Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ anderen eigen war. In der Kabbala, der Geheimlehre der Juden, glaubte Reuchlin Offenbarungen über die in Zahl und Zeichen verborgene göttliche Schöpferkraft zu finden; besonders die Namen des Unnennbaren sollten Zauberworte sein. An den Schluß der hebräischen Grammatik, die er verfaßt hat, setzte er den Vers des Horaz: Exegi monumentum aere perennius; so sehr war er sich bewußt, etwas Großes und Dauerndes geleistet zu haben. Gerade die Kenntnis des Hebräischen nun war es, die ihn in einen verhängnisvollen Kampf verwickelte.

      An einem Herbsttage des Jahres 1509 besuchte Reuchlin ein getaufter Jude namens Pfefferkorn und brachte ein merkwürdiges Ansinnen vor. Er habe, sagte er, von Kaiser Maximilian, während derselbe im Kriege gegen Venedig vor Padua lag, die Vollmacht erhalten, mit Zuziehung des Pfarrers und zweier obrigkeitlicher Personen jedes Ortes alle Bücher der Juden einzuziehen und zu vernichten, die etwas dem christlichen Glauben Abträgliches enthielten. Reuchlin, als in der hebräischen Literatur bewandert, möge ihn begleiten und sich an der Arbeit beteiligen. Mit der Begründung, daß er keine Zeit habe, lehnte Reuchlin ab und machte außerdem den unwillkommenen Mann auf gewisse Formfehler des Mandats aufmerksam, die der Ausführung des Auftrages hinderlich wären. Damit glaubte er die Sache abgetan. Pfefferkorn indessen gehörte zu jenen Konvertiten, die sich mit einer Art von Raserei in den neuen Glauben verbeißen und gegen den verlassenen wüten, vielleicht auch bewegte ihn wirklich, wie man ihm später nachsagte, Rache gegen seine früheren Glaubensgenossen, die ihn wegen begangener Verbrechen ausgestoßen hätten; kurz, er setzte seine Bemühungen fort, deren Ergebnis war, daß Reuchlin von Seiten des Kaisers um ein Gutachten angegangen wurde, ob es göttlich und löblich und dem heiligen christlichen Glauben nützlich sei, die Bücher der Juden, mit Ausnahme natürlich des Alten Testamentes, zu verbrennen. Außer von Reuchlin wurden Gutachten eingefordert von den Universitäten Köln, Mainz, Erfurt, Heidelberg, von dem Kölner Dominikanerprior Jakob Hochstraten und von dem getauften Juden Viktor von Carben, der ehemals Rabbiner, jetzt christlicher Geistlicher war.

      Das Gutachten, das Reuchlin ausstellte, ist ein schönes Zeugnis für seine Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit und Geistesfreiheit. Er unterschied sieben verschiedene Klassen jüdischer Bücher: 1. die Heilige Schrift, die nicht in Frage komme. 2. den Talmud, der vielleicht manches wider den christlichen Glauben enthalte; allein daß die Juden Jesus Christus nicht als Gott anerkennten, sei nun einmal ihr Glaube und könne ihnen weiter nicht vorgeworfen werden, außerdem sei manches Gute darin. 3. die Kabbala, der Reuchlin am wenigsten etwas Böses nachsagte. 4. die Glossen oder Kommentare, die dem besseren Verständnis der Schrift dienten. 5. die Predigten und Zeremonienbücher, die zu dem von Kaiser und Papst den Juden zugestandenen Kult gehörten. 6. Bücher über Kunst und Wissenschaft. 7. Dichtungen, unter denen möglicherweise Schmähungen gegen Christus, seine Mutter und die Apostel wären. Wenn man solche Bücher fände, könne man sie vernichten und die Juden bestrafen, aber nur nach ordentlichem Verhör und Urteil. Er beschloß das Gutachten mit dem Rat, die Bücher nicht zu verbrennen, sondern die Juden durch vernünftige Disputationen sanftmütig und gütlich zum christlichen Glauben zu bekehren.

      Auf den Kaiser, den Freund der Humanisten, machte Reuchlins Gutachten offenbar Eindruck, denn obwohl alle anderen, ausgenommen das der Universität Heidelberg, sofortige Einziehung und Unterdrückung aller jüdischen Bücher rieten, verschob er die Angelegenheit auf eine Beratung der Reichsstände. Wütend, daß ihm seine Opfer entgangen waren, und vermutlich angetrieben von den Kölner Dominikanern, schrieb Pfefferkorn den Handspiegel, eine Schmähschrift, in der er sich erdreistete, Reuchlin zu verdächtigen, als sei er von den Juden bestochen worden. Reuchlin wies im Augenspiegel die 34 Lügen des Pfefferkorn, so viele nämlich enthalte der Handspiegel, zurück, vor allem, wie sich von selbst versteht, den Vorwurf der Bestechlichkeit. Weit entfernt, dadurch zum Schweigen gebracht zu sein, wurde der penetrante Pfefferkorn nur um so hitziger. Er bewirkte, daß der Augenspiegel der theologischen Fakultät der Universität Köln eingereicht wurde, die ihrerseits das Buch dem Professor Arnold von Tungern überwies, damit er es auf die Rechtgläubigkeit des Verfassers hin untersuche. Reuchlin war ein großgewachsener, stattlicher Mann, damals 56 Jahre alt, seines Wertes bewußt, durch das allgemeine Ansehn, das er genoß, gehoben. Trotzdem überlief ihn ein Grauen; es war, wie wenn vom Rheine her ein brenzliger Geruch zu ihm gedrungen wäre. War Unschuld ein Schutz gegen die Inquisition? Nicht nur, daß das nicht der Fall war, schon der Prozeß, die Untersuchung, die Quälerei des Ausfragens schreckten ihn. Er lebte mit seiner kränklichen Frau auf einem kleinen Landgut in der Nähe von Stuttgart, in seine Studien vertieft und beglückt durch den Anblick seiner weißen Pfauen. Dies geliebte Asyl wollte er sich nicht entreißen lassen. So schrieb er denn einen höflichen, allzu höflichen, ja unterwürfigen Brief an Arnold von Tungern, in dem er seine Übereinstimmung mit dem Kirchenglauben beteuerte und sich bereit erklärte zurückzunehmen, was etwa in seinen Schriften gegen denselben verstoße. Nach mehrmaligem Briefwechsel trat die Kölner Fakultät unverhohlen mit der Forderung hervor, Reuchlin sollte den Augenspiegel nicht mehr verkaufen, öffentlich erklären, daß er in allem mit der Kirche übereinstimme und die Juden mit ihren gottlosen Büchern, insbesondere den Talmud, verwerfe. Diese hochfahrend und überheblich vorgetragene Zumutung brachte Reuchlin wieder zu sich selbst; er richtete sich zu seiner alten Mannhaftigkeit auf, lehnte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als erlogen ab und nannte die Gegner mit den damals üblichen Schimpfwörtern Füchse, Schweine, Maulesel, Furien.

      Wie würde sich Kaiser Maximilian verhalten? Er war ein Freund der Humanisten, die wiederum ihm begeistert anhingen; es war kaum einer unter ihnen, der ihn nicht durch ein Gedicht oder eine Ansprache verherrlicht hätte. Er liebte es, sich mit ihnen in Gespräche einzulassen, und verkehrte mit ihnen, als wären sie seinesgleichen, wie er denn gelegentlich die Ansicht aussprach, daß eigentlich die Gebildetsten und Gelehrtesten herrschen müßten. Einmal, es war in Boppard im Jahre 1508, richtete er acht Fragen an den berühmten Abt Trithemius, darunter die folgenden: Warum Gott von den Menschen lieber geglaubt als gewußt und erkannt werden wolle? Ob, da nur ein kleiner Teil der Welt den christlichen Gesetzen unterworfen sei, die Meinung derer zugelassen werden könne, welche annähmen, jeder könne in einer Religion, die er für wahr halte, als Verehrer Eines Gottes außerhalb des Christentums und der Taufe selig werden? Ob aus der natürlichen Vernunft so gut wie aus der Schrift bewiesen werden könne, daß Gott für alle Wesen Sorge trage?

      Trithemius geriet einigermaßen in Verlegenheit und erbat sich drei Monate Zeit zur Beantwortung, denn er wollte sich nicht auf einer mit den kirchlichen Dogmen in Widerspruch stehenden Äußerung ertappen lassen. Sie waren in der Tat etwas schlüpfrig, die Fragen des Kaisers, und man glaubt das leise skeptische und schelmische Blinzeln seiner Augen zu sehen, wie er den gelehrten Abt aufs Eis führt. Konnte einer, der so fragte, auf der Seite der Kölner Ketzerrichter stehen? Sicherlich nicht; aber wenn er als Kaiser auftrat, konnte er auch nicht ohne weiteres seinem persönlichen Geschmack und Urteil folgen. Er war durch Eid verpflichtet, den Papst und die Kirche zu schützen und die Ketzer zu bestrafen, außerdem stand er in vielfacher politischer Beziehung zum Papst; war sie feindlich, suchte er ihm zu schaden, zuweilen aber, wenn der Papst grade eine Schwenkung zu seinen Gunsten gemacht hatte, tat er ihm zu Gefallen, was er konnte. Schließlich, es konnte nicht alles, was in der kaiserlichen Kanzlei einlief, dem Kaiser mitgeteilt werden, manches fertigten seine Räte aus, ohne daß er davon wußte, und taten es oft im Sinne der Meistbietenden. Der Kaiser selbst war beweglichen Geistes, folgte augenblicklichen Eindrücken und erlag leicht den Gründen, die der letzte Bittsteller vortrug. So kam es, daß Reuchlin von ihm ein Mandat erlangte, welches beiden streitenden Teilen Schweigen auferlegte, und seine Gegner bald darauf ein anderes vorweisen konnten, das den rheinischen Erzbischöfen und dem Ketzermeister befahl, den Augenspiegel zu unterdrücken. Die Pariser Universität, die an Stelle der nicht gefügigen Heidelberger um ein Gutachten angegangen wurde, sprach sich einstimmig dahin aus, daß der Augenspiegel zu verbrennen sei und Reuchlin widerrufen müsse. Hocherfreut lud Hochstraten, der Ketzermeister, Reuchlin vor sein Tribunal in Mainz, wo der Beklagte im Herbst 1513 erschien. Da das Ergebnis zunächst kein anderes war, als daß Reuchlin an den Papst appellierte und der Erzbischof von Mainz Aufschub verlangte, ordnete Hochstraten, um sich doch irgendeines Scheiterhaufens zu erfreuen, die Verbrennung des Augenspiegels an, und schon strömten schaulustige Scharen herbei, als im letzten Augenblick ein Verbot des Erzbischofs eintraf, dazu Aufhebung des Inquisitionsgerichts СКАЧАТЬ