Im Schatten der Vergeltung. Rebecca Michéle
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Название: Im Schatten der Vergeltung

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783943121605

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СКАЧАТЬ deiner Nachbarn entspricht.« Sie presste beide Hände an die Schläfen und senkte den Kopf. »Und die ich niemals sein werde.«

      Maureen wusste nicht, warum sie das gesagt hatte. Sie hing doch an ihrem Leben in Trenance Cove. Sie, eine einfache Magd, war in die Welt des Adels aufgestiegen, was kaum jemandem aus ihrer Gesellschaftsschicht je gelang. Dabei war ihr dies niemals wichtig gewesen, sie wollte einzig und allein an der Seite des geliebten Mannes sein. Für ihn hatte sie sich bemüht, sämtliche Konventionen des Landadels zu lernen und nach ihnen zu leben. Nun holte der Brief ihrer Mutter all das, was sie seit Jahren unterdrückt hatte, mit Macht hervor, und Maureen besaß keine Kraft, die Erinnerungen länger zur Seite zu schieben oder gar zu ignorieren.

      »Du bist ungerecht, und das weißt du auch! Die hiesige Gesellschaft hätte niemals eine Schottin in ihren Reihen geduldet. Und die Reaktion meines Vaters wird dir ja wohl noch gut in Erinnerung sein. Nur mit knapper Not entging ich einer Enterbung.«

      Die Erinnerung an den Tag, als Philipp sie nach Trenance Cove gebracht hatte, war auch heute noch bitter. Den alten Sir Trenance traf beinahe der Schlag, als sein Sohn mit einer Ehefrau aus der Armee heimkehrte. Nicht nur die Tatsache, dass er es gewagt hatte, ohne väterliche Zustimmung zu heiraten, sondern dass die Auserwählte weder adliger Abstammung noch vermögend war, bewirkte bei Philipps Vater einen heftigen Wutausbruch. Er hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, Philipp zu ohrfeigen. Als er dann noch erfahren musste, dass er Maureen in Schottland kennengelernt hatte, diesem kargen, dunklen Land, das von barbarischen Wilden und Aufständischen bevölkert war, drohte er, seinen einzigen Sohn auf der Stelle zu enterben. Keiner seiner Nachbarn hatte jemals Schottland besucht, keiner war durch das weite Hochland mit seinen zahlreichen Seen gewandert, hatte die Rudel von Rotwild erblickt, die geruhsam in der untergehenden Sonne äsen. Keiner hatte jemals den absoluten Frieden erlebt, der jeden, der einmal dort war, unweigerlich in seinen Bann zog.

      »Ich habe dich damals geliebt.« Maureens Stimme war nicht mehr als ein Wispern. »Ich habe alles für dich getan und mich immer bemüht, die Frau zu sein, die du an deiner Seite wolltest.«

      Dass Philipp von seinem Vater nicht enterbt und des Hauses verwiesen worden war, hatte er allein Esther Linnley und deren Einfluss zu verdanken. Die Nachbarin hatte Sir Trenance versprochen, binnen kurzer Zeit aus dem wilden, in ihren Augen unkultivierten Mädchen eine Lady zu machen. Zögernd stimmte er dem Vorschlag zu. Hinzu kam, dass Maureen bei ihrer Ankunft in Cornwall bereits schwanger war und den künftigen Erben von Trenance Cove unter ihrem Herzen trug. Dass sie dann nur einem Mädchen, Frederica, das Leben schenkte, brachte Maureen bei ihrem Schwiegervater nicht gerade Sympathien ein. Das Verhältnis zwischen Sir Trenance, seinem Sohn und Maureen blieb gespannt, und als der alte Herr zwei Jahre später starb, fühlte sich Maureen regelrecht befreit – obwohl sie sich für diesen Gedanken schämte.

      Philipp berührte sie leicht an der Wange.

      »Wir waren so schrecklich jung ...«

      Abrupt wandte Maureen ihm den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.

      »Bitte, lass mich jetzt allein. Sag Lady Esther, ich sei plötzlich krank geworden. Ich bringe es heute nicht fertig, mich unter die fröhliche Gesellschaft zu mischen und Konversation zu betreiben.«

      »Sie wird sehr verärgert sein«, gab Philipp erneut zu bedenken, Maureen antwortete ihm jedoch nicht mehr. Mit einem Seufzer ließ er sie allein. Maureen hatte immer ihren eigenen Kopf gehabt, und genau das hatte ihn damals fasziniert. Er bewunderte ihr Temperament, ihre Art, jeden Tag mit einem Lachen zu beginnen und sich tapfer jeglichen Problemen zu stellen. Während seiner Zeit in Schottland wurden seine Tage in der kargen, zugigen Kaserne allein durch den Gedanken an sie erträglich. Maureen war und blieb Maureen. Im Innern war sie noch immer das abenteuerlustige Mädchen mit den zerzausten Locken aus dem schottischen Hochland. Durch den Brief ihrer Mutter drangen nun Gefühle empor, die sie lange Zeit sorgfältig unter Verschluss gehalten hatte. Philipp hoffte nur, sie würde ihm später mitteilen, was ihre Mutter schrieb. Auf keinen Fall konnte es etwas Gutes sein.

      Nachdem Philipp gegangen war, hielt Maureen den Brief immer noch unschlüssig in der Hand. Eine unerklärliche Angst hinderte sie, den Umschlag zu öffnen. Erneut tauchte sie in die Vergangenheit ein. Es schien erst gestern gewesen zu sein, als sie sich in Philipp Trenance verliebte. Der junge Offizier, der Maureen in seiner schmucken roten Uniform wie der Märchenprinz aus ihren Träumen erschienen war, stattete dem Laird und seiner Familie einen Besuch ab und logierte zwei Wochen auf Beechgrove. Sie begegneten sich im Pferdestall, und es war Liebe auf den ersten Blick. Als Philipp nur wenige Wochen später bei Maureens Eltern um ihre Hand anhielt, war sie überglücklich. In ihrer jugendlichen Naivität dachte sie keinen Moment an die Standesunterschiede, die sie, eine schottische Magd, und ihn, einen englischen Adligen, voneinander trennten. Ihre Mutter hingegen war schockiert. Sie warf Philipp sofort aus dem Haus und verbot jeden weiteren Kontakt.

      »Niemals! Niemals wird meine Tochter einen Engländer heiraten!«, hatte sie fast schon hysterisch geschrien. »Verlasst sofort das Zimmer und wagt Euch niemals wieder in die Nähe meiner Tochter!«

      Nie zuvor hatte Maureen ihre sonst eher stille und in sich gekehrte Mutter derart aufgeregt erlebt. Als Philipp nicht sogleich die Kammer verließ, war sie einer Furie gleich auf ihn losgegangen und hatte versucht, ihn ins Gesicht zu schlagen. Maureens Vater war es nur mit größter Mühe gelungen, seine Frau zur Vernunft zu bringen, aber auch er bestand darauf, dass Philipp den Kontakt zu Maureen abbrach. Immer, wenn Maureen in den nächsten Tagen das Gespräch mit den Eltern gesucht hatte, hatte sie den großen Hass ihrer Mutter auf die Engländer aufs Neue erlebt.

      Mit der Abneigung aller Hochlandschotten gegen die Engländer und alles, was aus dem Land jenseits des Tweeds kam, war Maureen seit ihrer Geburt vertraut. Wie jedes schottische Kind hatte sie die Geschichten der Jakobiten-Aufstände und die Niederlage bei Culloden schon mit der Muttermilch eingesogen. Ihrer Mutter war es gleichgültig, dass Maureen als Kind die Zusammenhänge nicht verstand. Immer wieder hatte sie zu hören bekommen, wie ein junger, schmächtiger Mann sein sonniges Geburtsland Italien verlassen und sich in das kühle Schottland aufgemacht hatte. Angeblich war er der Sohn des rechtmäßigen Königs von England, auf dessen Thron nun ein unkultivierter Deutscher saß. Und dieser Junge, von allen Schotten noch heute zärtlich Bonnie Prince Charlie genannt, scharte Tausende von tapferen Männern um sich, mit denen er einen Siegeszug nach London startete. Nach einigen erfolgreichen Schlachten kam jedoch der schwärzeste Tag in der Geschichte Schottlands: Am 16. April 1746 kam es zu der letzten und entscheidenden Begegnung zwischen einer ausgezehrten, erschöpften Hochlandarmee, die im Moor bei Culloden auf ein weitaus größeres Heer kräftiger englischer Soldaten traf. Die Schlacht dauerte nur knapp anderthalb Stunden – neunzig Minuten, in denen etwas mehr als viertausend kaum ausgebildete Schotten mit unzureichenden Waffen und wenig Munition den britischen Truppen, bestehend aus siebzehntausend gedrillten Männern, gegenüber standen. Sechzehn Infanteriebataillone, zwölf Schwadrone Kavallerie, acht Kompanien Miliz, zehn Bataillone Artillerie. Weitere achttausend freiwillige Milizen aus den Lowlands mit Waffen, Kanonen und Munition, die gereicht hätten, halb England auszurotten, zogen siegessicher zum Culloden Moor. Die unwirtliche Gegend am Fuße des schottischen Hochlands war von den Rebellen für die letzte, alles entscheidende Schlacht um die Krone Englands gewählt worden – eine schlechte Wahl, wie der Tag zeigen sollte. Die britische Armee hatte am Ende fünfzig Tote zu beklagen, und auf jeden dieser Gefallenen kamen vierundzwanzig Rebellen. Jeder Schotte, der noch verwundet auf dem Schlachtfeld lag, wurde in den folgenden Stunden brutal niedergemetzelt, Gefangene wurden keine gemacht. Die Engländer gingen mit einer unvorstellbaren Grausamkeit zu Werke. Gleich am nächsten Tag wurden Truppen ausgesandt, um flüchtige Rebellen aufzugreifen. In den Augen der englischen Soldaten war jeder Schotte, gleichgültig, ob er sich am Aufstand beteiligt hatte oder nicht, ein Verräter. Die Männer machten auch vor Frauen und Kindern nicht halt. Binnen weniger Wochen war der weiche Boden des Hochlands vom Blut tausender Schotten getränkt.

      Die Schotten, die das Massaker СКАЧАТЬ