Schwarzer Regen Rotes Blut. Leonhard Michael Seidl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schwarzer Regen Rotes Blut - Leonhard Michael Seidl страница 6

Название: Schwarzer Regen Rotes Blut

Автор: Leonhard Michael Seidl

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839267967

isbn:

СКАЧАТЬ kenn jeden Fleck im Wald, jeden Steig und jede Hütte hinüber nach Rabenstein und hinauf bis zum Hennerkobel.«

      »Sie sind kein Polizist, Josef. Und kurzsichtig noch dazu. Das geht nicht.«

      »Wo doch die Polizei keine Männer hat wegen dem Krieg.«

      »Ich verstehe, was Sie meinen, Josef. Aber so einfach ist das nicht. Sie haben keinerlei Ausbildung.«

      »Wenn Sie mich mitnehmen, Herr Kommissär, lerne ich alles ganz schnell.«

      »Stellen Sie sich vor, Ihnen stößt etwas zu. Das kann ich keinesfalls verantworten.«

      »Ich kann gut auf mich selber aufpassen.«

      »Vielleicht.«

      »Danke, Herr Kommissär.«

      »Was werden Sie jetzt tun, Josef?«

      »Ich geh zum Staubwasser. Ich kann im Rossstall schlafen. Da geht es mir gut. Daran glaub ich ganz fest.«

      »Von mir aus. Bedenken Sie aber, dass Sie Tatzeuge sind. Sperren Sie Augen und Ohren auf. Michael Dorn ist noch nicht gefasst.«

      »Ich geb Obacht, Herr Kommissär.«

      »Wie Sie meinen. Und damit bis morgen, Herr Schnaitz. Seien Sie pünktlich um neun Uhr hier.«

      »Jawoll, Herr Kommissär. Um neun Uhr. Auf Wiedersehen, Herr Kommissär Klemm.«

      Während Klemm sich daranmachte, das Protokoll zu fertigen, dachte er über den jungen Mann nach, der Zeuge dieses furchtbaren Verbrechens geworden war. Josef Schnaitz wirkte wesentlich jünger als dreißig Jahre. Ein gut aussehender Bursche mit dunklem, gelocktem Haar, das bis zur Schulter reichte. Klemm konnte sich gut vorstellen, dass Josef durchaus in der Lage war, einem Mädchen das Herz zu brechen. Wäre da nicht der unstete Blick und das fehlende Selbstbewusstsein gewesen, das diesen Eindruck wieder zunichtemachte. Der Junge war in sich zerrissen, wirkte unzufrieden und unruhig. Aber vielleicht lag das nur an dem erlittenen Leid um die geliebte Elise.

      Klemm seufzte.

      Zunächst galt es, die alte Schreibmaschine aus Wehrmachtsbeständen in Betrieb zu nehmen. Das Gerät stammte aus dem Jahr 1935, hatte Reisen nach Frankreich, Belgien, Polen und vielleicht sogar nach Russland mitgemacht und war nun im Dörfchen Schachtenstein auf Klemms Schreibtisch gelandet. In seinem provisorischen Büro im Gasthof Stormberger hier im Zwieseler Winkel wartete das Vorkriegsmodell nun darauf, dass auf ihr das Protokoll des Massakers an der Familie Pfanzelt amtlich verfasst wurde.

      Leo Klemm seufzte. Dies war ein Teil seiner Arbeit, den er hasste; nicht, weil er mit einer Schreibmaschine nicht umgehen konnte oder ihm die Schreibtischarbeit zu anstrengend gewesen wäre, sondern weil er in Polen die linke Hand gelassen hatte. Er musste jeden Buchstaben mühsam mit dem Zeigefinger der rechten Hand suchen und einzeln tippen. Für ein umfangreiches Protokoll oder ein offizielles Schreiben an die vorgesetzte Behörde verbrachte er Stunden vor dem altertümlichen Gerät.

      Der Kommissär besaß eine hölzerne Handprothese, die er an den Unterarm schnallen konnte. Sie half zwar beim Radfahren, aber nicht beim Tippen. Zusätzlich hatte ihm ein geschickter Werkzeugmacher eine eiserne Spitze gebaut, die sich am Armstumpf befestigen ließ und die Klemm bei Gefahr als Waffe nutzen konnte. Im Augenblick lag sie wohlverwahrt in einem speziellen Futteral unter dem Bett.

      Klemm stammte aus München. Die Wirren des Krieges hatten ihn über Frankreich, Belgien, Russland und Polen zurück in seine Heimatstadt und anschließend in diesen verwunschenen Winkel des Bayerischen Waldes geführt. Am neunundzwanzigsten April war er dreißig Jahre alt geworden. Seit acht Monaten versah er nun seinen Dienst in der Polizeistation Zwiesel. Er hatte sich an die Eigenheiten der Menschen gewöhnt. Auch wenn ihre Sprache noch immer seltsam in seinen Ohren klang; manches konnte er gut verstehen, anderes, wie bestimmte Bräuche und Rituale, blieben ihm, dem Mann aus der Großstadt, fremd.

      Klemm hatte einfach beschlossen, sich an das alte Münchner Sprichwort zu halten, das ihn bisher einigermaßen gut durchs Leben gebracht hatte: »Es is, wie’s is.« Er tickte noch immer münchnerisch.

      Klemm war nicht überrascht, sich hier in der Provinz einzufinden. In Schachtenstein war verhältnismäßig wenig zu Bruch gegangen.

      Zunächst war die 3. US-Armee unter General George Patton Anfang April 1945 über Grafenwöhr, Weiden und Cham in den Bayerischen Wald vorgerückt.

      Am dreiundzwanzigsten April querten die Amerikaner den Regen und marschierten die alte Ostmarkstraße entlang. Insbesondere die Skoda-Werke in Pilsen waren eine wichtige Rüstungsschmiede der Nazis gewesen. Im Zuge dieser Maßnahme waren amerikanische Kampfverbände bereits am zwanzigsten April 1945 über Zwiesel hergefallen. Das alles war nur ein paar Tage her, und die Wunden in Zwiesel waren noch nicht verheilt.

      Schachtenstein wirkte an diesem heutigen Tage nur deshalb wie ausgestorben, weil viele Männer im wehrfähigen Alter und darüber hinaus in Kriegsgefangenschaft geraten oder im Felde vermisst waren. Die Äcker lagen brach, die Arbeit im Stall ruhte. Die Öfen der Glashütten waren seit Langem erkaltet.

      Frauen und Kinder prägten das Ortsbild. Mühsam versuchten sie den Alltag zu gestalten. Der Kramerladen hatte wieder geöffnet. Es gab Brot und Milch, falschen Kaffee und selbst gestrickte Socken. Wer anderes wollte, musste nach Zwiesel fahren oder, wenn er es schaffte, bis nach Passau reisen.

      Der Gasthof Stormberger war ein aus der Zeit gefallenes, breit hingelagertes Gebäude mit umlaufendem Balkon im ersten Stockwerk, der bald mit roten und weißen Geranien bestückt werden sollte. Früher einmal hatte er den Stolz seiner Besitzer bedeutet. Heute aber, nach mehrmaligem Eigentümerwechsel, bedurfte die Fassade, wie auch Fenster und Türen, dringend der Renovierung.

      Die acht Zimmer waren abgewohnt gewesen; die Betten durchgelegen. Die Schränke hatten nach Moder und Mausdreck gerochen, und die Fenster waren ohne Gardinen.

      Der jetzige Besitzer Eugen Pretzlaff war im Winter 1944 aus Wien gekommen, mit nur einem Koffer in der Hand, und hatte zunächst im Anbau eine Bleibe gefunden. In den folgenden Monaten hatte er jeden Raum im Haus gereinigt, kaputtes Mobiliar, so gut es ging, repariert und aus Stoffresten händisch Gardinen genäht. Schließlich war am ersten Mai ein Schild an der Tür gelehnt, worauf geschrieben stand, dass es ab heute Bier und kleine Speisen zu vernünftigen Preisen geben würde.

      Auf einer Tafel aus Lindenholz, die über der breiten Eingangstür hing, stand der Spruch:

      Rede wenig, rede wahr, trinke mäßig, zahle bar.

      Woher Pretzlaff, der zwar gut kochte, aber wenig redete, die Mittel dazu hatte, wurde nie bekannt. Jedenfalls war der kleine Saal im Obergeschoss, wo früher Theater gespielt worden war, am Abend der Eröffnung brechend voll gewesen. Es wurde gelacht, gehandelt und gesoffen, als hätte es nie einen Krieg gegeben.

      In der großen Gaststube vom Stormberger hatte sich schon bald ein Stammtisch eingefunden, der unbedingt Friedensstimmung verbreiten wollte und sich bis zur Bewusstlosigkeit dem Kartenspiel ergab. Eine Handvoll Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg hockte hier bei einer Maß zusammen und erklärte, warum der Krieg verloren gegangen war. Dass die Niederlage vor allem ein Akt der Befreiung von der braunen Barbarei gewesen war, darauf kamen sie nicht. Ein paar Buben hatten sich dazugesellt, am Bier genippt und den Geschichten gelauscht, die die Alten erzählten. Später dann, nach der fünften Maß, erklang aus rauer Kehle nicht immer stimmsicher die bodenständige Weise von der seligen Kinderzeit im Böhmerwald, СКАЧАТЬ