Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Nachdem diese endgültige Verfluchung unter pompösen Zermalmungsandrohungen verhängt war, blieb alles wie zuvor. Der Herzog blieb Herzog, und Heimburg blieb sein Rat, das Volk starrte einen Augenblick auf die päpstlichen Blitze wie auf ein gemaltes Gewitter und ging dann wieder seinen Geschäften nach. Da doch etwas geschehen mußte, verfiel Pius II. auf die schweizerischen Eidgenossen als auf besonders getreue Söhne. Sie hatten zur Zeit des Konstanzer Konzils dem Vater des jetzigen Herzogs den Aargau weggenommen, freilich im Auftrage des Kaisers im Gegensatz zum damaligen Papst, und würden sich jetzt vielleicht bereitfinden lassen, Herzog Siegmund den Thurgau zu entreißen. Zwar hatte er sie aus irgendeinem Grunde kürzlich in den Bann getan, aber den hob er auf und ermunterte sie, die Exekution zu vollstrecken. Nicht sofort willigten die Eidgenossen ein, und nachdem sie sich schließlich aufgerafft und den Thurgau, des Herzogs letzte Besitzung in der Schweiz, erobert hatten, schlossen sie mit ihm Frieden. So hatte der Papst es nicht gemeint, er schalt und mahnte, allein vergebens, die Eidgenossen blieben verstockt. Der Kaiser, an den er sich nun wandte und mit dem der Papst so eng durch die Reichsgesetze und persönlich durch 210 000 Dukaten verbunden war, schlug doch den verwandtschaftlichen Zusammenhang höher an und weigerte sich, gegen seinen Vetter einzuschreiten. Die nun ergehende Vorladung Siegmunds, Heimburgs, sämtlicher anderer Räte des Herzogs, des Bischofs von Trient, des Kapitels von Brixen, der meisten Äbte Tirols, vieler geistlicher und weltlicher Herren, der Bürger aller Städte, fast aller Einwohner der Grafschaft Tirol nach Rom, wo sie wegen ihrer Rechtgläubigkeit in bezug auf den Artikel: ich glaube an eine heilige, katholische und apostolische Kirche, vernommen werden sollten, regte Heimburg zu witzigen Ausmalungen dieses Massenaufbruchs an. In seiner Entgegnung sagte er, man könne wohl glauben, daß eine Kirche sei, nicht aber könne man an eine Kirche glauben, denn man glaube nur an Göttliches, nicht an Erschaffenes, und bezeichnete damit die Kirche als eine menschliche Einrichtung. Es blieb dem Papst nur die Hoffnung auf die Wirkung einer Handelssperre, die als Folge der Exkommunikation eintreten sollte. Cusa selbst drängte darauf, daß alle nach Tirol führenden Wege gesperrt und alle Lebensmittel zurückgehalten würden, damit eine völlige Aushungerung die Hartnäckigen endlich niederzwänge. Pius scheute sich nicht, die Edelleute aufzufordern, daß sie, was sie ohnehin gern taten, die Handelsleute überfielen und ihnen ihre Waren, z. B. Salz und Wein, wegnähmen. Obschon auch die Sperre schwer durchführbar war, wie denn z. B. der Erzbischof von Salzburg erklärte, seine Untertanen müßten ohne von Tirol eingeführte Lebensmittel verhungern, ließen doch ihre in Tirol allmählich peinlich empfundenen Folgen den Herzog eine Beilegung des Streites wünschen. Da auf der anderen Seite der Papst mit Schrecken sah, wie wenig seine Bannflüche verfingen, schien eine von der Republik Venedig vorgeschlagene Vermittelung nicht mehr ganz aussichtslos. Der von ihr damit betraute Morosini, ein feiner und kluger Mann, suchte mit unsäglicher Geduld eine Verständigung herbeizuführen. Es spricht für Gregor von Heimburg, den er bei diesem Anlaß kennenlernte, wie hoch ihn der gebildete Venezianer schätzte. Dem päpstlichen Legaten gegenüber sprach er die Ansicht aus, daß der Papst und Cusa durch Humanität und Güte mehr ausrichten würden als durch Gewalt. »Ich muß bezeugen«, schrieb er, »daß mir der Herr Gregorius in einem ganz anderen Licht erschien, als er mir geschildert war, und ich glaube mit Recht überzeugt sein zu dürfen, daß ich alles durch seine Klugheit und Umsicht erreicht habe. Nicht nur der Herzog, sondern ganz Deutschland hält ihn für einen höchst gelehrten Mann und entschiedenen Freund der Wahrheit und des Friedens.« Diese eifrigen, wohlwollenden Bemühungen scheiterten an der Unversöhnlichkeit des Nikolaus von Cusa. Er blieb dabei, daß das Hochstift Brixen der Herr und der Herzog der Vasall sei; ohne Unterwerfung und Abbitte des Herzogs gestattete er dem Papst nicht, die Exkommunikation aufzuheben. Nachdem Venedig sich zurückgezogen hatte, nahm der Kaiser das Vermittelungswerk auf. »In der Tat, heiliger Vater«, schrieb er dem Papst, »wäre es Zeit, die Sache beizulegen. Die Autorität der Kirche verliert, wie wir sehen, zu sehr an Achtung. Es ist nötig in Berücksichtigung unserer Zeit von der Strenge ein wenig nachzulassen.« In Berücksichtigung unserer Zeit! Ja, das hatte sich gezeigt, daß der päpstliche Bannfluch einen Fürsten nicht mehr vom Throne schleudern konnte. Pius II. sah es ein, Cusa nicht. An seiner starren Haltung wäre die Vermittelung wohl wieder abgeglitten; da berührte den Knoten, den alles Zerren anstatt ihn aufzulösen nur desto fester zusammengezogen hatte, die Geisterhand des Todes, und er fiel schlaff auseinander: rasch nacheinander starben im Spätsommer 1464 erst Nikolaus von Cusa, dann Pius II. Gleich darauf wurden die Vorschläge des Kaisers angenommen. Siegmund beugte sich nicht; da er sich durchaus weigerte, Abbitte zu leisten, erbot sich der Kaiser zu einer stellvertretenden Demütigung vor dem Papst. Ob und in welcher Form sie ausgeübt wurde, steht nicht fest.
In dieser Versöhnung war Gregor von Heimburg nicht inbegriffen und suchte sie wohl auch nicht. Da sein Verhältnis zu Nürnberg schon seit einigen Jahren gelöst war, trat er durch Vermittelung Herzog Albrechts von Sachsen in Beziehung zu Georg Podiebrad, dem König von Böhmen, der als Kalixtiner den Gegner des Papstes gebrauchen konnte und mächtig genug war, den Verfemten zu schützen. Dieser bedeutende Fürst, den einige unternehmende Männer im Reich gern unter Beiseiteschiebung des schläfrigen Friedrich zum Kaiser gemacht hätten, war immer bereit, großartige Pläne auszuführen, die er selbst entwarf oder die andere ihm unterbreiteten. Er plante eine Organisation der abendländischen Fürsten, die der päpstlichen Macht die Waage halten könnte, er dachte sogar daran, die Türken aus dem vor kurzem eroberten Konstantinopel hinauszuwerfen und sich selbst zum oströmischen Kaiser zu machen. Wieder hatte Heimburg Gelegenheit, mit Rat und Schrift gegen die Gewaltherrschaft des Papstes zu wirken, der einen Feldzug gegen den hussitischen Böhmenkönig führte, wie Pius II. gegen Herzog Siegmund getan hatte, ihn in den Bann tat und seine Untertanen und die benachbarten Fürsten gegen ihn auf hetzte. Mathias von Ungarn, auch ein hochstrebender und begabter Mann, setzte sich schließlich, den Ermahnungen Gehör schenkend, in Bewegung und ließ sich zum König von Böhmen wählen; ein Krieg wäre zwischen den beiden mächtigen Emporkömmlingen des Ostens entbrannt, wenn nicht Georg Podiebrad dem Tod erlegen wäre. So war Gregor von Heimburg ohne Aufgabe und ohne Schutz. Albrecht von Sachsen, der Schwiegersohn des Verstorbenen, nahm ihn auf und brachte ihn nach Dresden; aber trotz der herzoglichen Gunst wollte die Stadt den Gebannten nicht bei sich dulden. Da entschloß sich der verlassene Kämpfer, die Absolution des Papstes zu suchen und erhielt sie auf Albrechts Befürwortung. Es war im Jahre 1472; bald darauf starb er.
Der Verlauf des Streites zwischen dem Herzog von Tirol und der Kirche zeigt, wie nah der Gedanke der Säkularisation geistlicher Güter den weltlichen Fürsten lag, wie sie, sowie es möglich schien, ihn grundsätzlich ergriffen und rücksichtslos durchzuführen versuchten, und was für ketzerische Gedanken in Verbindung damit laut, öffentlich dem Papst entgegengeworfen werden konnten. Es zeigte sich freilich auch, was für Kampfmittel dem Papst doch noch zur Verfügung standen, wie er Ehrgeizige, Unzufriedene und Habgierige zu benutzen wußte, und wie auch der Bannfluch dadurch lästig werden konnte, daß sich Feinde seiner zum Schaden des Betroffenen bedienten. Noch war ein Gebannter, wenn er nicht Fürst war, ein Ausgestoßener, für manches einfache Gemüt ein gebrandmarkter Frevler, für die vielen Niederträchtigen ein bequemes Ziel. Selbst ein so überzeugter Gegner des Papstes wie Gregor von Heimburg gab am Ende nach. War der einst so Tapfere müde geworden? Tat er es, um dem Herzog von Sachsen, dem einzigen, der ihm ein Asyl anbot, keine Schwierigkeiten zu machen? Oder war auch in ihm ein Gefühl geblieben oder wieder erwacht, das sich nach der Geborgenheit im Schoße der alten Mutter Kirche sehnte, die alle Christen des Abendlandes umfaßte und zu Brüdern machte?
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