Gegen die Spielregeln. Philea Baker
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Название: Gegen die Spielregeln

Автор: Philea Baker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Baker Street Bibliothek

isbn: 9783948483036

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СКАЧАТЬ Sie hatte Esprit, Witz und Charme. Zudem war sie sehr attraktiv. Stets wurde sie von Männern umschwärmt. An diesem Abend würde es genauso sein, spätestens, wenn die Tanzfläche freigegeben würde. Ihr Blick glitt bewundernd über ihre Freundin. Eliza hatte ihre dunkle Haarpracht zu einem mit Zöpfen durchwobenen Dutt aufgesteckt. Ihr lindgrünes Satinkleid bestach durch seine Schlichtheit und brachte ihre perfekte Figur deutlich zur Geltung. Eliza war schlank, ihre Haut weiß wie Schnee – ganz im Gegensatz zu der ihren.

      »Dort drüben, sieh nur! Das ist ja der reinste Augenschmaus.« Eliza deutete mit dem Kinn auf den hinteren Bereich des Raumes. Ja, sie sahen wirklich hinreißend aus, diese Spanier. Wenn auch nicht so gut wie John. Oder Ryon Buchanan. Augenblicklich verkrampfte sie sich. Ryon Buchanan hatte nichts in ihrem Leben verloren. Dennoch hatte er ihr Herz berührt und sich in ihren Gedanken verankert – sie konnte die Begegnung auf der Bothnia nicht vergessen. Ohne Unterlass spukte er in ihrem Kopf herum. Die letzten zwei Tage war sie mit Florence zu einem Informationsaustausch zum Thema Gesundheitswesen in einem anderen Krankenhaus gewesen. Die Gedanken wieder einmal bei den Geschehnissen auf der Bothnia, hatte sie dem Fachgespräch kaum zu folgen vermocht. Als Florence sich schließlich zu ihr gebeugt und gefragt hatte, ob ihr der Kaffee schmecke, war sie überhaupt nicht in der Lage gewesen, zu verstehen, was diese von ihr wollte. »Er schmeckt vorzüglich«, hatte sie deshalb geantwortet. Florence hatte daraufhin mit säuerlichem Blick erwidert: »Dann ist es ja gut, Alessa. Die Schülerinnen werden sich in der nächsten Stunde sicherlich freuen, wenn du über die Kaffeequalität berichten wirst.« Sie hatte sich über Florences sarkastische Art geärgert, obwohl sie deren Unmut in jenem Moment nachvollziehen konnte. Florence nahm sie nicht mit, damit sie träumend dabeisaß, wenn es galt, etwas zu lernen. Ryon Buchanan bestimmte ihr Denken und sie ließ es geschehen. Wieder und wieder. Am vorangegangenen Abend hatte sie die Skizzen überarbeitet, die sie im Kreißsaal angefertigt hatte. Auch hier hatte er sich in ihre Gedanken gedrängt, denn sie hatte die Skizzen beiseitegeschoben, um ihn zu zeichnen. Sie hatte ihn so klar vor sich gesehen, als stünde er vor ihr. Dabei war ihr wieder bewusst geworden, wie groß er war: Er überragte sie um Kopfeslänge – und sie war keineswegs klein. Sein Körperbau war feingliedrig und schlank. Anders als bei den meisten Männern war sein Kehlkopf nur eine schwache Andeutung. Das verlieh seiner Erscheinung zusammen mit dem streng geflochtenen, hüftlangen Zopf sowie der vollen, wie von Meisterhand geschaffenen Oberlippe und den nach oben hinauslaufenden Mundwinkeln etwas Feminines. Die melancholisch wirkenden schwarzen Augen, umrahmt von dichten Wimpern, hatten etwas Magisches an sich, als bärgen sie das Leben aller vorangegangenen Generationen, eine verborgene Geschichte in sich. Überhaupt war alles an ihm sehr eigen. Seine Hand in der ihren zu fühlen war wie ein Schock gewesen, und sie erinnerte sich genau, wie bemüht sie gewesen war, konzentriert seine Brandblasen zu versorgen, sich abzulenken. Fast hatte es sie gefreut, dass sie einen Makel an ihm gefunden hatte: die wilde Braue über seinem linken Auge. Vermutlich lag eine Narbe unter dieser verborgen. Nein, er war nicht perfekt, kein außerirdisches Wesen, sondern ein Mensch wie jeder andere auch! Diese Erkenntnis hatte jedoch nicht ausgereicht, ihn aus ihren Träumen zu bannen. Dabei war sie doch in John verliebt! Ihr zukünftiger Mann konnte nichts anderes sein als ein Mediziner. Sie blickte sich erneut um. Ryon war wirklich nicht hier. Vielleicht blieb er dem Ball fern, weil er in Trauer war. Es gab so viele Menschen um sie herum: Wer brauchte ausgerechnet ihn? Sie spürte, wie sich ihre Unterlippe vorschob, auf die Fiodora zu gerne starrte, wenn sie wütend auf sie war. Vor Jahren hatte sie einmal den Satz »Ihr steht der Trotz ins Gesicht geschrieben – immer diese vorgeschobene Unterlippe!« fallen lassen. Seitdem kam ihr diese Bemerkung stets in den Sinn, wenn ihr bewusst wurde, dass ihre Lippen einen Schmollmund formten. Es ärgerte sie. Fiodora war nicht da. Sie hatte nichts in ihren Gedanken zu suchen. Nicht heute Abend.

      Endlich war es soweit und die Musik spielte zum Tanz auf. Alessa sah, wie Onkel Richard Tante Beth zur Tanzfläche führte. Die beiden gaben ein bemerkenswertes Paar ab. Ein beklemmendes Gefühl legte sich um ihre Brust.

      »Alessa? Was ist?« Eliza kniff sie in den Unterarm.

      Alessa schüttelte den Kopf, als könne sie damit die Gedanken und Gefühle, die gerade in ihr aufstiegen, abschütteln. »Nichts. Es ist gar nichts.«

      Eliza lächelte sie aufmunternd an. Vermutlich wusste ihre Freundin, was in ihr vorging. Es war nicht nötig, darüber zu sprechen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn ihre Mutter und ihr Vater noch lebten und sie es wären, die dort tanzten. Und die glücklich miteinander wären.

      »Alessa?« Versonnen drehte sie sich um. Bonniers! Er besaß die Frechheit, einfach ihre Hand zu ergreifen und siegessicher daran zu zerren. Ausgerechnet er sollte ihr erster Tanzpartner sein an diesem Abend? Alles in ihr schrie nein! »Ich habe gehört, Tanzen sei dein Steckenpferd? Jetzt will ich mich höchstpersönlich davon überzeugen …«

      Alessa biss die Zähne zusammen und schlug die Augen nieder. Sie konnte ihn nicht abweisen, denn damit würde sie ihren Onkel und ihre Tante verärgern. Sie musste das Spiel mitspielen.

      »Ich kann mir nichts Vergnüglicheres vorstellen, Gerald, als mit dir zu tanzen …« Es war ironisch gemeint, aber er bemerkte es nicht. Bonniers grinste schräg. »Teuerste Alessa …«, stieß er aus, aber sein Satz wurde jäh unterbrochen.

      »Ms. Berett? Darf ich um diesen Tanz bitten?« Ryon Buchanan, in bester Garderobe, war zu ihnen an den Tisch getreten. Er sah umwerfend aus. Ihr war heiß. Sollte sie etwas sagen? Wieso forderte er nicht sie zum Tanz auf, sondern ihre Freundin?

      Ryons Augen wanderten zu ihr. »Ms. Arlington. Wie schön, Sie heute Abend zu sehen.«

      Sie nickte nervös. »Mr. Buchanan …« Sie verschluckte sich und musste husten. Nach einer gefühlten Ewigkeit brachte sie endlich wieder ein Wort heraus, wobei sie hätte schwören können, dass ihre Stimme wie die einer Zwölfjährigen klang, die die falsche Mahlzeit serviert bekommen hatte, dies aber nicht zugeben wollte. »Es freut mich ebenfalls, Sie wiederzusehen. Aber … entschuldigen Sie … ich wurde gerade zum Tanz aufgefordert.«

      Sie wechselte einen Blick mit Eliza. Ihre Freundin schien sich zu amüsieren, ein kaum merkliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Eliza stand schließlich auf und reichte Ryon Buchanan ihre Hand. »Nun, Mr. Buchanan, da Sie bereits meinen Namen kennen und ich nun auch den Ihren, müssen wir nicht unnütz Zeit vergeuden, uns bekannt zu machen. Lassen Sie uns tanzen gehen!« Ryon lachte auf, ein tiefes, warmes Lachen, und reichte Eliza galant seinen Arm.

      Alessa kochte innerlich vor Wut als sie an Bonniers’ Seite den beiden zur Tanzfläche folgte. Es ärgerte sie maßlos, dass Buchanan nicht sie, sondern Eliza als Partnerin ausgewählt hatte. Und dass er ganz locker mit ihrer Freundin lachte. Als würden sie sich kennen. Eliza war ihre Freundin.

      Der Tanz dauerte viel zu lang. Immer wieder sah sie Eliza mit Ryon Buchanan vorbeiziehen, graziös, geschmeidig und voller Elan. Beide trugen ein Lächeln auf den Lippen, wenn sie nicht gerade angeregt miteinander plauderten. Ihre Füße hingegen schmerzten, denn Bonniers verstand vom Tanzen genauso wenig wie von allem anderen. Immerhin sprach er nicht, da er sich aufs Tanzen zu konzentrieren schien. Als die Musik endlich endete, bedankte sie sich kurzangebunden bei ihm. Sie entzog sich ihm, obwohl sie damit seinen Satz unterbrach, in welchem er sie gerade auf ein Glas Champagner hatte einladen wollen. Sie sah seinen irritierten Blick, als sie ihre Röcke raffte und den Ausgang des Saals ansteuerte. Genaugenommen steuerte sie die Damentoilette an. Nicht etwa, weil sie sich frisch machen wollte, sondern weil es schlicht und ergreifend keinen anderen Ort gab, der sie vor Gerald Bonniers bewahren konnte. Keinen besseren Ort, an dem sie ihre Gedanken sortieren und nachsehen konnte, wie rot sie war. Dass sie rot war, bezweifelte sie keineswegs.

      Die Toilette im Claridge’s war neben ihrer eigentlichen Funktion nicht nur eine überaus luxuriöse Rückzugsmöglichkeit, sondern auch ein viel besuchter Ort, an dem recht freizügig über dies und das gesprochen wurde. So auch in dem Moment, als sie diese betrat.

      »… СКАЧАТЬ