und sich zu fügen. Er litt viel unter körperlichen Beängstigungen, und rührend ist es in seinem Tagebuch zu lesen, wie er dieser Angst beizukommen, ihr Wesen zu ergründen und mit Einsicht und gutem Willen zu überwinden sucht. Daß man bis zum Aeußersten seine Pflicht zu thun habe, war ihm selbstverständlich; man könnte sagen, ein angeborenes Schicklichkeitsgefühl habe ihn verhindert, sich gehen zu lassen. Ueber das Verhältniß von Glück und Pflicht hat er einmal etwas Schönes gesagt; nämlich der sogenannte Eudämonismus sei ein eigentlicher Unsinn: »In der That ist es keinem nachdenkenden Menschen in den Sinn gekommen, ein so flüchtiges Wesen wie Glückseligkeit zum höchsten Zweck, gleichsam also zum ersten Träger des geistigen Universums zu machen. Ebenso könnte man sagen, daß die Weltkörper auf Aether und Licht ruhten. Wo ein fester Punkt ist, da sammelt sich Aether und Licht von selbst und beginnt seinen himmlischen Reigen; wo Pflicht und Tugend – Analoga jener festen Punkte – sind, da wird jenes flüchtige Wesen von selbst ein- und ausströmen und jene kalten Regionen mit belebender Atmosphäre СКАЧАТЬ