Der Unterhändler der Hanse. Thomas Prinz
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Название: Der Unterhändler der Hanse

Автор: Thomas Prinz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935146

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      KAPITEL 2 • LÜBECK, FEBRUAR 1370

      »Schachmatt!« Pietro nahm einen tiefen Schluck Wein aus seinem Becher, während Reinekin Kelmer die Bernsteinfigur mit dem Kreuz umkippte.

      »Weißt du, früher habe ich mich gefühlt wie ein König, wenn ich gegen dich gewonnen hatte – es kam selten genug vor. Heute denke ich, was spielt er da für einen Mist. Non è vero, come un stupido.«

      »Morgen ist es ein Jahr.«

      »Lo so. Ich weiß. Deshalb bin ich hier, weil ich dich nicht alleine lassen möchte.« Pietro schenkte sich italienischen Rotwein in seinen Messingbecher.

      »Vielleicht ist es besser, wenn ich alleine bin.«

      »Reinekin, du bist schwermütig wie dieses Land. Trink noch einen Becher mit mir, dann wirst du dich leichter fühlen. Dieser Wein schmeckt nach der Erde des Veneto. Er bringt Sonne in dein Herz.« Pietro nahm die noch gut gefüllte Kanne und goss seinem Freund den Becher voll. Sie saßen in der Diele von Reinekin Kelmers Haus am Kohlmarkt. Der einäugige Claas legte zwei dicke Holzscheite in den Kamin und schürte das Feuer.

      »Kannst du dich noch an den Abend erinnern, an dem du diesen Wein zum ersten Mal probiert hast? Wahrscheinlich nicht, denn du warst so betrunken, dass Niccolò und ich dich nach Hause tragen mussten. Und Messer Ammaniti hätte mir fast den Kopf abgerissen.«

      »Du solltest auf mich aufpassen. Stattdessen hat es dir gefallen, einen sechzehnjährigen Jüngling, der zuvor noch nie einen Fuß aus seiner Heimatstadt gesetzt hatte, schamlos abzufüllen.« »Stimmt. Wir haben uns köstlich amüsiert, weil du den Wein gesoffen hast, als sei es euer deutsches Dünnbier.«

      »Ich war zwei Tage krank.«

      »Beschwer dich nicht, schließlich hat der Wein dich reich gemacht.«

      »Ja, der Wein hat mir Glück gebracht.« Reinekin nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher und dachte an das Frühjahr des Jahres 1358 zurück, als er sich nach dem Ende seiner Lehrzeit bei Messer Ammaniti mit sechs Fuhrwerken voller Weinfässer über die Alpen und quer durch Deutschland gequält hatte. In Frankfurt und Köln hatten die reichen Kaufleute und Ratsherren noch gezögert, des hohen Preises wegen und weil man nur den billigen deutschen Wein kannte und den französischen. Als er nach Lüneburg und Hamburg kam, war ihm der Ruf seines Weines schon vorausgeeilt, und die Fässer wurden ihm vom Wagen gerissen, ohne dass die reichen Käufer die Köstlichkeit vorher auch nur probierten. Jeder wollte etwas von dem besonderen Wein abhaben, und der Preis spielte keine Rolle. Mit dem letzten Wagen war er in Lübeck angekommen. Auch hier hatte sich die bevorstehende Ankunft dieser Rarität schon herumgesprochen. Reinekin wurde in das Haus des Bürgermeisters gebeten. Und während Balthasar Grevenrode den Wein probierte und sich nach dem Preis erkundigte, war sie hereingekommen.

      »Soll ich später wiederkommen?«, hatte sie höflich gefragt.

      »Nein, setz dich zu uns. Ich stelle dir Reinekin Kelmer vor, einen Kaufmann aus Frankfurt, oder sollte ich besser sagen: aus Venedig.«

      Während Reinekin auf die junge Frau starrte, sagte Balthasar Grevenrode: »Meine Tochter hilft mir bei den Geschäften. Sie ist talentiert. Ich habe keine Söhne. Nur dieses eine Kind, und da blieb mir nichts anderes übrig, als einen Kaufmann aus ihr zu machen.« Grevenrode lachte laut, und seine Tochter blickte verlegen zu Boden. Sie war eine Schönheit, groß und schlank, mit braunen Locken, die sich nicht mit Haarnadeln bändigen ließen. Sie berichtete von einem Schiff, das aus Brügge eingelaufen sei, und dass die Preise für Pelze in ganz Flandern gefallen seien und man deshalb die Kogge aus Nowgorod besser nach England schicke.

      »Aber wir brauchen die Tuche aus Brügge«, hatte Grevenrode eingewandt und sie hatte ihm vorgerechnet, dass er an die dreißig lübische Mark mehr gewinnen würde, wenn die Kogge London anlaufen würde, um dort die Pelze zu verkaufen, und dann mit englischer Wolle nach Brügge fahre und von dort die Tuche mitbringe. Balthasar Grevenrode hatte lächelnd genickt. Dann hatte er Reinekin die Fuhre Wein abgekauft.

      »Kommt morgen zum Abendessen, Reinekin, und erzählt uns von Italien.«

      Reinekin hatte die Einladung gerne angenommen, diese und noch viele andere bis zu seiner Abreise nach Frankfurt. Schon damals wusste er, dass seine Zukunft nicht in Frankfurt oder Italien lag, wie es sein Vater geplant hatte, sondern in Lübeck.

      »Kommst du wieder, Reinekin?«, hatte Johanna gefragt.

      »Ja«, hatte er geantwortet und sie zum ersten Mal geküsst.

      Im nächsten Jahr hatte er noch einmal die beschwerliche Reise vom Mittelmeer an die Ostsee auf sich genommen, doch diesmal war er in Lübeck geblieben, hatte sich die Bürgerschaft der Stadt gekauft und das Haus eines Kaufmanns, der auf der Ostsee mit Schiff und Waren untergegangen und dessen Besitz mangels Erben an die Stadt gefallen war. Im Jahr darauf hatte er Johanna Grevenrode, die Tochter des Bürgermeisters, geheiratet.

      »Der Wein hat mir wahrlich Glück gebracht.«

      Die Haustür flog auf und riss Reinekin aus seinen Erinnerungen. Jan und Geseke schossen herein. Sie schleuderten die hölzernen Trippen in eine Ecke und stürzten auf Reinekin und Pietro zu.

      »Papa, Pietro, schaut euch das an: ein Pferd.« Der achtjährige Jan hielt Reinekin eine Holzfigur vor die Nase.

      »Und eine Puppe«, ergänzte seine Tochter, die ein Jahr jünger als ihr Bruder war. »Sogar mit Haaren. Mit richtigen Haaren.«

      »Nein, das stimmt gar nicht. Das sind Pferdehaare, frag Opa.«

      Balthasar Grevenrode tauchte in der Tür auf.

      »Richtige Pferdehaare«, sagte er, trat in die Diele, schloss die Tür hinter sich und schüttelte sich vor Kälte.

      »Papa, das schenken wir morgen der kleinen Johanna zum Geburtstag, und Opa hat mir versprochen, dass ich auch so eine Puppe kriege.«

      »Los, komm in die Kemenate, wir zeigen es Sarah.«

      »Seid bitte leise, Johanna schläft«, rief Reinekin ihnen nach, aber da waren sie schon im Hinterhaus verschwunden.

      »Setz dich, Balthasar. Wie kommt es, dass der Bürgermeister persönlich die Kinder bringt?«

      »Sie müssen ins Bett. Es hat schon zur Nacht geläutet. Und …«, Grevenrode zögerte und schaute die beiden Männer an, »… ich muss mit dir reden.«

      »Va bene, signori, ich wollte ohnehin gerade aufbrechen.«

      »Nein, bleib da. Es ist möglich, dass es auch dich betrifft«, sagte Grevenrode, nahm einen Becher von dem verzierten Messingtablett, das auf dem massiven Eichentisch stand, goss sich ein, trank, schaute Reinekin an und zog die Stirn in Falten. »Immer wenn du so schaust, gibt es Probleme. Was ist – ein Schiff verloren, eine Ladung gestohlen oder Ärger mit den Dänen?«

      »Ich glaube, es ist schlimmer. Vor sechs Wochen ist Heinrich Molteke ertrunken. Ich habe es gestern erfahren. Sie haben ihn tot aus dem Hafenbecken in Danzig gefischt – mit eingeschlagenem Schädel. Vor zwei Wochen ist Hermen Wackerowe, ein Bremer Ratsherr, in einem Wirtshaus in Hamburg tot zusammengebrochen. Er hatte Schaum vorm Mund und ist unter qualvollen Krämpfen gestorben. Hermen war ein ehrenwerter Mann, ein verlässlicher Kaufmann und ein Freund. Man könnte meinen, dass es ein dummer Zufall war, dass Hermen und СКАЧАТЬ