Tatort Bodensee: Der Fall Winterbergs. Martin Oesch
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Название: Tatort Bodensee: Der Fall Winterbergs

Автор: Martin Oesch

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839268148

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СКАЧАТЬ wie viel Arbeit das alles gibt. Zum Glück habe ich einen guten Hausgeist, der hier für Ordnung sorgt.«

      »Und die vielen Bilder«, versuchte Amélie Cohen die Diskussion wieder auf heimischeres Terrain zu führen.

      »Ja, die Bilder. Eine Familientradition. Genau. Deswegen sind Sie ja eigentlich hier …«

      Von der Wand her schien der Hausherr den Dialog zwischen Amélie Cohen und Christina Winterberg aufmerksam zu verfolgen. Das Porträt war anlässlich seines 70. Geburtstags gefertigt worden: Stolz schaute er den Betrachter mit sicherem Blick an, die silbergraue Mähne unter einem Stetson gebändigt, buschige Augenbrauen, die stahlblauen, wenn auch etwas kalten Augen, das Grübchen am Kinn, hohe Wangenknochen, die breite Stirn. Ein attraktiver Mann, auch im Alter. »Natürlich kommt ein Porträt von ihm selber nicht infrage. Das wäre ihm zu protzig«, ergänzte Cohen.

      So bescheiden kenn ich ihn gar nicht, dachte Christina Winterberg und sagte: »Natürlich. Das wäre überhaupt nicht sein Stil.«

      Die beiden Frauen stiegen drei Stockwerke hoch und betraten ein Zimmer mit wunderbarem Ausblick auf den See. Offensichtlich wurde der Raum schon seit Jahren nicht mehr bewohnt. Die Möbelstücke waren mit weißen Leintüchern abgedeckt und auf dem Bett lag eine nackte Matratze. »Das ehemalige Zimmer von Winterbergs Sohn. Aus erster Ehe«, bemerkte Christina Winterberg ohne weitere Erklärungen. Und Amélie Cohen fragte nicht nach. Robert hatte nie einen Sohn erwähnt. Wie er überhaupt sehr sparsam mit Auskünften über sein Familienleben war. Jedenfalls sah das Zimmer nicht so aus, als ob sein Bewohner vor Kurzem noch hier gewohnt hätte oder demnächst gedachte zurückzukehren.

      »Vielleicht ist hier etwas, was in die Ausstellung passt.« Die Hausherrin zeigte in eine Ecke, wo einige Bilder mit der bemalten Fläche zur Wand standen, damit sie vom Tageslicht keinen Schaden nahmen. »Es sind Bilder, die jahrelang im Estrich lagerten. Ich hoffe, sie haben nicht gelitten durch die unsachgemäße Lagerung.« Christina Winterberg setzte sich auf die Matratze, von wo augenblicklich eine Handvoll Motten aufstoben und scheinbar ziellos ein neues Versteck suchten. »Ich glaube, unser guter Hausgeist war hier schon lange nicht mehr«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihrem Gast.

      »Sie erlauben?« Amélie Cohen zupfte ein paar weiße Handschuhe aus ihrer Handtasche, schlüpfte mit ihren schlanken Fingern hinein und machte sich wortlos an die Durchsicht der Gemälde. Eine Prozedur, die mehrere Minuten dauerte. Ein Bild betrachtete sie dabei deutlich länger als die anderen. Etwas schien sie zu faszinieren. Vorsichtig fuhr sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die Oberfläche, hielt einen Moment inne und wiederholte die Bewegung. Fasziniert betrachtete Christina Winterberg ihren Gast, der ganz versunken schien. Sie wünschte sich insgeheim eine ähnliche Passion für sich selbst. Schließlich meinte Amélie Cohen bestimmt: »Ja, ich glaube, da haben wir ein Werk, das ganz wunderbar in die Ausstellung passt.«

      Tödliche Kunst

      Am Tag nach dem Mord: 11. Januar 2019

      »Die Familie Winterberg 1944«, sagte Niedermann und deutete auf den leeren Rahmen. »Jemand hat das Bild aus dem Rahmen geschnitten. Sehr grob!« Der Direktor schien körperliche Qualen zu leiden beim Gedanken, dass der Täter mit einem Messer die Leinwand verletzt hatte.

      »Ein Kunstraub also?« Hutter kannte sich nur mit Bildern von Tatorten aus und nicht mit solchen, die an Wänden hingen. »Käumlich«, entgegnete der Fachmann mit Blick auf den goldenen Rahmen, der ohne Bild jämmerlich protzig aussah. »Stammt aus Privatbesitz. Die Familie Winterberg. Sie verstehen?« Hutter verstand. Robert Winterberg war eine der schillerndsten Figuren auf der Schweizer Seite des Bodensees: Besitzer der gleichnamigen Brauerei, Präsident und großzügiger Sponsor des FC Kreuzlingen, der dank Winterbergs Zuschüssen knapp vor dem Aufstieg in die zweithöchste Fußball-Liga stand. Zusätzlichen Glanz verlieh ihm Christina Winterberg, seine zweite Frau, ein ehemaliges Fotomodell, die mehr aus Langeweile denn aus Überzeugung seit Jahren als Mäzenin verschiedener karitativer Einrichtungen wirkte. Ansonsten, wie es in ihrer alten Heimat hieß: Bella Figura.

      »Eigentlich völlig wertlos, außer für die Familie selber, aus sentimentalen Gründen«, erklärte Niedermann.

      »Ja aber warum stiehlt denn einer so was?« Hutter kratzte sich an der freien Stelle am Hinterkopf, deren Ausbreitung auch diverse Haarwuchsmittel nicht aufhalten konnten.

      Darauf hatte der Museumsdirektor eine kreative Antwort: »Bestimmt nicht wegen des Werts des Bildes. Aber vielleicht als Packmaterial? Denn das zweite Exponat, das fehlt, ist ungleich wertvoller, um nicht zu sagen unbezahlbar.« Hutter fragte nicht nach. Er wartete, bis Niedermann von sich aus mit der Sprache rausrückte. »Ein Giacometti!« Der Museumsdirektor war sichtlich fassungslos: »Ein Riesenschaden. Unermesslich.«

      Hutter tippte umständlich den Namen in sein iPad. Block und Bleistift waren ihm eigentlich sympathischer, aber er wollte vor den jungen Kollegen nicht als Ewiggestriger dastehen. »Vorname?«

      »Ueli.«

      »U-e-l-i G-i-a-c-o-m-e-t-t-i«, haute Hutter im Ein-Finger-System grob die Buchstaben ins Gerät.

      »Neinein. Alberto! Alberto Giacometti«, korrigierte Niedermann. »Ich heiße Ueli.«

      Hutter murrte vor sich hin. »Also Alberto. War der Italiener? Irgendwas mit Jesuskind?«

      Niedermann blieb einen Moment sprachlos in Anbetracht von so viel Kunstignoranz. »Der war Schweizer, Herr Kommissar! Bündner, um genau zu sein. Ein Giacometti ist Millionen wert. Mindestens.« Niedermann riss die Augen weit auf, um die Aussage zusätzlich zu illustrieren. »Das Exponat hier war eine Büste aus Bronze.« Bronze? Gibt’s doch für einen dritten Platz, dachte Hutter, behielt es aber klugerweise für sich. »Also wurde das wertvolle Stück Metall möglicherweise in die Leinwand eingewickelt, um es beim Abtransport nicht zu beschädigen«, sagte der Direktor.

      »Hmm. Das klingt logisch«, sagte Hutter, der seinen Sinn für Ordnung befriedigt sah.

      Während die beiden Männer vor dem leeren Sockel und dem leeren Bilderrahmen standen, wurde die Leiche von Amélie Cohen fachmännisch entfernt. Niedermann wechselte deshalb das Thema: »Weiß man schon, wie? Weshalb?« Hutter schien mit den Gedanken wieder ganz woanders zu sein. »Die Frau Cohen! Amélie …«

      »Ach so. Erschlagen, so wie’s aussieht. Von hinten auf den Kopf. Mit etwas Hartem. Vermutlich einem Stück Metall.« Nun wich die letzte Farbe aus Niedermanns Gesicht. Er schwankte zu einer der Bänke, die für Besucher bereitstanden, und setzte sich. Die Vorstellung war definitiv zu viel für ihn. »Ein Giacometti als Mordwaffe?«

      Hier regiert der König

      Acht Monate zuvor: 11. Mai 2018

      Sanft schlugen die Wellen ans Ufer des Bodensees. Amélie Cohen und Robert Winterberg saßen in der Abendsonne auf der Terrasse des Restaurants Seehof. Beide stocherten lustlos im Fisch-Risotto. »Und wenn ich nicht bezahle?« Winterberg ließ seinen Blick unverfänglich über den See wandern.

      »Das wäre sehr, sehr schade, aber kein Weltuntergang.« Amélie Cohen schaute Winterberg bestimmt in die Augen. »Dann sagen wir es ab. Dann muss der Niedermann halt was improvisieren.«

      »Wie wär’s mit: ›Sonnenuntergänge im Wandel der Zeit‹?« Winterberg pickte die Fischstückchen heraus, Cohen schien es eher auf einzelne Reiskörner abgesehen zu haben. »Das ist viel Geld, auch für mich.« Nun fixierte Winterberg den Blick seines Gegenübers.

      »Ich bitte Sie, Herr Winterberg.« Amélie versuchte СКАЧАТЬ