New Hope City. Severin Beyer
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Название: New Hope City

Автор: Severin Beyer

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

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isbn: 9783957771421

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СКАЧАТЬ Plaza Erasmo de Róterdam … auf der Anzeigetafel der Metropolbahn liefen bereits die Namen der nächsten Haltestelle in den Amtssprachen der Europäischen Föderation (EF) durch. Es war brütend heiß in der Bahn, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief – dabei hatte der Sommer noch nicht einmal begonnen.

      Riens drogenverzerrtes Grinsen war zu einem entspannten Lächeln geworden. Bei Catherine und Jacques gab es erst einmal einen Schlafplatz, bis er anderswo etwas Neues gefunden hatte.

      Die Linie U2 13 wurde langsamer und kam zum Stillstand. Die automatischen Türen öffneten sich und Rien trat in das Gewimmel der Leute, die sich aus dem Bahnhof auf den Erasmus-von-Rotterdam-Platz ergossen, dem zentralen Knotenpunkt der Unterebene zwei, die allgemein nur als die Undercity bekannt war.

      Der Erasmus war der einzige Ort dieser Metropolebene, auf den natürliches Sonnenlicht fiel. An manchen Tagen benetzten ihn sogar Regentropfen. Doch im Augenblick war ein durchsichtiges Schutzdach darüber gespannt. Es war einer der wenigen sonnenbeschienenen Stellen in einer ansonsten vom künstlichen neonfarbenen Licht erhellten Welt. Meistens musste das künstliche Licht jedoch ausreichen, da die Strahlen der Sonne je nach Tageszeit und Lage der Stadt von den Wolkenkratzern der City abgeblockt wurden, die an der Oberfläche der Metropole in den Himmel ragten. Von seinen Bewohnern kaum bemerkt, lag der Erasmus-von-Rotterdam-Platz mehrere hundert Meter unter dem Meeresspiegel, inmitten von New Hope City, der schwimmenden Metropolarkologie Europas.

      Rien ignorierte die schwindelerregenden Höhen über sich. An die Leistungen der Menschheit, die diesen Lebensraum im Meer erst möglich gemacht hatten, verschwendete er keinen Gedanken, sondern nutzte schleunigst die Masse der Menschen, um in ihr unterzutauchen. Auch wenn er sonst nichts zum Einwerfen dabei hatte, hatte Rien keinen Bock darauf, von einem Polizisten angehalten zu werden. Denn wie der Zufall es wollte, wimmelte es bei den öffentlichen Toiletten zwanzig Meter weiter vor ihm nur so von Bullen. Was für ein Menschenauflauf. Wahrscheinlich wieder einer dieser Mumienmorde, die die Stadt seit Monaten in Atem hielten.

      Der Junkie beeilte sich, weiterzukommen. Mit der heutigen Technologie konnten schon die simpelsten Überwachungskameras seinen Organismus durchleuchten und anhand seiner Körperwerte feststellen, dass er vollkommen auf Droge war. Das würde ihn zwar nicht ins Gefängnis, dafür aber mindestens 24 Stunden in eine Ausnüchterungszelle bringen. Wenn Rien nur an die Entzugserscheinungen dachte … Ihn fröstelte vor der anderen Realität, ehe er vollständig in der Menschenmenge verschwand.

      *

      Kommissar Steiner blickte sehnsüchtig den ein- und abfahrenden Bahnen, den darin ein- und daraus aussteigenden Passagieren hinterher, ehe er sich wieder seinem ernüchternden Arbeitsalltag zuwandte. Seit dem Ende der Quarantäne, die aufgrund der Kalkutta-Pest geherrscht hatte, gab es für ihn und seine Kollegen wieder reichlich zu tun. Ein antibiotikaimmunes Bakterium konnte ihn schließlich nicht ewig von der Arbeit abhalten.

      Zum Tatort musste Süleyman Steiner nicht mehr zurückkehren. Dort hatte er alles gesehen. Um den Rest kümmerten sich bereits die Roboterdrohnen von der Spurensuche, die Ergebnisse würde er früh genug erfahren. Nachdem der Mittsechzigjährige seinen Kaffeebecher in einen Recyclingeimer geworfen hatte, verließ er den abgesperrten Tatort, um zum Polizeivan zurückzukehren. Das gepanzerte Fahrzeug erinnerte ihn mit seiner genoppten Oberfläche entfernt an eine vorurzeitliche Raupe. Die Schiebetür öffnete sich automatisch, als der Kommissar näherkam. Steiner stieg ein.

      Dort saß er: Hinter einer Sicherheitsscheibe befand sich der einzige Zeuge und zugleich auch der Hauptverdächtige, den die Mordkommission AlbinoBlue hatte. Der Kommissar nahm die Hand aus der Tasche seines Trenchcoats und setzte sich seinem Verdächtigen gegenüber. Er blickte in ein tiefblaues, eiskaltes Augenpaar, das ihn scheinbar seelenruhig musterte. Es gehörte zu einem unerhört gutaussehenden jungen Mann. Diese Schönheit war nicht natürlich. Und richtig – die feinen und doch zugleich seltsam markanten Gesichtszüge, das tiefschwarze kurze Haar und die vornehm bleiche, schon beinahe weiße Haut waren das Werk transhumaner Modifizierungen. Das Alter des Verdächtigen zu bestimmen war damit ohne weitere Überprüfungen unmöglich. Allein von der äußeren Erscheinung her zu urteilen hätte Steiner ihn auf 18 oder vielleicht 20 Jahre geschätzt.

      Der Kommissar scannte den Körper des Zeugen mithilfe seines künstlichen linken Auges, das er als stete Erinnerung an eine lang zurückliegende Kopfverletzung trug. Die Daten tauchten auf seinem geistigen Bildschirm auf. Es dauerte einen Moment, bis er sie verstand. Vor ihm saß kein Mensch. Zumindest war es kein Mensch mehr. Die Vielzahl an biotechnologischen, mechanischen sowie nanotechnischen Modifikationen und Implantate hatten die Biologie des Menschen vollkommen ersetzt, der sie in sich trug.

      Kommissar Steiner war überrascht, obwohl er wusste, dass der hundertprozentig transhumane Körper Realität war. Er besaß eine vage Vorstellung von den Kosten, schließlich hatte ihm der Veteranenfond der Peaceforce sein linkes künstliches Auge und den dazugehörigen Mindrechner, der die Funktionen des Augenimplantats steuerte, nur zum Teil bezahlt. Die Person, die vor ihm saß, musste steinreich sein.

      »Sie sind Ben Rivera?«, begann Steiner sachlich, nachdem er die Informationen über den Verdächtigen durchgegangen war, die ihm seine Kollegin zusammengestellt hatte. Der so Bezeichnete lehnte entspannt in seinem Sitz, die Beine lässig übereinandergeschlagen.

      »Ja, so heiße ich. Und mit wem habe ich die Ehre?«

      »Süleyman Steiner. Ich bin der leitende Kommissar in diesem Mordfall. Sie waren es, der die Polizei gerufen hat.«

      »Das ist richtig, doch habe ich den genauen Hergang der Ereignisse bereits ihrer Kollegin geschildert. Warum bin ich immer noch hier?«

      »Leider nahm Kommissarin Dvorac Ihre Aussage nur provisorisch entgegen. In diesem Wagen erfolgt die endgültige, für das Gericht zugelassene Videoaufzeichnung. Sie müssen daher Verständnis dafür haben, wenn Ihnen einige der Fragen bereits vertraut vorkommen. Man hat Sie über Ihre Rechte belehrt? Sie wollen keinen Anwalt? Gut.

      Fangen wir doch damit an: Was haben Sie in der genderneutralen Toilette gemacht?«

      »Was denken Sie? Ist das nicht offensichtlich?«, bekam er leidenschaftslos zur Antwort. Für eine Person, die gerade eben Zeuge eines Mordes geworden war, eindeutig zu leidenschaftslos.

      »Mit Ihrem transhumanen Körper haben Sie sicherlich genügend Kontrolle über sich, als dass Sie ein solch versifftes Loch aufsuchen müssten«, versuchte ihn der Kommissar aus der Reserve zu locken »Wenn man dann noch hinzunimmt, dass Sie als Mann eine Toilette aufgesucht haben, die speziell für Menschen gedacht ist, die außerhalb der standardbinären Geschlechterordnung beheimatet sind …« Er beendete seinen Satz nicht.

      »Sie haben mich also gescannt. Seit wann haben Sie denn Ihr künstliches Auge?«, die Stimme des Zeugen nahm einen spöttischen Tonfall an »Haben Sie es in einem Friedenseinsatz verloren und durch dieses Implantat ersetzt bekommen? Lassen Sie mich raten: Sie waren damals ’53 im Sultanat Türkei im Einsatz?«

      »In der Südtürkei, aber …«

      »Waren Sie in einer der verstrahlen Zonen?«, unterbrach ihn der Verdächtige Rivera forsch.

      »Gelegentlich. Die Strahlung des großen Atomkriegs war in vielen Regionen dort unten sehr stark. Ist sie eigentlich immer noch …«, Steiner hatte dieser unerwartete Punkt aus dem Konzept gebracht, doch er sammelte sich und nahm das Gespräch wieder auf »Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Warum waren Sie …«

      Noch ehe er vollkommen ausgesprochen hatte, fiel ihm der Zeuge erneut ins Wort. In unpassend vertraulicher Freundlichkeit ratterte er los:

      »Da haben Sie vollkommen Recht, ich hätte darauf verzichten СКАЧАТЬ