Grundlagen der Philosophie: Einführung in die Geschichte und die Kerndisziplinen. Bernd Waß
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СКАЧАТЬ der Alltagswelt) immer nur „mit Auskünften darüber aufwarten kann, was Kant, Hegel oder Schopenhauer dazu gesagt haben, muss […] sich nicht wundern, wenn die Nachfragen ausbleiben“24.

      1.6 Unterscheidungen philosophischer Strömungen

      Am Ende dieser ersten Begegnung mit der Philosophie wenden wir uns noch zweier Unterscheidungen zu, die immer wieder zu Konfusion führen: der Unterscheidung von Theoretischer Philosophie und Praktischer Philosophie sowie der Unterscheidung von Analytischer Philosophie und Kontinentalphilosophie. Der Reihe nach:

      Man teilt die philosophischen Disziplinen gemeinhin in theoretische und praktische ein und spricht auf diese Weise von Theoretischer Philosophie und Praktischer Philosophie. Zur Theoretischen Philosophie zählt man die Erkenntnistheorie, die Logik, die Metaphysik und die Ontologie. Zur Praktischen Philosophie (u. a.) die Ästhetik, die Rechtsphilosophie, die Sozialphilosophie und die Ethik. Damit will man aber nicht eine Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis einführen, wie sie uns aus dem Alltag bekannt ist, sondern man will sagen, dass sich die Theoretische Philosophie auf theoretische Gegenstände bezieht, also auf Gegenstände, die uns im Alltag nicht oder kaum begegnen, etwa Theorien, logische Kalküle oder metaphysische Entitäten25; die Praktische Philosophie hingegen auf praktische Gegenstände, etwa die Kunst, das Recht, die Gesellschaft oder das moralische bzw. unmoralische Verhalten von Menschen. Nichtsdestoweniger ist alle Philosophie insofern theoretisch – auch die praktische – als es ihr lediglich darum geht, die Welt denkend zu verstehen; sie deutlich in Begriffen zu wiederholen und als reflektiertes Abbild der Vernunft niederzulegen, um noch einmal Schopenhauer zu bemühen.

      Was die Unterscheidung von Analytischer Philosophie und Kontinentalphilosophie betrifft, so handelt es sich um ein Phänomen der Gegenwartsphilosophie. Die Spaltung in diese beiden Traditionen philosophischen Denkens lässt sich auf verschiedene Weise erklären: Einerseits durch außerphilosophische Gründe, etwa durch die politische Entwicklung in Europa; die traumatische Erfahrung der beiden Weltkriege; die Vertreibung kritischer Intellektueller und aller jüdischen Wissenschaftler durch die Nazi-Diktatur. Andererseits durch philosophische Gründe, etwa durch unterschiedliche Reaktionen auf die philosophische Situation am Ende des 19. Jahrhunderts. Am einfachsten aber erklärt sie sich in der Auffassung dessen, was Philosophie sei bzw. was sie zu leisten habe:

      Die Vertreter der Analytischen Philosophie, wie z. B. Gottlob Frege, Bertrand Russell, Ludwig Wittgenstein, Moritz Schlick, Rudolf Carnap oder John L. Austin, verstehen Philosophie als eine Disziplin, die methodisch im Einklang mit der modernen Wissenschaft steht, die sich um möglichst klare Begriffe und logisch korrekte Argumente bemüht, und die eine genaue Analyse einzelner Problemstellungen dem Aufbau einer umfassenden philosophischen Weltanschauung vorzieht.

      Die Vertreter der Kontinentalen Philosophie wiederum, wie z. B. Edmund Husserl, Karl Jaspers, Martin Heidegger, Jean Paul Sartre, Helmuth Plessner oder Hans Georg Gadamer, verstehen Philosophie, um es mit Hegel zu sagen, als ein großes monumentales Unternehmen, das die Grundlage aller Wissenschaften bildet, eine umfassende Kulturkritik bereitstellt und als Ersatz für die traditionelle Orientierungsleistung der Religion dienen kann.

      1 Russell, Bertrand: Probleme der Philosophie, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1967, S. 9.

      2 Ebenda.

      3 Vgl.: Aristoteles: Metaphysik, Rowohlt Verlag, Hamburg, 2005.

      4 Schlick, Moritz: Allgemeine Erkenntnislehre, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1979, S. 17 f.

      5 Für eine Charakterisierung von Analytischer Philosophie und Kontinentalphilosophie vgl. Abschnitt 1.6.

      6 Der Ausdruck ›Philosoph‹ sei geschlechtsneutral gebraucht. Er dient zur Bezeichnung jeder Person, die Philosophie betreibt.

      7 Nagel, Thomas: Was bedeutet das alles? Reclam, Stuttgart, 2008, S. 6.

      8 a. a. O. S. 7.

      9 Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2015, S. 521.

      10 Engels, Friedrich: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Marx, Karl; Engels, Friedrich: Werke (MEW), Band 3, Dietz, Berlin, 1969, S. 535. Das hier vorliegende Zitat entstammt dem von Engels 1888 veröffentlichten Text, in dem der später berühmt gewordene Ausdruck ›kömmt‹, anstelle des Ausdrucks ›kommt‹, noch keinen Gebrauch findet.

      11 Bei Hans Joachim Störig findet man z. B. eine Einteilung buddhistischer Philosophie in vier Hauptsysteme: Das realistische System des Vasubandhu, das nihilistische System des Harivarman, die Nur-Bewußtseins-Lehre (ebenfalls Vasubandhu) und das System der Logik der Verneinung des Nagarjuna.Vgl.: Störig, Hans Joachim: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2011.

      12 Die Zusammenfassung der logischen Schriften unter dem Namen ›Organon‹ (Werkzeug) geht nicht auf Aristoteles zurück, bestimmt aber seit Andronikos von Rhodos die Form der Überlieferung. Vgl.: Aristoteles, Philosophische Schriften in sechs Bänden, Meiner Verlag, Hamburg, 1995.

      13 Anmerkung der Verfasser (Anm. d. V.): Unter einem assertorischen Urteil versteht man ein Urteil in dem etwas behauptet wird (z. B. S ist p bzw.: S ist nicht-p). Im Gegensatz etwa zu einem Rechtsurteil.

      14 Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Meiner, Hamburg, 1998.

      15 Hegel, Friedrich in: Aristoteles: Lehre vom Schluß oder Erste Analytik, Meiner, Hamburg, 1992, Einleitung.

      16 Düring, Ingemar: Aristoteles, in: Realencyclopädie der klass. Altertumswissenschaften, Pauly-Wissowa, Suppl.-Bd. XI, 1968, Sp. 218, S. 10-13, in: Aristoteles: Lehre vom Schluß oder Erste Analytik, Meiner, Hamburg, 1992, Einleitung.

      17 Baumann, Peter: Erkenntnistheorie, Metzler Verlag, Stuttgart, 2006, S. 2.

      18 Ebenda.

      19 Ebenda.

      20 Ebenda.

      21 a. a. O. S. 3.

      22 Zwar haben sich bereits die Philosophen lange vor Aristoteles mit metaphysischen Fragestellungen beschäftigt, aber eben nicht gleichermaßen systematisch und umfassend.

      23 Die Bezeichnung ›Ontologie‹ ist aus dem Griechischen ›tö 6n‹, abgeleitet, was so viel heißt wie: ›das Seiende« aber auch ›Ding‹ oder ›Sein‹.

      24 Schnädelbach, Herbert: Was Philosophen wissen, C.H.Beck, München, 2012, S. 8.

      25 Der Begriff ›Entität‹ ist eine Erfindung der Scholastiker. Er dient dazu, um über jedwedes Seiende sprechen zu können – sei es wirklich, bloß möglich oder unmöglich –, ohne dabei das geringste Unterscheidungsmerkmal einführen oder kennen zu müssen.

       2 Philosophiegeschichte – eine Zeittafel des dokumentierten Nachdenkens

      Warum sollte man sich überhaupt mit der Geschichte der Philosophie auseinandersetzen, so könnte man fragen, sind doch nicht wenige der Auffassung, dass die Ergebnisse des Nachdenkens vergangener Zeiten, ob des wissenschaftlichen Fortschritts zum größten Teil überholt, antiquiert oder schlichtweg falsch sind. Eine durchaus berechtigte СКАЧАТЬ