Schlangen, Guillotinen und ein elektrischer Stuhl. Dennis Dunaway
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Название: Schlangen, Guillotinen und ein elektrischer Stuhl

Автор: Dennis Dunaway

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Музыка, балет

Серия:

isbn: 9783854456032

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СКАЧАТЬ tastete sich behutsam vor und riss die Hand blitzschnell zurück: „Wow, was ist das?“, fragte er angeekelt. Er streckte die Hand von sich ab, als sei sie kontaminiert.

      Ich starrte dann auf meine Hand, die in der Tasche verschwand. Booaah! Was sich auch immer darin befand, war verdammt eklig. Es fühlte sich wie getrocknetes Leder an, hatte ein verdrehtes Rückgrat, einen Schwanz und einen Kopf mit messerscharfen Zähnen.

      Die Schüler ließen einer nach dem anderen das fiese Ritual über sich ergehen, während Mrs. Sloan wie die sprichwörtliche Cheshire-Katze grinsend auf dem Stuhl thronte.

      Erst am nächsten Tag – wir hatte alle unsere Interpretationen auf Papier festgehalten – zog sie das Objekt unseres Horrors hervor.

      „Es ist ein getrockneter Teufelsfisch aus dem Golf von Mexiko“, erklärte sie mit einem strahlenden Gesichtsausdruck und konfrontierte uns mit dem labberigen Ding.

      Diane Holloways Arm schoss in die Höhe: „Darf ich mir die Hände waschen?“, bettelte sie. Von einer Sekunde auf die andere standen alle Mädchen am Handwaschbecken. Glauben Sie, dass dieses Experiment spurlos an Vince und mir vorüberging? Glauben Sie das tatsächlich?

      Vince mochte das Zeichnen. Seine Charakter-Skizzen stellten eine Gemengelage aus Magritte, Peter Gunn und dem Mad-Magazin dar. Die Figuren waren stark stilisiert und ähnelten ihm häufig. Manchmal trat er als Beatnik auf, woraufhin man beinahe einen begleitenden Bongo-Rhythmus vor seinem „geistigen Ohr“ hörte.

      Meine eigenen Bilder zeichneten sich durch eine großzügige farbige Pinselführung aus. Meist erkannte man kein konkretes Thema. Ich mochte es, mir freien Lauf zu lassen. Die Auswüchse meiner künstlerischen Orgasmen glichen einer Explosion in einer Schal-Fabrik.

      Mrs. Sloans Malstil war auf eine bestimmte Art sehr lebendig, und so ließ ich mich von ihr denn anleiten. Eines Tages sah ich sie vor meiner Leinwand stehen. In nervenaufreibender Stille rieb sie sich mit der Hand am Kinn. Schließlich drehte sie sich um und urteilte: „Wenn alles schreit, schreit nichts mehr.“

      Der Kommentar verwirrte mich einige Tage lang. Doch als mein Pinsel das nächste Mal über die Leinwand strich, erlaubte ich den Schreien Stille zum Verklingen.

      Das sind die kleinen Lektionen, die man im Leben lernt. Den Ratschlag übertrugen Vince und ich später auf Songstrukturen, die Reihenfolge der Song auf den Alben, das Live-Programm und die Inszenierung der Bühnenpräsentation.

      Ein weiteres Element von Mrs. Sloans Weisheit leitete sich von ihrer Methode ab, einen neuen und möglichst unvoreingenommenen Blickwinkel bei einer problematischen Bildkomposition einzunehmen. „Haltet das Bild vor einen Spiegel“, erklärte sie. „Manchmal zeigt sich dann das fehlende Gleichgewicht der Arbeit.“ Sie erläuterte uns, dass sich die Problematik einer malerischen Komposition dem Künstler zunehmend verberge, da sich die Wahrnehmung an Missverhältnisse gewöhne, wodurch man die Objektivität verliere.

      Das war eine zusätzliche Lektion fürs Leben, die wir auch in der Welt der Musik anwendeten. Wenn man einen Song schreibt und er problematisch anmutet oder man nicht weiterkommt, sollte man ihn auf einem anderen Instrument spielen, durch einen winzigen Lautsprecher plärren lassen, ihn in umgekehrter Harmoniefolge testen und ihn dann mit unvoreingenommenen Ohren hören.

      In jenem Jahr beeinflusste der Film West Side Story den Kleidungsstil von Vince und mir. Wir legten uns weiße Sneaker zu und verschmierten sie mit Dreck, als hätten wir entweder bei den Sharks oder den Jets einsteigen wollen. Eines Nachts versteckten wir uns hinter einem Gebüsch am Ende meines Blocks. Als sich ein Auto näherte, sprangen wir hervor und täuschten eine Schlägerei vor. Der Wagen fuhr mit schneller Geschwindigkeit davon, und wir ließen lachend die Handknöchel knacken, überzeugt, dass unsere kleine Aufführung den Fahrer zu Tode geängstigt hatte.

      Kleine Streiche wie dieser zählten zu den Highlights unserer trostlosen Existenz. Wir waren keine kalifornischen Surfer. Unser Sexualleben beschränkte sich – mit etwas Glück – auf die Seiten des Playboy. Doch wir wussten, dass da draußen mehr war. Vince erkannte die Vorzeichen.

      Die täglichen Gespräche ähnelten einem bunten Flohmarkt aus Popkultur-Ergüssen, vorgebracht mit fachwissenschaftlichen Termini, und Diskussionen zur Musik, wobei Letztere einen zunehmend höheren Stellenwert einnahmen.

      Hinsichtlich der Musik hatte ich schon drei bedeutende Schlüsselerlebnisse hinter mir. An einem brütend heißen Tag mit fast 40 Grad Celsius in Phoenix, dem „Tal der Sonne“, wurden mir die Augen (und die Ohren) geöffnet. Ich saß zufrieden auf dem Balkon eines Kinos mit Klimaanlage, ließ mir das Popcorn schmecken und zog mir eine Doppelvorstellung von Peter Pan und Herkules und die Königin der Amazonen rein. Während der Pause schloss sich der rote Vorhang, und einige Typen bauten ein Schlagzeug und Verstärker auf der schmalen Bühne auf. Dann klopfte der Ansager gegen das Mikrofon.

      „Und nun“, rief er, „präsentiert das Fox Theater voller Stolz (quiiiietsch – Rückkopplung!) Duane Eddy and the Rebels aus unser Stadt.“

      Plötzlich füllte sich der Raum mit dem elektrifizierenden Sound des Twang-Meisters persönlich. Der Begriff „Twang“ wird immer benutzt, um Duane Eddys tiefen, mit einem Vibrato-Arm modulierten Sound zu beschreiben, kann aber nicht den mächtigen Donnersturm einfangen, den er mit Hits wie „Rebel Rouser“ und „Forty Miles Of Bad Road“ auf den Hörer losließ. Man muss wissen, dass das viele Jahre vor Acid Rock oder Heavy Metal stattfand. Duane Eddy war einer der ersten wichtigen Vertreter des brettharten und lustvollen Gitarren-Sounds. Musiker wie Duane Eddy, Link Wray und Bo Diddley legten schon früh das Fundament für kommende Musikergenerationen.

      Duane Eddy – schon sein Name klang wie ein Gitarren-Lick – stolzierte von der einen auf die andere Seite der Bühne, während sein sich die Seele aus dem Leib spielender Saxophonist den entgegengesetzten Weg nahm. „Los, packt sie euch!“, brüllte der Drummer. „Go! Go! Go!“

      Ein Junge auf der gegenüberliegenden Seite des Balkons krakeelte ein markerschütterndes „Hiiii-ya!“ Die Rebels rockten ihre drei Instrumental-Hits, winkten uns dann wie Helden zu und verschwanden hinter dem Vorhang.

      Anschließend begann der Herkules-Film, mit all den Szenen von Muskelprotzen, die sich aus Ketten befreiten. Für mich hatte der Streifen keine Chance gegen die Echos der Twang-Gitarre, die immer noch in meinem nun erleuchteten Kopf hin- und herbangten. Was ich auch immer von dem Kinoabend erwartet hatte, war wie weggeblasen. Phoenix – Stadt der neuen Wege.

      Doch ich hatte Musik schon vor dem Duane-Eddy-Konzert als ein großartiges Erlebnis wahrgenommen, das unbegrenzten Spaß versprach. Als kleiner Junge – damals wohnte ich noch in Creswell, Oregon – lauschte ich schon den Klängen meines Dads, der Familie und von Freunden, die in den Abendstunden musizierten. Sie liebten den alten, traditionellen Country, mit authentischer Geige und dem Gitarren-Picking, zu denen alle eine Art selbstgedichteter Texte sangen.

      Man verstreute Salz über Großmutters Holzfußboden, damit die Schuhe beim Tanzen des Two Step ein kratzendes Geräusch hinterließen. Einige der Frauenzimmer runzelten die Stirn bei dem Gelage, doch als es später wurde, erkannte man mühelos, wer sich einige Schlückchen runtergespült hatte. Die Männer waren voll wie die Haubitzen und stritten sich darüber, wer den Frauen gerade schöne Augen machte. Ich fühlte mich wie gebannt.

      Die Lust. Sie ist doch am wichtigsten, oder? Natürlich war Elvis der Anführer der Rock’n’Roll-Lüsternheit. Als Kind beobachtete ich meine Babysitterin, die jedes Mal unglaublich scharf wurde, wenn sie den King hörte. Ich erlebte das mit heruntergefallener Kinnlade. Meist tauchten dann ihre Freundinnen mit der neusten Scheibe auf, und sie tanzten den Dirty Bop mit wehenden Pudelröcken, diesen СКАЧАТЬ