Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ entstanden, das, ursprünglich für gewisse, meist fiskalische Zwecke zusammenberufen, allmählich das Hofgericht verdrängte. So kam es, daß das neu zu gründende Reichsgericht nicht Hofgericht, sondern Kammergericht genannt wurde. Begreiflicherweise sah der Kaiser die Abtrennung des höchsten Gerichtes von seiner Person nicht gern; gab ihm doch das Amt des höchsten Richters seinen wesentlichen Charakter und die Möglichkeit, seinen Einfluß geltend zu machen. Günstig für den Kaiser wäre dagegen die Reichssteuer, der Gemeine Pfennig, gewesen, die jeden Reichsangehörigen treffen sollte; denn dadurch wäre die Masse des Volkes wieder in eine unmittelbare Beziehung zum Kaiser getreten. Aus eben diesem Grunde verletzte diese Steuer das Interesse der Fürsten und anderer Stände, die das Recht zu finanzieller Ausnützung ihrer Untertanen mit keinem anderen teilen wollten; ärgerlich genug waren ihnen die jeweiligen Beutezüge der Kirche. Überhaupt wurde das Recht, keinem Steuerzwang zu unterliegen, von allen, mit Ausnahme der Hörigen, die aber auch gegen willkürliche Erhöhung der Abgaben protestierten, in Anspruch genommen und ängstlich festgehalten. Steuerpflicht wurde als Abzeichen der Hörigkeit betrachtet und gerade in dieser Hinsicht die Lage der Franzosen, über deren Vermögen der König weitgehend verfügen konnte, als bestialische Servitut bezeichnet. Wie die Stände der Prälaten, Ritter und Städte dem Landesherrn gegenüber das Recht der Steuerbewilligung als Grundlage der Freiheit hüteten, so die Reichsstände gegenüber dem Kaiser, nur daß die Landstände viel mehr Verständnis und guten Willen für die Erfordernisse des Landes aufbrachten als die Reichsstände für die des Reiches. Man sollte meinen, es habe sich jeder beeifert, das Seine zu tun, damit der andauernden Verwüstung des Landes durch Kriege und Fehden ein Ende gemacht würde, und tatsächlich waren alle von der Notwendigkeit der Reform überzeugt; sobald sie aber in Angriff genommen werden sollte, zeigte sich Widerstand auf allen Seiten. »Traue dem Landfrieden nicht«, ist eine noch heute gebrauchte Redewendung, die im Mittelalter dem berechtigten Mißtrauen der Städte gegen eine scheinbar so wohltätige Einrichtung Ausdruck gab. Daß an der Spitze der zur Durchführung des Landfriedens gebildeten militärischen Organisation ein Fürst stand, machte diese in den Augen der Städte zu einer verdächtigen Interessenvertretung. Ein oder der andere Kaiser dachte daran, sich selbst zum Landfriedenshauptmann zu machen, vermochte es aber nicht durchzusetzen. Hätten nun wenigstens die Fürsten die Sache stramm gehandhabt! Aber nur selten wurde einmal ein Raubnest zerstört, ein Friedensbruch bestraft. Im allgemeinen waren zu viel Berechnungen und Rücksichten im Spiele, als daß sie aus der in Reichsangelegenheiten grundsätzlichen Langsamkeit herausgetreten wären. Sahen es doch manche Fürsten nicht ungern, wenn die Ritter den Städten Ungelegenheiten machten, hetzten sie wohl gar heimlich auf.

      Indessen selbst dann, wenn es sich um eine Stärkung der kaiserlichen Zentralgewalt handelte, wenn Siegmund und später Maximilian daran dachten, sich im Gegensatz zu den Fürsten auf die Städte und Ritter zu stützen, verhielten sich beide Stände ablehnend. Die Städte hatten ihre Macht und Unabhängigkeit auf den im Laufe der Jahrhunderte von den Kaisern erlangten Freiheiten und Privilegien aufgebaut, ihre Politik hatte immer darin bestanden, diese kostbaren Pergamente sich bestätigen zu lassen und durch neue zu vermehren. Dieselbe Politik des Beharrens auf erworbenen Rechten betrieb die Ritterschaft. Jede Stärkung der Zentralgewalt aber, mochte sie auch den Ständen wohlwollend geneigt sein und ihr Bestes im Auge haben, bedrohte doch zunächst ihre Selbständigkeit. Die von den Städten mit manchem Opfer erkaufte Unabhängigkeit hing bis zu einem gewissen Grade mit der Anarchie zusammen, deren Ausschreitungen bekämpft werden sollten. Konnte ihnen der Kaiser versprechen, daß bei einer Neuregelung ihre Stellung verbessert, wenigstens nicht verschlechtert würde? Ja, wenn er den Fürsten einen Bund der Städte, Ritter und Bauern hätte entgegenstellen können! Aber die Feindschaft zwischen Rittern und Städten und die Verachtung der Bauern war so eingefleischt, so mit allen Anschauungen und geschichtlichen Erinnerungen zusammenhängend, daß der genialste Mann sie nicht hätte überwinden können und daß, wäre ein solcher Bund zustande gekommen, das Ziel nicht ohne furchtbare Bürgerkriege hätte erreicht werden können.

      Am ersten konnten die Fürsten bei der Reformation zu gewinnen hoffen, wenn nämlich sie bei der Besetzung der zu schaffenden Reichsinstitutionen den Hauptanteil bekamen, und so brachten sie denn auch im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrere, meist von Martin Mayr erdachte, Reformpläne vor. Allein die Gegensätze zwischen den Fürsten waren zu groß, ihre Absicht, die eigene Macht zu vermehren, zu offenkundig, als daß sie Anklang hätten finden können. Die verfeindeten Häuser Brandenburg und Wittelsbach dachten die Reform als Kampfmittel gegeneinander zu gebrauchen, und alle Fürsten hofften, durch sie die in ihren Territorien gelegenen Städte und Ritterschaften sich unterwerfen zu können. Man gewöhnte sich daran, auf den Tod des Kaisers als auf den Zeitpunkt zu blicken, wo die schwierigste Hemmung wegfallen würde, um so mehr als sein Sohn Maximilian freudig sich der großen Angelegenheit widmen zu wollen versprach.

      Im Jahre 1459 war dem ungleichen Paare, Friedrich von Österreich und Leonor von Portugal, der erste und einzige Sohn, Maximilian, geboren, der mit ebensoviel Ungestüm seiner Stunde zu großen Taten entgegensah, wie das Volk mit Ungeduld und Vertrauen seinen Regierungsantritt erwartete. Denn der Jugendliche war ganz und gar das Gegenteil seines Vaters, begierig, das noch schwankende Ostreich in feste Hand zu fassen, aber auch Vater und Mehrer des Heiligen Römischen Reichs zu werden.

      Außer dem ersten königlichen Habsburger, Rudolf, ist Maximilian der erste Kaiser, von dessen äußerer Erscheinung wir uns ein überzeugendes Bild machen können; vielleicht ist es auch das, was ihn uns so besonders nahebringt. Wir sehen ihn so, wie ihn Dürers Meisterhand kurz vor seinem Tode gezeichnet hat. Das Bild zeigt Maximilian alt, ganz ausgereift, aber ohne ein Zeichen der Auflösung. Die Züge sind scharf ausgeprägt, mit keinem anderen Gesicht vergleichbar, sehr vornehm, sehr hoheitsvoll und doch voll Güte. Maximilian wurde nicht verkannt, wenn er, wie er gern tat, in einem schäbigen alten Wams einherging; sein Gesicht verkündigte seine Würde. In den Falten um Augen und Mund liegt ein ganz leises Lächeln, die Spur eines Humors, der die Parade des Lebens mit leichtem Zweifel betrachtet, nicht wie ein religiöser Mensch, dem sie Schein ist, sondern wie einer, der weiß, daß er eine Rolle in einem Drama zu spielen hat. Den Hermelin, der ihm zugeteilt ist, trägt er mit Anstand und möchte ihn nicht lassen; aber es ist ihm bewußt, daß er dem Theater gehört, ihn zwar verpflichtet, die seiner Rolle angemessenen Taten zu tun, sein eigentliches Wesen jedoch nichts angeht. Diese Eigenart, die Dinge nicht bis zum äußersten ernst zu nehmen, gab ihm Überlegenheit, aber auch etwas Dilettantisches und war insofern Ursache einer Schwäche. So wenig geblendet er durch die Requisiten des Lebens war, so verwandt fühlte er sich dem Leben selbst: er interessierte sich für alles, traute sich alles zu, ergriff alles und riß durch sein warmes Eingehen alle mit. Es kam ihm mehr darauf an, möglichst viel Leben an sich zu reißen, als in einer Sache Meister zu sein; war er doch Kaiser. Bei aller Umgänglichkeit, Leutseligkeit und Skepsis war er doch erfüllt von seiner Größe. Seiner freien Art lag nichts ferner als Pose, als sich auszustaffieren mit erklügelten Gebärden; aber in den Pausen seines atemlosen Lebens war er beschäftigt, Denkmäler seines Ruhmes aufzutürmen, die zugleich die seines Hauses und des Reiches waren.

      Maximilian war 34 Jahre alt, als sein Vater starb. Schon zwei Jahre später fand der denkwürdige Reichstag von Worms statt, von dem man nach dem Urteil Mösers den Beginn eines neuen Zeitalters für Deutschland datieren sollte. Er nennt den das ganze Reich umfassenden Ewigen Landfrieden, der hier verkündigt wurde, eine große und glückliche Konföderation, durch welche das dem Auseinanderfallen nahe Reich noch einmal zu einem lebens- und handelsfähigen Organismus zusammengefaßt sei. Die Fehde wurde nicht für einen beschränkten Zeitraum, sondern für immer aufgehoben, sie hörte auf, ein unter gewissen Umständen zulässiges Rechtsmittel zu sein. Sicherlich mußte es außerordentliche Folgen sowohl für das öffentliche Leben wie auch für die einzelne Person haben, daß nun in allen Streitfällen der Prozeß an die Stelle der Waffen trat. Da gleichzeitig das Söldnerheer mehr oder weniger allgemein die ständigen Heere ersetzte, entwöhnten sich allmählich alle Schichten des Volkes der Waffen, das Volk wurde friedlich, Roheit und Gewalttätigkeit beschränkten sich auf die Söldner und Landsknechte, auf den Auswurf der Gesellschaft. Menschen, die sich im 15. Jahrhundert noch als ritterliche Unholde, als verwilderte Helden gebärden konnten, wurden schlechtweg als Verbrecher angesehen. Freilich liefen die Unbewaffneten Gefahr, СКАЧАТЬ