Название: Mein
Автор: Lilly Grünberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783945163696
isbn:
Eigentlich stand Maureen gerne hinter der Theke und ging auf Gespräche mit Stammkunden ein, von denen sie häufig die gesamte Kranken- und Lebensgeschichte kannte. Wie früher ihr Vater, von dem sie vor zwei Jahren die Apotheke übernommen hatte, ging sie mit Leib und Seele in ihrem Beruf auf. Heute jedoch hatte sie sich freundlich aber bestimmt bei jedem kurz fassen müssen, um den Ansturm zu bewältigen.
Sich in den Bademantel zu wickeln, der verlockend an einem Haken neben der Tür hing, und sich mit einer Tasse Tee gemütlich auf das Sofa im Wohnzimmer zu lümmeln, wäre jetzt toll. Allerdings sollte sie sich endlich Gedanken darüber machen, was sie anziehen wollte. Zeit wäre genügend gewesen, sich das rechtzeitig zu überlegen, aber noch weigerte sich ihr Verstand zu akzeptieren.
Zuerst hatte Maureen die Idee für einen Scherz ihrer Freundinnen Denise, Becky und Ilona gehalten, als diese verkündeten, sie hätten Maureen bei einem Partnervermittlungsbüro angemeldet. Nette Anregung, hatte sie lachend erwidert. Aber nichts für mich. Ich komme auch ohne Mann klar.
Das stimmte nicht ganz. Nach nichts sehnte Maureen sich mehr, als nach einem liebevollen und zuverlässigen Partner, mit dem sie ihre Abende und Wochenenden verbringen könnte. Leider war Peter weder das eine noch das andere gewesen. Warum Maureen fünf Jahre gebraucht hatte, diesen Irrtum zu erkennen, wusste sie bis heute nicht. Seither hatte sie Angst vor einer weiteren Enttäuschung und verstand nicht, wie locker ihre Freundinnen über Trennungen hinweg kamen und sich in einer neuen Liebe verloren.
Beim nächsten Mal muss es der Richtige sein.
Ihre Freundinnen betitelten sie als naiv und vom anderen Stern, was Männer betraf. Maureen aber hielt unerschütterlich an ihrem Vorsatz fest. Wenn er ihr gegenüber stand, würde sie ihn erkennen, ihren Traummann. Wie dieser aussehen sollte, hatte sie nicht festgelegt. Äußerlichkeiten waren nebensächlich, solange der Kerl nicht ungepflegt oder verpickelt aussah. Nett, humorvoll und intelligent sollte er sein. Allerdings kein Akademiker. Peter war angehender Arzt gewesen und hatte ihr häufig das Gefühl gegeben, sie wäre ihm an Bildung unterlegen, obwohl sie selbst studiert hatte. Vermutlich hatte er eben genau das nie akzeptiert, dass sie ihm ebenbürtig war. Ein Makel, der auf viele Männer zutraf.
Die Verantwortung für Apotheke und Angestellte trug sie gerne. Dennoch wäre ihr für zuhause eine Schulter zum Anlehnen ganz recht. Es sollte einfach jemand Liebenswertes sein, dem sie nichts beweisen musste und der auch kein Problem mit ihrer Selbstständigkeit hatte. Am liebsten so eine Art knuffiger Teddybär in Menschengestalt.
Ihre Freundinnen ahnten nichts von Maureens Prioritäten und hatten den Fragebogen zur Partnervermittlung akribisch, und wie sie glaubten, korrekt ausgefüllt. Als Maureen ihr LogIn erhielt und sich in Gesellschaft der drei zum ersten Mal auf die Website von MyHeart einloggte, wurde ihr schlagartig klar, dass ihre Daten und ihr Foto tatsächlich von potentiellen Partnern gesichtet werden konnten.
»Ihr meint das also wirklich ernst?«, hatte sie schockiert hervor gestoßen. »Ich soll mir via Internet einen Mann suchen?«
»Ja, klar. Was glaubst du denn«, lachte Denise. »Wir können doch nicht zulassen, dass du ein Mauerblümchen wirst.«
»Für dich beginnt jetzt eine aufregende Zeit«, ergänzte Ilona mit leuchtenden Augen, als wäre sie selbst ganz wild darauf, in diese Welt einzutauchen.
Ganz im Gegensatz zu Maureen. Zugegeben, es war interessant, in den Datenblättern zu stöbern, und manche Männer sahen auf dem hinterlegten Foto attraktiv aus. Vergeblich versuchte Denise ihre Freundin zu überreden, dem einen oder anderen eine E-Mail zu schicken, um sich mit diesem zu verabreden. Fehlanzeige.
»Weißt du, bei einer seriösen Partnervermittlung treffen die eine Vorauswahl und schicken dir das per Post zu«, behauptete Maureen, die das mal irgendwann irgendwo gelesen hatte.
Becky verdrehte die Augen. »Hey, du lebst völlig hinterm Mond. Wir haben absichtlich diese Plattform gewählt, damit du selbst die freie Wahl hast. Sei spontan und lass dein Herz entscheiden.«
Maureen sah das anders. Woher sollte sie wissen, dass Foto und Informationen der Wahrheit entsprachen? Nirgends wurde so viel gelogen wie in sozialen Netzwerken, oder etwa nicht? Nein, sie hatte keine Lust zum Ausprobieren, auch wenn es sie nichts kostete. Denn die Freundinnen hatten zusammengelegt und Maureen diese Mitgliedschaft zu ihrem dreißigsten Geburtstag geschenkt. Ein ganzes Jahr lang durfte sie in dem Partnerschaftsportal surfen und Kontakte knüpfen. Wenn das Schicksal es wollte, würde ihr dabei der Mann fürs Leben begegnen.
Und dann kam der Tag, an dem Maureen tatsächlich ein Foto entdeckte, das ihr Herz höher schlagen ließ. Das Foto eines sympathisch lächelnden Mannes erschien auf ihrem Bildschirm. Ein sommersprossiges, rundliches Gesicht mit Stupsnase, leichten Bartstoppeln und moosgrünen Augen, die kurz geschnittenen naturblonden Haare verstrubbelt. Alles andere als ein typisches Bewerbungsfoto und genau betrachtet, der völlige Antityp. Aber hier beschönigte jemand endlich mal nicht, wie er wirklich war. Und das gefiel ihr.
Fast eine Stunde saß Maureen vor dem Bildschirm, las sich das Profil mehrmals durch und betrachtete jedes Detail seines Gesichts. War dieser Mann authentisch? Oder war das einfach nur eine andere Masche, sich so locker, so unverkrampft – so normal zu geben?
Mit zusammengekniffenen Lippen legte sie ihre Finger auf die Tasten. Sie würde es wagen und es herausfinden …
3
Seine verzweifelte Hoffnung, dass die offensichtlich schwer verletzte Person bald mit dem Hubschrauber abtransportiert und die Autobahn wieder freigegeben würde, schwand nach einem Telefonat. Die aktuellsten Informationen hatten stets seine Kollegen in der Einsatzzentrale parat, die in engem Kontakt mit der Autobahnpolizei standen. Ein Schwerlaster war ins Schleudern geraten, hatte mehrere Autos gerammt, Ladung hatte sich auf der Fahrbahn verteilt, Öl und Benzin waren ausgelaufen. Das volle Programm. Im Augenblick war die Feuerwehr damit beschäftigt, den Fahrer, mehr tot als lebendig, aus dem Führerhaus zu schneiden. Die Arbeit wurde mit einsetzender Dämmerung nicht einfacher.
Wenn es nicht so verdammt kindisch und unmännlich wäre, hätte Linus vor Verzweiflung am liebsten geheult. Warum? Warum nur machte es ihm das Schicksal so schwer? Warum verhinderte es die Erfüllung seines Horoskops? Sein Kopf sank für einige Minuten nach vorne, seine Hände umklammerten das Lenkrad und er schloss die Augen, um sich zu beruhigen und besser nachdenken zu können.
Als der rettende Gedanke sich in seinem Kopf formulierte, brach ihm Schweiß in Handflächen und Rücken aus. Für einen kurzen Augenblick stand sein Körper in Flammen und sein Herz raste wie verrückt. Ruckartig setzte er sich wieder auf.
Es gab vielleicht einen Ausweg, die Situation zu retten! Zwar war dieser Plan ein wenig absurd, aber je mehr er darüber nachdachte, desto konkretere Formen nahm dieser an. Warum eigentlich nicht? Genaugenommen war das sogar eine überaus brillante Idee, bei der nichts schiefgehen konnte. Na ja, fast nichts, außer sich bis auf die Knochen zu blamieren, aber dieses Risiko musste er eingehen. Es war immer noch besser, als seine Herzdame völlig zu versetzen und dem vorzeitigen Aus tatenlos entgegen zu sehen.
Inzwischen СКАЧАТЬ