Im Schatten der Vergeltung. Rebecca Michéle
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Название: Im Schatten der Vergeltung

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783943121605

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СКАЧАТЬ Tartan, erwischt wurde, bedeutete das seinen sicheren Tod. Die gälische Sprache wurde verboten, ebenso das Spielen des Dudelsacks und das Singen der alten melodischen Weisen. Um die Einhaltung der Sanktionen im Hochland zu überwachen, bauten die Engländer Forts und postierten überall Soldaten. Es herrschte eine gedrückte Stimmung. Die Menschen konnten einander nicht mehr trauen, niemand wusste, wer Freund und wer Feind war.

      Als Maureen älter wurde, begann sie nach und nach die Abneigung ihrer Mutter gegen die Engländer zu begreifen. Sie konnte ihre Eltern nun zwar besser verstehen, sie selbst jedoch war erst nach diesen Ereignissen geboren und lebte in einer heilen Welt. Die Beechgroves waren königstreue Schotten, die oft Besuch von Angehörigen der englischen Armee bekamen. Maureen hatte niemals schlechte Erfahrungen mit einem Engländer gemacht. Als sie Philipp Trenance kennenlernte, war es unwichtig, welcher Nationalität er angehörte. Er war der Mann, den sie liebte, den sie heiraten und mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte.

      Die Verliebten trafen sich weiterhin heimlich, dann rückte Philipps Abschied aus der Armee und seine Rückkehr nach Südengland unaufhaltsam näher. Als er Maureen bat, ihn zu begleiten, zögerte sie keinen Moment. Es blieb ihr aber nichts anderes übrig, als heimlich zu fliehen. In diesem Augenblick empfand sie ihre Flucht als romantisches Abenteuer und war überzeugt, wenn ihre Eltern erst merkten, wie glücklich sie und Philipp waren, würden sie ihre Einstellung ändern. Nach einer kurzen Station in Edinburgh heirateten Maureen und Philipp kurz vor der Grenze nach England in dem kleinen Dorf Gretna Green. Nach schottischem Recht war Maureen mit sechzehn Jahren bereits volljährig und die Eheschließung auch in England gültig.

      Maureen kehrte wieder in die Gegenwart zurück. Während sie vorhin noch gefroren hatte, war ihr jetzt unsäglich heiß. Kleine Rinnsale liefen ihr zwischen den Brüsten hinab, das elegante, leichte Seidenkleid klebte an ihrem Rücken. Wie gebannt starrte sie auf den Brief in ihren Händen. Schließlich gab sie sich einen Ruck, riss den Umschlag auf und las die wenigen Worte:

      Maureen ...

      Sie schluckte. Da stand einfach nur ihr Name, nicht etwa Liebe Maureen oder Meine Tochter. Offenbar hatte ihr die Mutter auch nach den vielen Jahren nicht verziehen. Sie las weiter:

      Ich sehe es als meine Pflicht an, Dir mitzuteilen, dass Dein Vater im Sterben liegt. Ich hoffe, Du lebst noch im Süden und dieser Brief wird Dich erreichen. Es ist der Wunsch Deines Vaters, dass Du über seinen Zustand unterrichtet wirst. Vielleicht kannst Du ihm schreiben. Er würde sich über ein paar Zeilen von Dir freuen.

      Laura Mowat

      Das war alles. Maureen stand wie erstarrt. Der Brief enthielt kein Datum. Wann war er in Edinburgh aufgegeben und wie lange unterwegs gewesen? Vielleicht war ihr Vater bereits gestorben? Tränen liefen über ihre Wangen. Sie dachte an ihren Vater und spürte einen Stich in ihrem Herzen. Während ihrer Kindheit und Jugend hatte sie immer das Gefühl gehabt, von ihrem Vater mehr als von ihrer Mutter geliebt worden zu sein. Ihre Mutter hatte ihr nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Maureen bekam genug zu essen und sie sorgte für ihre Kleidung. Es war jedoch ihr Vater gewesen, auf dessen Knien sie schaukelte und der sie in den Arm nahm und tröstete, wenn sie sich wehgetan hatte. Bei Krankheiten war ihr Vater an ihrem Bett gesessen, und ihr Vater küsste sie am Abend auf die Stirn und hatte die Decke über sie gebreitet.

      Er würde sich über ein paar Zeilen von dir freuen.

      Nach ihrer Ankunft in Cornwall hatte Maureen ihren Eltern Woche für Woche geschrieben. Unermüdlich, über viele Jahre hinweg. Selbst, als sie ihnen von Fredericas Geburt berichtete, wartete sie vergeblich auf eine Antwort. Nicht einmal ein Enkelkind hatte das harte Herz ihrer Mutter erweichen können. Schließlich schickte sie einen Brief an Lady Beechgrove, fragte nach ihren Eltern, doch auch von ihr erhielt sie keine Zeile. Irgendwann hatte Maureen aufgegeben und sich damit abgefunden, dass sich ihre Eltern von ihr losgesagt hatten. Ihr Zuhause war jetzt hier in Cornwall, und sie hatte eine eigene Familie. Es gab aber immer wieder Momente, in denen Maureen sich nach ihren Eltern sehnte und sich wünschte, sie noch einmal zu sehen und in die Arme schließen zu können.

      Als Frederica begann, sich nach der Familie ihrer Mutter zu erkundigen, war es Philipp, der dem Mädchen erklärte, ihre Großeltern wären schon vor langer Zeit gestorben. Frederica wusste, dass ihre Mutter aus Schottland kam, sonst hatte Maureen ihr aber nicht viel erzählt. Frederica interessierte sich auch nicht für das Land, das irgendwo weit im Norden lag, und gab sich mit den spärlichen Angaben über Maureens Vergangenheit zufrieden.

      Erst als die Sonne am Horizont versank, merkte Maureen, wie lange sie gesessen und sich in Erinnerungen verloren hatte. Das Gartenfest ging jetzt seinem Ende entgegen, Philipp und Frederica würden bald nach Hause zurückkehren. Dann musste sie Philipp den Brief zeigen. Und sie würde ihrem Vater schreiben ... Nein, sie würde ihm nicht schreiben! Ein kühner Gedanke schoss wie ein Blitz durch Maureens Kopf und nahm Gestalt an. Behände sprang sie auf und lief aufgeregt auf und ab. Sie würde nicht schreiben, sie würde zu ihm fahren, nach Edinburgh! Es war ihr gleichgültig, was Philipp davon halten würde. Er würde seine Zustimmung verweigern, sie musste aber reisen! Der Brief war ein Zeichen, vielleicht ein Fingerzeig Gottes, und vielleicht würde es endlich zu einer Aussöhnung kommen. Maureen konnte nicht für den Rest ihres Lebens ihre Familie und ihre Heimat verleugnen. Es herrschte Frieden im Land, die Reise würde zwar beschwerlich, aber sicher sein. Maureen schmunzelte, wenn sie sich vorstellte, wie entrüstet Esther Linnley reagieren würde, wenn sie ohne Philipps Erlaubnis nach Schottland reisen und ihre Eltern aufsuchen würde. Lady Esther verstand es meisterhaft, vor allen Unannehmlichkeiten die Augen zu verschließen und sich vorzumachen, wenn man keine Schwierigkeiten sah, dann gab es auch keine. So einfach ging das in Lady Esthers Augen. Nur war das Leben selbst leider nicht so einfach.

      Nachdem Maureen diese Entscheidung getroffen hatte, fühlte sie sich plötzlich voller Elan und Lebenskraft, als wäre sie wieder das junge Mädchen. Sie würde Schottland wiedersehen! Sie würde in ihr Heimatland zurückkehren! Maureen wusste in diesem Moment: Wenn sie nicht jetzt die Chance ergriff, endlich wieder einen Fuß auf schottischen Boden zu setzen und ihre Eltern zu besuchen, würde sie sich das niemals verzeihen. Sie war Hals über Kopf geflohen, den jungen schneidigen Offizier im Herzen, und dabei hatte sie keine Vorstellung davon gehabt, was es bedeutete, seine Wurzeln aufzugeben. Vielleicht war sie nach dieser Reise in der Lage, mit ihrer Vergangenheit Frieden zu schließen. Am liebsten hätte sie sofort nach ihrer Zofe geklingelt und den Befehl gegeben, umgehend mit dem Packen zu beginnen.

      George Linnley hatte Fredericas Hoffnungen erfüllt. Zu Lady Esthers Bedauern war die von ihr erwartete junge Erbin wegen einer plötzlichen Krankheit nicht gekommen, so richtete sich Georges volle Aufmerksamkeit Frederica, und er wich kaum von ihrer Seite. Nun konnte auch Lady Esther nicht mehr leugnen, dass ihr Sohn Interesse an dem Mädchen zeigte. Ebenso empört war sie über Maureen, die sie einfach im Stich gelassen hatte, und hielt Philipp gegenüber mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Es kostete sie einige Mühe, gegenüber dem Bischof eine freundliche Miene aufzusetzen. Glücklicherweise musste sie ihn nicht unterhalten, denn der Geistliche hörte sich selbst am liebsten reden. Diese Eigenart, die Lady Esther eigentlich zutiefst verabscheute, führte sie doch am liebsten selbst das Gespräch, kam ihr heute äußerst gelegen. Esther Linnley war froh, als sie den Bischof bei Tisch ihrem Mann anvertrauen konnte. Sollte doch Lord Linnley das unentwegte Geschwätz des Geistlichen über sich ergehen lassen! Mit der Entschuldigung, beim Verkaufsstand nach dem Rechten sehen zu müssen, eilte sie davon, um ihren Sohn ausfindig zu machen. So ein Pech, dass die Verwandte erkrankt war und somit beim Fest nicht dabei sein konnte. Hoffentlich neigte Pamela March nicht generell zu Unpässlichkeiten und war leidend, sie sollte George schließlich gesunde und kräftige Erben schenken. Lady Esther hatte bereits die Dekoration, mit der Linnley Park am Tage der Hochzeit geschmückt werden würde, durchdacht. Natürlich musste die Trauung hier stattfinden, davon würde sie die Brauteltern schon überzeugen. Was für ein nettes und liebes Mädchen diese Pamela doch war! Bestimmt wusste George das große Glück, sie zur Frau zu bekommen, zu schätzen.

      Sie СКАЧАТЬ