Gegen die Spielregeln. Philea Baker
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Название: Gegen die Spielregeln

Автор: Philea Baker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Baker Street Bibliothek

isbn: 9783948483036

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СКАЧАТЬ Mit mir hätte er das nicht machen dürfen.«

      »Ach, Marly, tu nicht so. Dir hätte das doch gefallen!«

      »Nein, Julie. So etwas darfst du nicht sagen. Ich bin eine Dame.«

      »Aber ja doch. Wir sind alle Damen.« Gelächter.

      Sie blieb abrupt stehen. An den Waschbecken standen Mrs. Lovett, Mrs. Duprey und Mrs. Donut. Ihr eigenes Spiegelbild strahlte ihr zwischen beiden letzteren wie eine überreife Erdbeere entgegen. Das eben geführte Gespräch fand ein jähes Ende, als die Damen von ihr Notiz nahmen. Sie grüßte kurz und verschwand in einer der Kabinen. Gott, war sie rot! Das durfte einfach nicht wahr sein. Und über wen hatten die Damen wohl gesprochen? Sie hörte, wie eine Tür aufging.

      »Habt ihr diesen Mann gesehen? Diesen … Indianer?«

      »Das ist der Sohn von Helt Buchanan!«

      Es war die Stimme von Cynthia Bonham. Natürlich!

      »Mein Gott! Jetzt wissen wir, warum er nie etwas über seine Familie erzählt hat.«

      »Ich weiß nicht …«

      »Oh. Ich denke, das erklärt so einiges. Auch, warum er hier in London ein derart wildes Leben geführt hat. Ist ja kein Geheimnis. Wahrscheinlich hat er sich von ihr getrennt, weil er eingesehen hat, dass eine Verbindung mit einer Indianerin nicht gesellschaftstauglich ist.«

      »Aber die Zeiten ändern sich.« Das war wieder Cynthia Bonhams Stimme, sie klang zögerlich.

      »Cynthia. Indianer skalpieren Menschen. Im Häuten sind sie gut, sagt mein Mann.«

      »Ich finde eigentlich, dass er zivilisiert aussieht.«

      »Er muss sich anpassen. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig. Wie in England, so auf Erden.«

      Alessa spürte, wie der Zorn ihre Halsschlagader anschwellen ließ.

      »So etwas hat hier nichts zu suchen. So etwas gehört zurück zu seinesgleichen. Da hilft auch die beste englische Garderobe nichts. Als Mann hier mit einem Zopf aufzutreten, der bis zur Hüfte reicht, ist eine Provokation sondergleichen. Ich mache ja vielerlei Zugeständnisse bei diesem Ball, doch das geht entschieden zu weit. Aber was soll man da erwarten? Indianer denken nicht wie wir. Wenn sie überhaupt denken können. Sie sind primitiv wie Tiere. Leben von der Hand in den Mund. Sie sind ohne Reflexion, ohne Ziele, ohne Zukunft. Denn: Wenn es morgen keine Büffel mehr gibt, verhungern sie.«

      Alessa stieß die Tür mit einem Schlag auf. Wutentbrannt trat sie hinaus. Die Frauen starrten sie entgeistert an. Eigentlich hatte sie den Frauen das Schlimmste entgegenschleudern wollen, was sie jemals würde sagen können. Aber ihre Lippen waren wie versiegelt. Sie war in ihrem eigenen Körper gefangen. Nichts, rein gar nichts, brachte sie hervor. Sie stob einfach nur hinaus. Mit rasendem Herzen.

      Sie konnte sich überhaupt nicht beruhigen. Das Gehörte wollte nicht aus ihrem Kopf, nicht aus ihrem Herzen. Immer wieder fragte sie sich, warum sie nichts gesagt hatte. Wieso war sie völlig tatenlos, wortlos an den Frauen vorbeigegangen? Es fehlte ihr doch sonst nicht an Mumm, Dinge auszusprechen, die ihr am Herzen lagen. Ohne nachzudenken hatte sie sich ein Glas Champagner geholt und binnen weniger Sekunden leer getrunken. Und sich gefragt, was sie selbst über Indianer wusste. Herzlich wenig. Gar nichts, im Grunde genommen. Alles, was sie wusste, war, dass Ryon Buchanan es nicht verdient hatte, dass man so über ihn sprach. Schließlich entschloss sie sich, alle Gedanken zu diesem Thema beiseite zu schieben, denn das hier war ihr Abend. Auf den sie sich seit Monaten gefreut hatte. Zum Teufel mit Merryl Vaughn & Co.!

      Es war ein Glück, dass der weitere Abend, zumindest was das Tanzen betraf, nicht so verlief, wie er begonnen hatte. Die spanischen Offiziere erwiesen sich als überaus charmant und waren ausgezeichnete Tänzer. Sie flog mit ihnen regelrecht über die Tanzfläche und es gelang ihr sogar, ihre Gedanken auf John zu lenken. Das Orchester stimmte gerade ein langsames Stück an, als Alessa sich bei ihrem Tanzpartner entschuldigte, um ein wenig zu verschnaufen. Sie lehnte sich an eine der Säulen und betrachtete die Gäste, als ihr Blick an Ryon Buchanan hängen blieb. Er stand auf der gegenüberliegenden Seite des Saales bei Alexander Carlisle und diskutierte angeregt mit ihm. Wie gerne wäre sie an Carlisles Stelle und würde sich so lebhaft mit ihm unterhalten! Anderen Menschen gegenüber zeigte er sich aufmerksam und interessiert. Ihr gegenüber nicht. Warum war das so? Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Ryon Buchanan ganz bewusst Eliza zum Tanz aufgefordert hatte statt ihrer. Er wollte nicht mit ihr tanzen! Sonst hätte er doch später die Gelegenheit ergreifen können sie aufzufordern – aber das hatte er nicht. Sah er vielleicht auf sie hinab, weil sie als Krankenschwester arbeitete?

      Ryon gestikulierte energisch, während er sprach. Es war etwas Wildes, Ungezähmtes an ihm. Er hatte sich auf der Bothnia mir nichts, dir nichts, in die Feuerbrunst begeben, offenbar ohne eine Sekunde über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Allerdings hatte er es getan, um seinen Vater zu retten. Ihre Augen tasteten unverhohlen seine Gestalt ab. Seine Kleidung sprach von gutem Geschmack, wer könnte das besser beurteilen als sie, Tochter eines Kleidermanufakturbesitzers. Langsam wanderten ihre Augen wieder hinauf. Sie schrak augenblicklich zusammen, als ihre Blicke aufeinandertrafen. Rasch wandte sie sich um – und stieß mit Gerald Bonniers zusammen. »Alessa. Bist du am Träumen? Ich wollte dich zu einem Glas …«

      »Besten Dank, Gerald, aber ich habe bereits einiges getrunken. Außerdem hatte ich gerade etwas vor …« Sie schob sich an ihm vorbei, ließ ihn einfach stehen. Aufgelöst sah sie sich um: Eliza war nirgends zu sehen. An ihrem Tisch saß Onkel Richard mit einem Mann, den sie nicht kannte. Beth war ebenfalls nirgends zu sehen. Sie durchquerte rastlos den Raum. Bis ihr eine Idee kam.

      Ryon Buchanan schien ihr übergroß, als sie sich durch die Menschenmenge schob und sein Rücken in ihr Blickfeld kam. Einen winzigen Augenblick lang wankte sie, ob sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen sollte. Aber in diesem Moment wandte er sich um. Überraschung spiegelte sich in seinen Augen, als er sich ihr plötzlich gegenübersah. »Ms. Arlington.« Er deutete eine Verbeugung an und wollte an ihr vorbeigehen. Fast erschien es ihr, als wolle er flüchten, aber sie vereitelte sein Vorhaben, indem sie ihm in den Weg trat. Die Augen fest auf ihn gerichtet, lächelte sie ihn charmant an. »Darf ich um diesen Tanz bitten, Mr. Buchanan?«

      Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte er, als wüsste er nicht, wie er reagieren sollte. Dann jedoch formte sich sein Mund zu einem Lächeln. Er beugte sich zu ihrem Ohr vor, sodass seine Worte nur von ihr wahrgenommen werden konnten. In diesem Moment roch sie ihn zum ersten Mal. Es war wie ein Rausch, wie eine Droge, die sich ihrer bemächtigte und sie augenblicklich schwindeln ließ. Seine Stimme, tief und weich, klang fern, obwohl er ihr ganz nah war. »Ja. Aber nur, wenn Sie versprechen, mir einige Fragen zu beantworten.«

      Bestürzt riss sie die Augen auf. Was meinte er damit?

      »Ms. Arlington? Was ist?«, drängte er.

      »Natürlich«, erwiderte sie, um Gelassenheit bemüht, »fragen Sie nur.«

      Er reichte ihr den Arm, um sie zur Tanzfläche zu führen. War es ein Fehler gewesen, ihn um einen Tanz zu bitten? Wieso suchte sie seine Nähe? Um ihm zu zeigen, dass sie selbstbewusst war? Um ihm zu zeigen, dass er sie längst zum Tanz hätte auffordern sollen? Fatalerweise hatte sie bereits mehrere Gläser Champagner getrunken. Die von ihren Freundinnen oft beschriebenen Folgen des Alkohols traten unglücklicherweise alle zugleich auf: Die Musik klang mit einem Male anders, die Menschen um sie herum verschmolzen zu einer undeutlichen Masse, ihr schwindelte und der einzige ruhige Punkt, den sie fixieren konnte, war ausgerechnet Ryon Buchanan, der sie den ganzen Abend wie Luft behandelt hatte. Sie hatte sich СКАЧАТЬ