Evas Geschichte. Eva Schloss
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Название: Evas Geschichte

Автор: Eva Schloss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783765571992

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СКАЧАТЬ mit mir glatt, damit es so aussah, als wäre das Bett nicht benützt worden.

      Wir schlichen uns ins Badezimmer und zwängten uns, so schnell wir konnten, durch die kleine Öffnung in die Toilette. Mit fliegenden Fingern schloss Mutti die Klappe. Es war stockdunkel und ich spürte, wie Mutti auf der Toilette saß und ihre Knie umklammert hielt. Voller Angst drückte ich mich an sie.

      Wir hörten die Soldatenstiefel die Treppen hochkommen. Ich drückte mich noch fester an Mutti und wagte kaum zu atmen. Mein Herz klopfte so laut, dass ich mir sicher war, sie konnten es hören.

      Plötzlich flog die Badezimmertüre auf und die Deutschen standen in dem kleinen Zimmer. Sie sprachen sehr laut miteinander. Nach einer Weile entfernten sich die Schritte wieder in Richtung Treppenhaus. Schließlich gaben sie anscheinend auf und wir hörten, wie die Haustür hinter ihnen ins Schloss knallte.

      Mutti zog meinen Kopf an ihr Gesicht. Ich spürte, wie ihr vor Erleichterung die Tränen herunterliefen. Wenn die Nazis nur zwei Stunden früher gekommen wären, hätten sie uns sicher gefunden. Gott im Himmel und unser Friese hatten über uns gewacht.

      3. Das Versteck

      16. Mai 1943:

       Ende des Widerstands im Warschauer Getto

      Von dem Tag an, als ich mit Mutti in unserem Versteck lebte, erschien mir die Welt überschaubar und sicher. Ich war jeden Tag von früh bis spät mit Mutti zusammen. Ich erinnere mich, wie zärtlich und liebevoll sie mich umsorgte. Während der zwei Jahre in unserem Versteck in der Dachkammer unterrichtete sie mich in Deutsch, Französisch, Geografie und Geschichte. Die Bücher hatte Frau Klompe besorgt. Ein- oder zweimal in der Woche kam Herr Broeksma und unterwies mich in Holländisch und Mathematik. Ich wollte wirklich so viel wie möglich lernen, aber im Unterschied zu Heinz war ich nicht so intelligent, und ich musste mir den Stoff jeweils hart erarbeiten. Schritt für Schritt kämpfte ich mich allein durch, und ich vermisste meine ehemaligen Schulkameraden schmerzlich. Manchmal lag ich auf meinem Bett und sehnte mich nach den alten Zeiten in unserem Wohnblock, in denen wir Nachmittage lang wie die Wilden auf unseren Fahrrädern herumgestreift waren.

      Ich warf mich verzweifelt auf meinem Bett hin und her und hätte doch am liebsten die Beine bis in den Himmel hinaufgeschleudert. Wo sollte ich hin mit meiner angestauten Energie? Ich tat mir richtig leid in meinem »Gefängnis«.

      Manchmal, aber wirklich nur sehr selten, wagten wir beide es, Papi und Heinz zu besuchen. Das waren die glücklichsten Tage. Die beiden hielten sich auf dem Land, in Soesdijk, versteckt. Mutti und ich riskierten viel, wenn wir sie besuchten, weil wir jedes Mal mit dem Zug dorthin fahren mussten. So seltsam es klingen mag – aus Angst, uns könnte jemand erkennen, wagten wir zwar nicht, in ein Geschäft in unserer Nähe einkaufen zu gehen, aber wegzufahren erschien uns weit weniger problematisch, da wir vorgaben, unser Besuch bei Frau Klompe sei nun beendet.

      Papis Gastwirtin, Frau de Bruin, erlaubte uns, übers Wochenende zu bleiben. Am Montagmorgen kehrten wir mit den Pendlern nach Amsterdam zurück. An diesen spärlich gesäten, wundervollen Freitagen verließen wir das Haus mit unseren Koffern und gingen zum Bahnhof. Es war ein merkwürdiges Gefühl, durch die Straßen zu laufen. Da wir zum Glück beide hellhäutig und blond waren, also aussahen wie jede andere holländische Mutter mit ihrer Tochter, konnten wir uns unerkannt in der Menge bewegen. Trotzdem war es äußerst riskant. Die ganze Zeit über hatten wir jedes Mal aufs Neue schreckliche Angst, besonders, wenn uns gelegentlich Polizisten oder Soldaten am Bahnhof kontrollierten und Mutti ihren gefälschten Ausweis vorzeigen musste. Da ich noch nicht sechzehn war, brauchte ich keinen Ausweis, aber die Geschichte zu meinem holländischen Namen musste ich auswendig wissen, falls mir jemand Fragen stellte, womit man immer rechnen musste. Zum Glück ist der Fall nie eingetreten; wahrscheinlich sah ich doch zu einheimisch aus, um Verdacht zu erregen.

      Die Züge waren jedes Mal voller Soldaten, und die SS machte gelegentlich Kontrollen während der Fahrt. Wir versuchten so unbesorgt wie möglich dreinzuschauen, während wir Schulter an Schulter mit unseren ärgsten Feinden standen. Die Fahrten waren von Anfang bis Ende qualvoll. Diese Qualen durchzustehen bedeutete jedoch ein Wiedersehen mit Papi und Heinz, und das war es uns wert.

      Nachdem wir uns in der Dachkammer von Frau de Bruin umarmt und begrüßt hatten, schlossen sich Papi und Mutti in einem kleinen Zimmer ein, um eine Weile allein zu sein. Heinz und ich tauschten inzwischen Neuigkeiten aus. Über Nacht schlief Mutti mit in Papis Zimmer, und ich lag auf einer Matratze auf dem Boden im Zimmer von Heinz. Im Dunklen schlich ich mich zu seinem Bett und kroch unter die Decke, um mit ihm zu kuscheln. Wir küssten einander und umarmten uns vor Freude, wieder zusammen zu sein. Unsere angestaute Energie und unsere erwachende Sexualität führten dazu, dass die Kuschelei und die Küsse uns immer mehr erregten. Wir begannen, einander zu streicheln und zu liebkosen. Wogen aufregender Liebe durchströmten mich. Verbotenes taten wir nicht. Ich erinnere mich, wie besorgt wir dennoch waren, dass unsere Eltern etwas davon erfahren könnten. Nichtsdestotrotz gaben wir aber unsere zärtlichen Tändeleien nicht auf, wir hatten nur einander. Wenn ich in meiner Dachkammer allein im Bett lag, weinte ich oft vor Sehnsucht nach Heinz. Ich vermisste ihn mehr als alles andere auf der Welt.

      Dauernd in einem Versteck leben zu müssen, das war für Papi eine besonders große Belastung. Er war zeit seines Lebens ein aktiver, dynamischer Geschäftsmann gewesen. Auch er musste einen Weg finden, seine Energie zu kanalisieren. Er fing an, Ölbilder zu malen – Landschaften und Orte, die er kannte. Jedes Mal, wenn Mutti ihn besuchte, musste sie ihm Modell sitzen. Dann begann er, zu unser aller Überraschung, Gedichte zu schreiben, und wir entdeckten Seiten an ihm, die wir bislang nicht gekannt hatten. Er war so kreativ und feinfühlig. Immer wenn er uns sein neuestes Werk vorlas, lächelte er scheu und ein bisschen verlegen. Schließlich waren wir sein einziges Publikum. Am meisten war Mutti über diese neue Seite seiner Persönlichkeit erstaunt.

      Heinz hatte eine Menge von Papis Veranlagung. Er war so begabt. Sein untrügliches Gefühl für Farben kam in seinen Bildern deutlich zum Tragen. Eines seiner Bilder zeigte ein kleines Kind, das auf dem Fußboden mit einer Spielzeugeisenbahn spielte; ein anderes ließ eine einsame Dachkammer erkennen, durch deren Fenster Sonnenstrahlen auf Spielsachen in einer Ecke fielen. Das eindrucksvollste Bild jedoch war ein Selbstbildnis, das ihn in seiner ganzen Verzweiflung zeigte: Im Vordergrund sitzt Heinz an einem Tisch, der Kopf auf die Arme niedergesunken, und im Hintergrund liegt ein Sterbender.

      Heinz war auch ein begabter Musiker, der selbst klassische Stücke komponierte. Und er schrieb beeindruckende Gedichte. Darüber hinaus war er ein brillanter Schüler. In der Zeit, die er mit Papi in dem Versteck auf dem Land lebte, brachte er sich selbst Italienisch bei. Bei einem unserer Besuche fragte er Mutti nach italienischen Romanen, die er lesen wollte. Er war so wissensdurstig und wollte die Zeit seiner »Gefangenschaft« nicht nutzlos verstreichen lassen.

      23. Oktober 1942:

       Schlacht von El Alamein; Rommel in Nordafrika geschlagen

      Jeden Abend um neun Uhr hörte Papi die Nachrichten der BBC. Deutlich habe ich noch die Erkennungsmelodie im Ohr, das Schicksalsmotiv aus Beethovens Fünfter – im Englischen »victory theme«, da die Tonfolge dem »V« im Morsealphabet entspricht; »V« stand für »victory«, das immer zu Beginn der Sendung gespielt wurde. Bei einem unserer ersten Besuche bei Papi hörten wir in den Nachrichten von Rommels Niederlage und fielen uns begeistert in die Arme. Der Krieg würde bald zu Ende sein.

      Unsere Eltern brachten uns Bridge bei. Wir spielten sehr oft, wenn wir abends gemütlich beieinandersaßen. Das Reizen machte mir anfangs noch Schwierigkeiten, aber ich hatte viel Glück mit meinen Karten. Ich war immer stolz, wenn ich mit Papi zusammenspielte, aber Heinz und ich waren doch das beste Team, besonders dann, wenn wir Papi und Mutti besiegten! Wir durften beim Spielen nur flüstern, da wir immer befürchten mussten, dass man uns entdeckte. Alles musste СКАЧАТЬ