Die Romantik. Ricarda Huch
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Название: Die Romantik

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388836

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СКАЧАТЬ und ihr im Leben zuwider gehandelt hätte. Seine Philosophie war wie seine Poesie sein Leben: erlernt im Leben und darin angewandt.

      Sein größtes Erlebniß war der Verlauf seiner Liebe zu Sophie v. Khün. »Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses;« das hatte Novalis an sich selbst erfahren. Er hatte dieses dreizehnjährige Mädchen zum Mittelpunkt seiner Welt gemacht, mit Bewußtsein und Absicht. Auf Alles, was die Erde Menschen bieten kann, hätte er mit herzlichem, ja muthwilligem Lächeln Verzicht gethan: diese war ihm nothwendig, der Mittler für die Gottheit, die er sonst nicht fassen, ohne die er nicht sein konnte. Es sind viele Nachrichten überliefert von der Frühreife und dem Zauber Sophien's, den sie ausgeübt habe; Novalis selbst hat ihre wechselnde Backfischseele, auf die er so stolz war, sorgfältig zerlegt und geschildert. Was hilft uns das, da nichts von Allem, nicht auch von hundert anderen Mädchen gesagt werden könnte? Möchte sie auch so oder so gewesen sein, wichtig ist nur, was sie ihm war, und das ist weit mehr in ihm als in ihr zu finden. Als sie krank wurde, ist es erstaunlich zu sehen, wie er ganz menschliche Verzweiflung und zugleich ganz Besonnenheit war; er war immer ebenso tief darin wie hoch darüber. Nicht nur daß sein Vertrauen in den melodischen Gang der Welt und instinktive Lebenszuversicht ihn davon zurückhielten, die Verwirklichung eines solchen Todesschmerzes, wie ihr Sterben ihm gewesen wäre, für möglich zu halten, er glaubte alles Ernstes durch die Kraft seines Willens, diese magische Kraft, die Welten aufbauen und vernichten, die Berge versetzen kann, es verhindern zu können. Er bedachte nicht, daß es ihr – unbewußter – Wille war, der sich dem Tode zuneigte. So erging die Prüfung über ihn, von der er nicht für möglich gehalten hatte, daß sie ihm zugemuthet würde: Sophie starb.

      Bedenkt man, daß sie das Gestirn gewesen war, um das seine Welt sich bewegt hatte, muß man darauf gefaßt sein, daß eine so zarte, auch zu frühem Tode vorbestimmte Natur in sich zusammengebrochen wäre. »Es ist Abend um mich geworden«, schrieb er drei Tage nach ihrem Tode, »während ich noch in das Morgenroth hineinsah.« Daß sein Leben mit ihrem Leben erloschen sei, stand ihm fest. Es lag aber eine solche Anmuth in seiner Natur, die durch und durch erfüllt war von dem schwebenden Element seines Geistes, daß er sich nie bis zur Bewußtlosigkeit unter dem Schicksal krümmte. Selbst wo er sich in's Herz und zu Tode getroffen fühlte, blieb sein Haupt frei und immer seiner mächtig. »Einsam wie noch kein Einsamer war, von unsäglicher Angst getrieben, trostlos, nur ein Gedanke des Elends noch« gab er doch seinen Freunden niemals das Bild der Verzweiflung und Zerrüttung, sondern seine keusch erhaltene Klage ging sogleich über in ruhige Betrachtung der Bedeutung seines Schicksals. Denn in seinem wahrhaft frommen Gemüthe war der Glaube an eine himmlische Ordnung in jedem Leben nicht dauernd erschüttert. Am 19. März 1797 war Sophie gestorben, am 28. schrieb er an die Frau des Kreishauptmanns Just: »Gewiß hab ich zu sehr schwer an diesem Leben gehangen – und da ist freilich wohl ein gewaltsames Correctif nöthig« und noch einige Wochen später war es ihm klar geworden, daß ihr Tod ein himmlischer Zufall gewesen sei, ein wunderbar schicklicher Schritt. »Meine Liebe ist zur Flamme geworden«, schrieb er, »die alles Irdische nachgerade verzehrt.« Und weiter: »Meine Kräfte haben mehr zu als abgenommen – ich fühle es jetzt oft, wie schicklich es hat so kommen müssen. Zufrieden bin ich ganz – die Kraft, die über den Tod erhebt, habe ich ganz neu gewonnen. Einheit und Gestalt hat mein Wesen angenommen – es keimt schon ein künftiges Dasein in mir.« Sein die Consequenz über alles liebender Geist schöpfte Beruhigung daraus, daß er Folgerichtigkeit und Vernunft in seinem Schicksal erkannt zu haben glaubte, daß er es sich erklären konnte. Nach seiner Auffassung bezweckte ihr Verlust seine Läuterung und Loslösung vom Leben.

      Man hat es für eine kindische Schwärmerei angesehen, die man nachsichtig entschuldigen müsse, daß er mit dem Tage ihres Todes eine besondere Zeitrechnung einführte und den Entschluß faßte, ihr nachzusterben. Das ist kurzsichtig oder oberflächlich geurtheilt. Kann man sich etwas Erhabeneres denken, als wenn ein Mensch seinem Geiste die Kraft zutraut, sich allmählich, aus freier Willkür, aus Sehnsucht nach dem Ueberirdischen vom jungen, genußfähigen Körper, von der geliebten Erde loszulösen? So innig erlebte er den Idealismus an sich, daß er sein Ich, das unsterbliche, zu dieser höchsten Freiheit und Unsterblichkeit zu erziehen sich getraute. Wie unendlich viel kühner, stolzer und menschlicher war dieser Plan als die rohe Abtödtung des Fleisches, durch welche mittelalterliche Heilige die Erde zu überwinden suchten. Weit entfernt war er ja die schöne Welt, aus der er sich ein so unerschöpfliches Glück gewünscht hatte, zu hassen. »Die Erde hatte ich so lieb«, schrieb er wenige Tage nach Sophiens Tode an eine Freundin, »ich freute mich auf die lieben Scenen, die mir bevorstanden.« Er liebte die Sonne, aber da die Nacht unvermeidlich dem Tage sich anschließt und Tod der Ausklang alles Lebens ist, entschloß er sich mit einem stolzen Aufschwung seiner Seele die Nacht und den Tod grenzenlos zu lieben, ähnlich wie er den gordischen Knoten des Welträthsels dem Bilde zu Sais gegenüber löst. »Und wenn kein Sterblicher, nach jener Inschrift dort, den Schleier hebt, so müssen wir Unsterbliche zu werden suchen.« Unwürdig wäre es den Tod zu fliehen, unmöglich ihn zu verachten – außer wenn man mit heißester Anstrengung ihn an Leben anknüpfte, in Leben verwandelte. Als zum Ueberwinder des Todes betete Novalis fortan mit neuem Verständniß zu Christus; als die wesentlich todüberwindende Religion wurde ihm das Christenthum, in dem er erzogen war, eine neue Errungenschaft Was die Philosophie ihm sagte, daß das Ich unvergänglich sei, wie auch der Augenschein dagegen zeuge, das gab ihm nun der blinde, schreiende Schmerz um ein geliebtes Wesen als gedankenlose Ueberzeugung ein, daß sie nicht todt sein dürfe, nicht todt sein könne, diese junge Seele, deren Vollendung zu fördern die höchste Krone seiner Liebe gewesen war. Das Engagement war nicht für diese Welt gewesen, wie er sagte; nicht in dieser Form, nicht auf dieser Stätte hatte sie reifen sollen, und auch ihm, so glaubte er fest, sei es nicht beschieden. Seine Seele strebte mit müdem, sehnendem Flügelschlage nach der heiligen Küste, wo sie bei der Verlorenen ruhen könnte. Damals mag in ihm jenes wunderbare Lied entstanden sein mit den Versen:

      Noch wenig Zeiten,

      So bin ich los,

       Und liege trunken

       Der Lieb' im Schoß.

       Ich fühle des Todes

       Verjüngende Fluth,

       Zu Balsam und Aether

       Verwandelt mein Blut.

       Ich lebe bei Tage

       Voll Glauben und Muth,

       Und sterbe die Nächte

       In heiliger Gluth.

      Höchst charakteristisch ist es nun, wie er seine innerliche und natürliche Ablösung vom Leben zu bewerkstelligen dachte, nämlich nicht etwa so, daß er sich völlig von den Menschen und ihren Vergnügungen zurückgehalten hätte. Ohne sie gerade aufzusuchen, vermied er doch seine Familie und seine Freunde nicht, zeigte sich immer heiter und mitgenießend, so aber wie etwa ein an fremde Küsten verschlagener Fremdling die Sitten des Landes aus edler Gefälligkeit mitmacht, dessen Seele doch immer und immer in der geliebten Heimath verweilt. An Freunden, die ihm seine Trauer gerne leichter gemacht hätten, fehlte es ihm nicht.

      Ein sonderbares Verhältniß bestand zwischen ihm und Friedrich Schlegel, einem seiner ältesten Freunde. Fast mit keinem andern war der geistige Verkehr so anregend und fruchtbar, mit keinem konnte er besser symphilosophiren. Ihre beiden Intellekte liebten es zusammen spazieren zu gehen und ihre Erlebnisse auszutauschen. Aber Friedrich, so fein, mächtig, umfassend er auch dachte, dachte nicht herzlich wie Novalis. Und Novalis' schlanke, geschmeidige, keusche Natur scheute manchmal vor Friedrich's schwerfälliger Ueppigkeit zurück. Es war wie wenn ein Erdgeist und ein Luftgeist miteinander verkehrten. Friedrich spürte den reinen, starken, beseelenden Hauch, der von Novalis ausging, und liebte ihn mit einer ganz kleinen und sehr rührenden Beimischung von Demuth; Novalis mochte wohl seine leichte Gestalt gern einmal an die untersetztere, irdischbreite des Freundes schmiegen. Jedenfalls vergaß er gewiß nicht, was er als 21jähriger an Friedrich geschrieben hatte: »Für mich bist du der СКАЧАТЬ