Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ dem kaiserlichen nicht vorgesehen waren, so bedeutete das eine Umwälzung von unermeßlichen Folgen. Zwecks leichterer Verwaltung sollte das Reich in Kreise eingeteilt werden und in jedem Kreise ein Reichsgericht das Recht sprechen. Einen gesicherten Rechtszustand zu schaffen, sah er für das wichtigste Erfordernis an. Die Fehde sollte für ewige Zeit abgeschafft werden. Was die Masse des Volkes betrifft, ging Cusa davon aus, daß ihr sklavische Gesinnung angeboren sei, so daß sie sich willig von den Weiseren leiten ließe und durch sie vertreten werden könnte. Bei der Zusammensetzung der Reichstage und Reichsgerichte war dem bürgerlichen Element mehr Einfluß zugedacht als dem fürstlichen. Man spürt in dem ganzen Entwurf den bürgerfreundlichen, großartig zugreifenden Geist des Zeitalters des Kaisers Siegmund, auch darin ihm zugehörig, daß seine Ideen sich nicht verwirklichten.

      Der frühe Tod des tatkräftigen Albrecht II., des Schwiegersohns und Nachfolgers Kaiser Siegmunds, entzog der Reformbewegung den Ansporn, den die kaiserliche Teilnahme ihr bis dahin gegeben hatte. Ein seltsames Verhängnis fügte es, daß Friedrich III., der durch Nichtwollen und Nichttun die Nation lähmte und sich selbst erhielt, über 50 Jahre regierte. Versenkt man sich in die wunderliche Existenz dieses Habsburgers, so kommt einem wohl das Bild der Riesenschildkröte in den Sinn, die man zuweilen in Aquarien sieht. Ein gigantischer Klotz von phantastisch urweltlichem Umriß hängt im Wasser. Lebt dies Geschöpf oder ist es in Jahrtausenden versteinert? Wie lange man es auch beobachtet, es bewegt sich nicht; aber plötzlich sieht man, daß der Felsen Augen hat, aus denen es böse herausblitzt, ein unzugänglicher, tückischer, lauernder Wille. Weder durch gütliche Vorstellung noch durch Drohung war Friedrich III. nach irgendeiner Richtung hin zu bewegen. Seine Politik hat sich in einem späteren Jahrhundert in der Regierung eines gleichfalls langlebigen Habsburgers und seines langlebigen Kanzlers wiederholt, die nämlich, nichts am Bestehenden zu ändern, weil in einem morschen Gebäude die Verrückung eines einzigen Steins zum Zusammenbruch des Ganzen führen könne. Nachdem Friedrich sich entschlossen hatte, dem Papst die Obedienz zu leisten, bevor die ersehnte Reform verbürgt war, verbanden sich die beiden mittelalterlichen Häupter zum Widerstand gegen jede Neuerung. Obwohl auch jetzt noch, wie im Mittelalter, der Papst den kaiserlichen Einfluß in Italien bekämpfte, der Kaiser zuweilen rücksichtslos diesen Einfluß durchsetzte, so wurde doch mehr und mehr der Erzherzog von Österreich und römische Kaiser des Papsttums wichtigste Stütze. Die beiden universalen Mächte blieben in einer Zeit, wo die selbständig gewordenen Nationen das alte Weltgebäude zerbrachen, aufeinander angewiesen. Eine Reichsreform im Sinne des Cusa hätte dem Kaiser erwünscht sein müssen; allein sie zu erzwingen, hätte es mehr Interesses für das Reich und mehr Lust, sich dafür einzusetzen, bedurft, die der ganz der Sorge für seine Erblande hingegebene Friedrich nicht hatte. Denn dies geheimnisvolle Urtier, das am liebsten still vor sich hin Rosen züchtete und Edelsteine sammelte, war nicht ohne Empfindung, er hatte sogar Leidenschaft für sein Land Österreich und im Zusammenhang damit für seinen Sohn und Erben. Wenn er ihm auch mißtrauisch keinen Einblick in die Regierung gestattete, so war der Sohn ihm doch teuer als der künftige Herr des Weltreichs Österreich. Austriae Est Imperare Orbi Universo. Alles Erdreich Ist Österreich Untertan. Das Ostreich, zu dem König Rudolf im 13. Jahrhundert den Grund gelegt hatte, das Rudolf der Stifter weitergeträumt hatte, wogte als große Vision vor der dunklen Seele Friedrichs III. Gespeist mit seinen ausschweifenden Vorstellungen, schwoll es in der unterirdischen Höhle zu ungeheurem Ausmaß an. Das Ostreich, bestehend aus Polen, Ungarn, Böhmen und Österreich, war da; aber gerade zur Zeit Friedrichs III. eroberten es tatkräftige Emporkömmlinge, erst Georg Podiebrad von Böhmen, dann Mathias Corvinus von Ungarn. Die Führung des Bollwerks, das Europa vor den Türken schützen mußte, schien dem Hause Habsburg zu entgleiten. Wien selbst, Österreichs schöne Hauptstadt, fiel dem König von Ungarn zur Beute, Friedrich III. schlug sich kläglich als Gast seiner guten Städte durchs Reich. Das machte ihn nicht irre im Glauben an die Bestimmung seiner Dynastie. Und wie er erlebte, daß Mathias Corvinus seinen einstigen Beschützer, Georg Podiebrad von Böhmen, entthronte, so erlebte er auch den Tod dieses kriegsgewaltigen Usurpators. Ja es gelang ihm, als sein Nebenbuhler im Westen, Herzog Karl von Burgund, die Reichsstadt Neuß belagerte, ein Reichsheer zum Entsatz zu führen, zu dem selbst aus dem Norden, aus Lübeck, stattliche Abteilungen heranrückten. Auch dieser erstaunliche Aufschwung jedoch gehört in den Kreis seiner österreichischen Berechnungen. Es genügte ihm, die Reichshilfe im einzelnen Fall erwirkt zu haben. Grundsätzliche Beschlüsse zur Ordnung des Reichs hat er nicht erstrebt und nicht erreicht; denn die Reformation, die seinen Namen trägt, die ein Reichstag des Jahres 1442 zum Gesetz erhob, ließ außer einigen Bestimmungen, an die sich noch dazu niemand kehrte, alles beim alten.

      Indessen, obwohl vom Kaiser aufgegeben, ruhte die Idee der Reichsreform keineswegs. Ihr Vertreter war der Heidelberger Martin Mayr, wie Cusa aus dem Bürgerstande hervorgegangen. Da er für sich allein nichts hätte erreichen können, trat er nacheinander in den Dienst verschiedener Fürsten, die geneigt waren, sich für die Reformation einzusetzen, einmal auch in den Dienst Podiebrads, als der sich mit der Absicht trug, römischer König und Nachfolger Friedrichs zu werden. Die Pläne zur Reichsreform, die man allmählich von der Kirchenreform abtrennte, waren sich in den wesentlichen Punkten gleich, wie die Übel, die sie abschaffen sollte, die gleichen blieben. Die Verwüstung des Reiches war die Folge der Fehden, deren Zahl und deren brutaler Charakter im Laufe des 15. Jahrhunderts in erschreckendem Maße zunahm; die Abstellung der Fehden war also das nächstliegende Bedürfnis. Im Beginn des 15. Jahrhunderts hatten die Fehden ein solches Ausmaß mit so heillosen Folgen erreicht, daß man ernstlich an ihre Beschränkung dachte; aber man verfiel auf ein höchst ungeeignetes Mittel. Im Jahre 1442 wurde ein Gesetz erlassen, das nur diejenigen Fehden für erlaubt erklärte, die dem Befehdeten drei Tage vor Beginn angesagt wären. Durch Beobachtung einer leicht durchzuführenden Förmlichkeit glaubten nun die Ritter in Ehren ihre Mitstände überfallen und schuldlose Menschen ausplündern, einkerkern und mißhandeln zu können. Man sah ein, daß dem Fehdewesen auf andere Weise entgegengetreten werden müsse. Ursprünglich war das Recht der Fehde ein Recht der Selbsthilfe, wenn die Gerichte versagten. Es folgt daraus, daß für schnelles und gerechtes Gericht gesorgt werden mußte, damit die Friedebrecher sich nicht mit dem Vorwand entschuldigen konnten, es sei ihnen kein Recht geworden. Wiederum konnte das Gericht nur wirksam werden, wenn hinter seinen Beschlüssen eine Vollziehungsgewalt stand, die dem Verbrecher mit der Waffe entgegentreten konnte. Beide, Gericht und Heer, mußten natürlich regelmäßig besoldet werden, ein Kostenaufwand, der nur durch eine allgemeine Steuer gedeckt werden konnte. Verbot der Fehde, Reichsgericht, Reichsheer, Reichssteuer, das waren die immer wiederkehrenden Forderungen der Reichsreform; zweifelhaft blieb aber und gekämpft wurde darum, ob diese Institutionen mehr vom Kaiser oder vom Reich, das heißt von den Ständen, abhängen, wessen Macht sie verstärken sollten.

      Das höchste Gericht, das Hofgericht, war an die Person des Kaisers gebunden, der den Vorsitz führte oder den Vorsitzenden ernannte. Es ist einleuchtend, daß, da die Kaiser keine ständige Residenz hatten und vollends seit Friedrich III. sich fast ständig in Österreich aufhielten, das für viele Deutsche schwer erreichbar war, das Hofgericht den Anforderungen einer pünktlichen Justiz nicht genügte. Unter Maximilian kamen die wunderlichsten Dinge vor. Der Bischof von Worms, Johann von Dalberg, in humanistischen Kreisen hochgeehrt als guter Lateiner, Dichter, Kenner des Altertums und Büchersammler, lebte in Streit mit seiner Stadt Worms, die er seiner Herrschaft unterwerfen wollte und der er durch brutales Geltendmachen seines militärischen Übergewichts einen Huldigungseid abzwang, zu dem sie als freie Stadt ihrer Meinung nach nicht verpflichtet war. Beide wandten sich an den Kaiser als an den höchsten Richter. Maximilian hielt es, wenn immer möglich, mit den Reichsstädten, die seine Interessen vertraten und ihm zahlten, wollte es aber auch mit dem berühmten Dalberg nicht verderben; er half sich damit, daß er erst der Stadt und dann dem Bischof recht gab, so daß die von beiden Seiten an ihn abgeschickten Gesandtschaften befriedigt heimkehrten, um sich bald darauf in erneuter Ungewißheit zu finden. Auf diese Weise fertigte er die ihm geduldig Nachreisenden viermal hintereinander ab; dann beraumte er eine Tagung an, auf welcher er zwischen den Streitenden zu vermitteln versprach, verschob aber jeweils den Termin, weil irgend etwas dazwischenkam. Mit so naiven Listen brachte er es dahin, daß, als der Bischof starb, die Rechtsfrage noch nicht entschieden und durch eine neue Konstellation zunächst aus der Welt geschafft war. Es ist begreiflich, daß der Vorschlag gemacht wurde, das Hofgericht СКАЧАТЬ