Reboot. Robert Jacobi
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Reboot - Robert Jacobi страница 8

Название: Reboot

Автор: Robert Jacobi

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783867746847

isbn:

СКАЧАТЬ sogar einen eigenen Pandemieplan für seine Justizvollzugsanstalten hinterlegt; als könne man ein Virus einsperren. Bei Mecklenburg-Vorpommern führt der Link ins Leere, das Saarland dankt für den »Besuch unserer Saarlandseiten« und empfiehlt die Nutzung der neuen Navigationsmöglichkeiten, um den gesuchten Inhalt zu finden.

      Allein schon die Wortkombination »Nationaler Pandemieplan« ist ein Widerspruch in sich, steht »pan« doch für »umfassend«, »total«, ganz zu schweigen von Pandemieplänen auf Landesebene.

      Ein Ergebnis der fehlenden Aufgabenzuordnung zwischen Bund und Land und einer Vielzahl von Behörden auf allen Ebenen bis hinunter zu Städten und Gemeinden: Gesichtsmasken waren schon Anfang März 2020 ausverkauft – wie auch verlässliche Informationen Mangelware waren. Als ich mir damals in einer Apotheke in München eine Schutzmaske für eine Flugreise besorgen wollte, wurde mir dort erklärt, dass keine Masken mehr verfügbar seien, sie aber die Ausbreitung des Virus ohnehin nicht aufhalten würden. Als ich dann einige Wochen später zum ersten Mal eine Maske trug, war ich als Erstes besorgt, mein kleiner Sohn könnte durch diese »Vermummung« verängstigt werden. Er fand die neue Optik aber eher interessant.

      Natürlich war auch bei der Weltgesundheitsorganisation ein Pandemieszenario längst Thema – die Schweinegrippe, Ebola und SARS waren gut sichtbare Warnsignale. Das Wissen, dass eine Pandemie jederzeit auftreten könnte, war also, wenn auch nicht in der breiten Öffentlichkeit, so doch bei entsprechenden Experten, vorhanden. Und obwohl das Risiko einer Pandemie lange vor Corona als hoch einzuschätzen war, blieben andere Themen auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda wichtiger. Der Klammergriff war irgendwo in bürokratischen Dokumenten versteckt und in dem Moment, als er gebraucht wurde, nicht einsetzbar – und selbst wenn, hätte sich erst noch die Frage gestellt: Wer ist befugt, ihn zu nutzen?

      Der einzige Ausweg war, das System abzuschalten mit der Folge eines globalen Wirtschaftseinbruchs, der trotz überraschend schneller Erholung in den Industrieländern die Armut weltweit deutlich erhöhen wird; des Versuchs von Rechtsextremen und Verschwörungsideologen, die Gesellschaft zu spalten, die nicht solidarischer, sondern polarisierter wirkt als zuvor; von Billionen an Staatsgeldern, die den Schuldenstand für Generationen nach uns erhöhen.

      Bedrohungen wie die einer Pandemie zu ignorieren, solange sonst alles irgendwie gut läuft oder andere Probleme dringender erscheinen, ist – zumal im Individuellen – psychologisch nachvollziehbar. Wenn mich jemand im Herbst 2019 gefragt hätte, wovor ich Sorgen habe, dann wäre mir das Wort Pandemie sicher nicht eingefallen. Die andere Seite aber ist die der Institutionen und staatlichen Strukturen, die genau dafür da sind, die Gesellschaft vor möglichen negativen Folgen des kurzfristig geprägten Denkens ihrer Einzelmitglieder zu schützen. Die Verantwortung für die chaotische Reaktion in den ersten Wochen der Pandemie – und fast fühlen sich der Herbst und die zweite Welle so an, als hätten wir nur sehr wenig gelernt – liegt aber nicht bei der Politik oder Verwaltung allein. Wir alle haben uns nicht ausreichend mit dem Risiko einer Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen beschäftigt.

      Das Problem mit den Krisen der Moderne, seien ihre Auslöser sichtbar oder unsichtbar, liegt nicht nur in ihrer Häufigkeit, sondern in der Komplexität der Systeme, in denen sie sich abspielen. Wir haben uns selbst in unserer Aufnahmefähigkeit überholt und in einer zu großen Teilen grenzenlosen, arbeitsteiligen Wirtschaft und Gesellschaft eine Vernetzung geschaffen, deren Risiken wir ohne datengetriebene, analytische Warnsysteme nicht überblicken können. Denn wie beim Computervirus gilt: Wenn der schädliche Code erkannt wird, ist er bereits einmal um die Welt gereist und hat genug Schaden angerichtet, um unsere Heilkräfte stark zu strapazieren. Ein Software-Update hilft, dass ein Virus ähnlicher Art sich nicht wieder ausbreiten kann. Längst wird aber irgendwo an einem neuartigen Schädling gebastelt.

      Und nicht nur im Gesundheitswesen verlieren wir im Krisenfall die Kontrolle. Wie anfällig unsere Institutionen sind und wie leicht sie überlistet werden können, zeigt der Fall Wirecard. Eine einzelne Behörde, die nur in einem Land Autorität besitzt, ist hoffnungslos überfordert damit, ein weltumspannendes Betrugssystem zu erkennen. Die Folgen sind schmerzhaft, lassen sich volkswirtschaftlich aber noch verkraften. Anders die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, die tiefer gehen, auch wenn es so aussieht, als könnten wir sie innerhalb von zwei oder drei Jahren bewältigen. Was sie mit uns Menschen dauerhaft macht, ist von heute aus nicht abzusehen.

      Was aber abzusehen ist: Wir werden immer einen Schritt zu spät sein, solange wir nicht Systeme schaffen, die Muster erkennen, nach denen die Angreifer der Zukunft vorgehen werden. Künstliche Intelligenz kann uns hier eine Unterstützung sein, wir müssen allerdings die damit verbundenen Chancen sehen und nutzen, statt nur den Kontrollverlust fürchten.

      Fugaku leistet nicht nur Übermenschliches; im Kosmos der Maschinen kommt er einer Gottheit gleich: Seine Rechnerkapazität ist so hoch, als würde man eine knapp sechsstellige Zahl von marktüblichen Laptops miteinander verbinden – aufeinandergestapelt wäre das ein eineinhalb Kilometer hoher Turm, also doppelt so hoch wie der höchste Wolkenkratzer der Welt, der Burj Khalifa in Dubai. Technikblogs beschreiben den Supercomputer wie einen teuren Wein: »Diese Fugaku-Maschine hat eine sehr gut ausbalancierte Architektur aus Bandweite zum Rechnen, Verbinden und Speichern, auch wenn die Speicherkapazität pro Netzknoten etwas auf der leichteren Seite liegt, wenn auch nicht schlechter als ein typischer GPU-Accelerator, der HBM2-Speicher benutzt.«

      Noch Fragen?

      Das Modellieren chemischer Zusammensetzungen und biologischer Systeme ist einer der Hauptzwecke solcher Supercomputer. Die Herstellerfirma Fujitsu hat Fugaku früher hochgefahren als geplant, damit er bei der Bewältigung des Corona-Virus und der Suche nach einem Arzneimittel helfen kann. Der Direktor des RIKEN-Zentrums für Informatik kündigte an, dass Fugaku zu einer frühzeitigen Beendigung der Pandemie beitragen soll.

      Im Alltag haben wir keinen Zugriff auf Fugaku und ähnliche Maschinen, sondern kämpfen mit unseren handelsüblichen Geräten. Tausende Male gelingt es uns, einen Rechner hochzufahren, der eingefroren ist. Je länger das Gerät läuft und je voller die Festplatte ist, desto mühseliger wird die Sache. Die Zahl der Fehlermeldungen häuft sich. Der Lüfter rauscht bedenklich, Software-Updates helfen nur kurzfristig, die tägliche Nutzung wird zur nervigen Achterbahnfahrt. Die Zeit für einen Hardwarewechsel ist gekommen. Jeder, der viel mit Computern arbeitet, wechselt im Schnitt alle zwei Jahre das Gerät, Smartphones sogar noch häufiger.

      Diese Möglichkeit haben wir bei der eigenen Hardware, unseren Gehirnen, die wir für die Herausforderungen auf der gesellschaftlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Ebene verwenden, nicht. In dieser Hinsicht ist sie ungleich schwächer als Fugaku. Sie vermag sich zwar stets weiterzuentwickeln, was im Vergleich zu Rechnerkapazitäten allerdings im Schneckentempo geschieht. Das menschliche Gehirn samt allen Emotionen und angeborenen Reflexen arbeitet für die Problemlösung entsprechend mit einem für seine Kapazität bewältigbaren Code. In Zeiten von Finanzkrisen, Klimawandel, Terroranschlägen und Pandemien, einer insgesamt bis dato nicht gekannten Komplexität der Welt, läuft der Prozess der sprachlichen Codierung von Information und der anschließenden Verarbeitung durch unser Gehirn zu langsam, um zu adäquatem Handeln zu kommen. Hier setzt die Digitalisierung ein, die unter diesem Gesichtspunkt mehr Chancen als Risiken bietet. Wir haben eine Technologie geschaffen, die uns helfen könnte, Krisen besser zu bewältigen, setzen sie aber nur unzureichend ein.

      Als die Spanische Grippe vor einhundert Jahren grassierte, mussten Telefonate noch von Menschen in einer Vermittlungsstelle verbunden werden. Menschen, die heute 80 Jahre alt sind, haben ihren ersten PC-Bildschirm gesehen, als sie bereits СКАЧАТЬ