Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
isbn:
Selbst die Tageszeitungen nahmen schließlich von diesen Störungen Notiz. Populäre Aufsätze, die sich mit den Vulkanen des Mars beschäftigten, tauchten hie und da auf und wurden überall nachgedruckt. Ich erinnere mich, wie die halbkomische Zeitschrift »Punch« in einer politischen Zeichnung einen glücklichen Gebrauch von ihnen machte. Und, allen unmerklich, zogen jene Geschosse, welche die Marsleute auf uns abfeuerten, erdwärts, und sausten jetzt mit einer Schnelligkeit von vielen Meilen durch den leeren Weltraum, Stunde um Stunde und Tag für Tag, näher und näher. Es scheint mir heute fast unglaublich seltsam, dass die Leute, während dieses reißende Schicksal über ihnen hing, ihren winzigen Geschäften nachgehen konnten, wie sie es damals taten. Ich entsinne mich noch, wie Markham jubelte, als er sich für das illustrierte Blatt, das er in jenen Tagen herausgab, eine neue Fotografie des Planeten gesichert hatte. Menschen von heutzutage können sich kaum das Übermaß und die Unternehmungslust vorstellen, die im Zeitungswesen des XIX. Jahrhunderts herrschte. Was mich betraf, so war ich damals sehr damit beschäftigt, Radfahren zu lernen; überdies war ich für eine Anzahl Zeitschriften tätig, in denen ich Untersuchungen über die wahrscheinlichen Entwicklungsformen moralischer Ideen bei fortschreitender Zivilisation veröffentlichte.
Eines Nachts (das erste Geschoss kann damals kaum 10.000.000 Meilen entfernt gewesen sein) machte ich mit meiner Frau einen Spaziergang. Es war sternenhell und ich erklärte ihr die Zeichen des Tierkreises; ich zeigte ihr den Mars, einen kleinen Lichtpunkt, der sich himmelwärts bewegte, und auf den so viele Teleskope gerichtet waren.
Es war eine warme Nacht. Auf unserem Heimweg zog eine Gesellschaft Ausflügler aus Chertsey oder Isleworth singend und musizierend an uns vorüber. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke der Häuser schimmerten Lichter und die Leute gingen zu Bett. Vom Bahnhof in der Ferne schollen Töne sich verschiebender Züge herüber, ein Klirren und Poltern von der Entfernung fast zur Melodie gesänftigt. Meine Frau machte mich auf den Glanz der roten, grünen und gelben Signallichter aufmerksam, die wie in einem Netzwerk gegen den Horizont hingen. So sicher schien alles, so ruhig.
1 Als Infusorien (lateinisch Infusoria), Infusionstierchen oder Aufgusstierchen bezeichnet man kleine, sich z.B. im Aufguss von pflanzlichem Material entwickelnde Tierchen (z.B. Flagellaten, Wimpertierchen, Amöben). <<<
2 Gemeint sind englische Meilen, deren eine 1,61 km gleichkommt. <<<
3 Theorie des 18. Jahrhunderts zur Entstehung des Sonnensystems aus einem Sonnennebel. <<<
4 Giovanni Virginio Schiaparelli (1835-1910 in Mailand) war ein italienischer Astronom. Nach ihm wurde ein Mars-Lander der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) benannt, der 2016 allerdings bei der Landung auf dem Mars zerschellte. <<<
5 Das Lick-Observatorium ist ein astronomisches Observatorium, das von der University of California betrieben wird. Es befindet sich in einer Höhe von 1300 Metern auf dem Gipfel des Mount Hamilton, nahe der Stadt San Jose, Kalifornien. <<<
6 Henri Joseph Anastase Perrotin (19.12.1845–29.02.1904) war ein französischer Astronom. <<<
II. Der fallende Stern
Dann kam die Nacht des ersten fallenden Sterns. Er war früh am Morgen gesehen worden, wie er über Winchester hin ostwärts schoss, eine Flammenlinie, hoch in der Atmosphäre. Hunderte müssen ihn gesehen und für eine gewöhnliche Sternschnuppe gehalten haben. Albin beschrieb ihn und erwähnte, wie er einen grünlichen Strich hinter sich ließ, der einige Sekunden noch glühte. Denning, unsere größte Autorität für Meteoriten, stellte fest, dass die Höhe seiner ersten Erscheinung ungefähr 90 oder 100 Meilen betrug. Er glaubte, dass er ungefähr 100 Meilen östlich von ihm zur Erde gefallen sei.
Ich befand mich damals gerade zu Hause, und schrieb in meinem Studierzimmer. Und obwohl meine Flügelfenster gegen Ottershaw blickten und die Vorhänge aufgezogen waren (in jenen Tagen liebte ich es, den nächtlichen Himmel zu betrachten), sah ich doch nichts davon. Und doch muss dieses seltsamste aller Dinge, das je aus fremden Sphären auf die Erde fiel, gerade niedergegangen sein, während ich dort saß. Und hätte ich aufgeblickt, während es vorbeiflog, hätte es mir nicht entgehen können. Manche von den Leuten, die es sahen, behaupten, dass sein Flug von einem zischenden Geräusch begleitet war. Ich selbst vernahm nichts. Viele Leute in Berkshire, Surrey und Middlesex müssen es fallen gesehen haben, dachten aber höchstens, dass wieder ein Meteorit gefallen sei. Niemand scheint sich in jener Nacht die Mühe genommen zu haben, nach der gefallenen Masse zu suchen.
Sehr früh am Morgen des nächsten Tages erhob sich der arme Ogilvy, der die Sternschnuppe gesehen hatte. Er war überzeugt, dass irgendwo auf der Gemeindeweide zwischen Horsell, Ottershaw und Woking ein Meteorit liegen musste, und ging fort in der Absicht, ihn zu suchen. Wirklich fand er ihn, bald nach der Dämmerung, und nicht weit von den Sandgruben. Durch den Einbruch des Projektils war eine ungeheure Höhlung entstanden. Sand und Kiesel waren mit großer Wucht in jeder Richtung der Heide zerstoben und hatten Haufen gebildet, die anderthalb Meilen weit sichtbar waren. Östlich stand das Heidekraut in Feuer, und ein dünner, blauer Rauch stieg in der Dämmerung auf.
Das Ding selbst lag fast ganz in Sand begraben, zwischen den verstreuten Splittern eine Kiefer, die es im Niedersausen zerschmettert hatte. Der freiliegende Teil hatte das Aussehen eines riesigen Zylinders, der vollständig von einer dicken, schuppigen, dunkelbraunen Kruste bedeckt war, die seine Linien verwischte. Er hatte einen Durchmesser von ungefähr dreißig Yard.1 Ogilvy trat an die Masse heran, aufs Höchste überrascht von ihrer Größe und mehr noch von ihrer Gestaltung, da die meisten Meteoriten mehr oder СКАЧАТЬ