Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Kreischende Schreie gellten von allen Seiten. Plötzlich kam ein berittener Schutzmann gegen die Menge herangesprengt. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schrie aus Leibeskräften.
»Sie kommen!«, kreischte ein Weib, und sofort kehrten sich alle um und drängten die Rückwärtsstehenden vorwärts, um den Rückgang nach Woking frei zu machen. Wie eine Herde erschreckter Schafe stob die Menge blindlings auseinander. Da, wo die Straße eng und dunkel wurde, zwischen den hohen Ufern, staute sich die Masse, und ein verzweifelter Kampf begann. Nicht alle konnten sich retten; drei Personen, zwei Frauen und ein kleiner Knabe, wurden erdrückt und niedergetreten. Sie wurden liegengelassen, um in dem Schrecken der Finsternis zu sterben.
VII. Wie ich nach Hause kam
Was mich betraf, so entsinne ich mich nicht mehr der Einzelheiten meiner Flucht außer der Wucht, mit der ich an Baumstämme stieß und wie ich im Heidekraut strauchelte. Alles um mich herum nahm die unsichtbaren Schrecken der Marsleute an; jenes erbarmungslose Feuerschwert schien auf und nieder zu sausen, immer über mir zu funkeln, bevor es niederfuhr, mir das Leben zu nehmen. Ich erreichte die Straße zwischen Horsell und den Kreuzwegen, und ich lief durch den Ort wieder zu den Kreuzwegen zurück.
Endlich konnte ich nicht weiter; ich war von der Heftigkeit meiner Erregung und meiner Flucht erschöpft. Ich taumelte und stürzte nieder. Das war nahe der Brücke, welche bei den Gaswerken den Kanal übersetzt. Ich fiel und blieb still liegen.
Ich muss eine ganze Weile dort gelegen sein.
In einer seltsamen Verwirrung befangen richtete ich mich endlich auf. Einen Augenblick vielleicht konnte ich es nicht klar fassen, wie ich hierhergekommen war. Wie ein Kleidungsstück war mein Schrecken von mir gefallen. Mein Hut war verschwunden, und mein Kragen war vom Hemdknopf gerissen. Einige Minuten vorher standen nur drei Dinge greifbar vor mir — die Unermesslichkeit der Nacht, des Raumes und der Natur, meine eigene Schwäche und Angst, und das Nahen des Todes. Nun aber war es mir, als hätte sich alles gewendet, und sofort verschob sich mein Gesichtspunkt. Ich konnte keinen merklichen Übergang von einem Gemütszustand in den anderen wahrnehmen. Ganz unvermittelt war ich wieder mein eigenes alltägliches Selbst, ein gewöhnlicher ehrbarer Bürger. Die schweigende Heide, mein Trieb zur Flucht, die aufschießenden Flammen, alles erschien mir jetzt wie ein Traum. Ich fragte mich, ob sich alle diese Dinge wirklich zugetragen hätten. Ich konnte es nicht glauben.
Ich erhob mich und stieg unsicheren Schrittes die steil ansteigende Brücke hinauf. Mein Inneres war nichts als eine große Verblüffung. Meine Muskeln und meine Nerven schienen alle Kraft verloren zu haben. Ich kann sagen, dass ich wie ein Betrunkener taumelte. Über dem Brückenbogen tauchte ein Kopf auf und die Gestalt eines Arbeiters, der einen Korb trug, erschien. Ein kleiner Knabe lief neben ihm her. Er ging an mir vorüber und wünschte mir »Gute Nacht«. Es war meine Absicht, mit ihm zu sprechen, ich konnte es aber nicht. Ich erwiderte seinen Gruß mit einem unverständlichen Lallen und ging weiter.
Über den Maybury-Viadukt brauste südwärts ein Zug, ein wogendes Wallen weißen, feurigen Rauches, eine lange Raupe erleuchteter Fenster: ein Poltern und Rasseln und Klirren, und fort war er. Eine spärliche Gruppe von Leuten stand plaudernd im Flur eines der hübschen Giebelhäuser, deren Reihen die »Oriental Terrace« bildeten. Das alles schien mir so wirklich und so vertraut. Und alles, das hinter mir lag, war unsinnig und fantastisch! Solche Dinge, sagte ich mir, könne es ja gar nicht geben.
Ich bin vielleicht ein Mann von ganz besonderen Stimmungen. Ich weiß nicht, wie weit meine Erfahrungen allgemeiner Natur sind. Ich habe Zeiten, in denen ich von den seltsamsten Empfindungen heimgesucht werde, als sei ich gleichsam von mir selbst und meiner Umgebung losgelöst. Mir ist, als beobachtete ich alles von außen her, aus einer unfasslich großen Entfernung, außerhalb der Zeit, außerhalb des Raumes, jenseits von allem, was bedrückt und traurig macht. Diese Empfindung war in jener Nacht sehr stark. Das war ein anderer Teil meines Traumes.
Aber was mich verwirrte, war der schreiende Widerspruch zwischen der Heiterkeit, die meine Augen sahen und dem pfeilschnellen Tod, der dort drüben, nicht zwei Meilen entfernt, umherraste. Von den Gaswerken her scholl geschäftiger Lärm, und die elektrischen Lampen strahlten hell. Als ich zu der plaudernden Menschengruppe kam, machte ich Halt.
»Was gibts Neues auf der Weide?«, fragte ich.
Zwei Männer und eine Frau standen beim Tor.
»Was?«, rief einer der Männer, sich mir zuwendend.
»Was es Neues auf der Weide gibt?«, wiederholte ich.
»Ja, sind Sie denn nicht gerade dort gewesen?«, fragten die Männer.
»Die Leute scheinen ja ganz verrückt zu sein wegen der Weide«, ließ sich jetzt die Frau vom Flur her vernehmen. »Was ist denn eigentlich los?«
»Haben Sie denn nichts von den Marsleuten gehört?«, fragte ich. »Von den Geschöpfen vom Stern Mars?«
»Mehr als genug«, sagte die Frau. »Danke«, und alle drei lachten.
Ich fühlte mich beschämt und verärgert. Ich versuchte, ihnen mitzuteilen, was ich gesehen hatte und konnte es nicht. Sie lachten immer nur über meine gebrochenen Sätze.
»Ihr werdet noch mehr davon hören«, sagte ich und ging fort, meinem Haus zu.
Schon im Hausflur erschreckte ich meine Frau durch meine eingefallenen Züge. Ich ging in das Speisezimmer, setzte mich, trank etwas Wein, und so wie ich mich etwas gesammelt hatte, erzählte ich ihr von den Dingen, die ich gesehen hatte. Das Essen, das aus kalten Gerichten bestand, war schon aufgetragen, blieb aber unberührt auf dem Tische, während ich alles erzählte.
»In einem kann ich Dich beruhigen«, sagte ich, um die Furcht, die ich geweckt hatte, wieder abzuschwächen. »Es sind die plumpsten Geschöpfe, die ich je kriechen sah. Sie mögen die Grube besetzt halten und alle Leute, die ihnen nahe kommen, umbringen; aber sie können nicht aus ihr heraus … Aber scheußlich sind sie!«
»Bitte, nicht!«,sagte meine Frau. Sie zog ihre Brauen zusammen und legte ihre Hand auf die meine.
»Der СКАЧАТЬ