Grundlagen der Philosophie: Einführung in die Geschichte und die Kerndisziplinen. Bernd Waß
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Grundlagen der Philosophie: Einführung in die Geschichte und die Kerndisziplinen - Bernd Waß страница 6

СКАЧАТЬ

      Was ist Wissen? Können wir überhaupt etwas wissen? Falls nein: Warum nicht? Falls ja: Wie gelangen wir zu unserem Wissen? Was sind die Quellen, der Umfang und die Grenzen des Wissens? Welche Rolle spielt die Erfahrung für unser Wissen? Wie ist unser Wissen aufgebaut – hat es etwa ein Fundament? Wenn ja: worin? Wenn nein: Wie ist es dann aufgebaut? Alle diese Fragen lassen sich ganz offenbar nicht auf empirische oder [einzel]wissenschaftliche Weise behandeln; es handelt sich vielmehr um philosophische Fragen. Welche Experimente sollte man etwa anstellen, um herauszufinden, was Wissen ist?20

      Insgesamt gesehen kann die Erkenntnistheorie „als Ausdruck des Versuchs verstanden werden, sich über die Grundzüge der eigenen epistemischen Situation klar zu werden, – also der Situation, in der wir uns im Hinblick auf Möglichkeit, Natur, Quellen, Umfang und Struktur von Erkenntnis und Wissen befinden“21. Dementsprechend werden wir uns in Kapitel 4 über die zentralen philosophischen Probleme unterhalten, die einer solchen Klarheit im Wege stehen.

      Der Vollständigkeit halber sei auch noch die Wissenschaftstheorie erwähnt, die sich als Teildisziplin der Erkenntnistheorie versteht: Vereinfacht gesagt, befasst sie sich mit den Merkmalen wissenschaftlicher Erkenntnis bzw. wissenschaftlichen Wissens. Dabei soll u. a. herausgearbeitet werden, wodurch sich die Wissenschaft von anderen Glaubens- bzw.

      Wissenssystemen (etwa Religionen, Weltanschauungslehren oder Alltagswissen) abgrenzt. Wichtige Fragestellungen sind etwa die folgenden: Was ist eine wissenschaftliche Theorie? Was ist eine wissenschaftliche Erklärung? Welche Merkmale haben wissenschaftliche Hypothesen und Gesetze? Wie können wissenschaftliche Hypothesen bewährt und kritisiert werden? Wie kommt Erkenntnisfortschritt in den Wissenschaften zustande?

      1.3 Metaphysik – eine erste Begegnung

      Metaphysische Fragestellungen sind in gewissem Sinne typisch für vernunftbegabte Lebewesen, zu denen wir Menschen im Allgemeinen gehören. Dies bedeutet freilich nicht, dass alle Menschen sich ständig der Beantwortung metaphysischer Fragen widmen. Aber wir dürfen wohl annehmen, dass sich immer wieder einige der vernunftbegabten Lebewesen mit metaphysischen Problemen auseinandergesetzt haben – so sie erstens mit einem ausreichend großen Maß an Vernunft begabt waren, und so sie zweitens genug Muße hatten, sich um die grundlegenden Fragen ihrer Existenz bzw. der Realität im Allgemeinen zu kümmern. Typische Fragestellungen sind: Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Welche Arten von Dingen gibt es ganz prinzipiell? Gibt es fremdes Bewusstsein? Gibt es eine wahrnehmungstranszendente Wirklichkeit? Ist eine solche Wirklichkeit möglicherweise der Realgrund der wahrnehmungsimmanenten Wirklichkeit? Wie ist die Wirklichkeit strukturiert? Gibt es einen Gott? Ist das Universum endlich oder unendlich?

      Die Metaphysik hat ihren Ursprung im antiken Griechenland. Zu ihren großen Vätern zählt ohne Zweifel Aristoteles. Aristoteles war der erste Philosoph, der sich systematisch und umfassend mit metaphysischen Fragestellungen beschäftigte.22 Zwar stammt der Name ›Metaphysik‹ nicht von Aristoteles selbst, dieser spricht in seinem Werk von ›Erster Philosophie‹, nichtsdestoweniger sind es die Werke Aristoteles’, welche die Metaphysik begründeten. Die Namensgebung geht, manchen Philosophiehistorikern nach, auf Andronikos von Rhodos zurück, der die überlieferten Werke des Aristoteles im ersten Jahrhundert vor Christus bibliothekarisch erfasste und sie nach den Werken zur Physik einordnete (also meta ta physika). Die Bezeichnung wird aber auch inhaltlich gedeutet: Metaphysische Fragen beginnen traditionell dort, wo die Fragen der Physik enden. Bei der Metaphysik handelt es sich demnach um eine Disziplin, die sich mit Fragen und Problemen befasst, die über naturwissenschaftliche Fragen und Probleme hinausgehen. Sie ist mithin die Wissenschaft vom Transempirischen, von den Daseinsformen, die außerhalb aller Erfahrung liegen. Man muss zwischen der Allgemeinen Metaphysik (auch Ontologie) und der Speziellen Metaphysik unterscheiden. Allgemeine und Spezielle Metaphysik behandeln, wie wir noch sehen werden, verschiedene Fragen und Probleme. Einige davon, die typisch sind und von alters her verhandelt werden, werden uns in Kapitel 5 begegnen.

      Die Allgemeine Metaphysik oder auch Ontologie gilt als der größte und wichtigste Teil der Metaphysik. Die Ontologie (das ist der Name, den wir bevorzugt verwenden werden) ist die Lehre vom Seienden.23 Ganz falsch wäre es jetzt zu fragen von welchem Seienden denn, denn es geht hier nicht um bestimmtes Seiendes oder um besondere Aspekte des Seienden, sondern um alles Seiende in ganz allgemeiner Hinsicht. Wenn man derart übertreibt und keinerlei Spezifizierungen vornehmen kann oder will, dann verwendet man oft die Ausdrücke ›als solches‹ bzw. ›an sich‹, um damit anzudeuten, dass man eben keine näheren Bestimmungen vornehmen kann oder will. Die Ontologie ist demgemäß die Lehre vom Seienden als solchem bzw. vom Seienden an sich. Sie lässt sich vorläufig anhand der beiden folgenden Fragen charakterisieren: Was heißt es, dass etwas existiert? Sowie: Was existiert überhaupt, und zwar in ganz allgemeiner Hinsicht? Man könnte freilich den Eindruck gewinnen, dass man in der Ontologie von allen Eigenschaften der Gegenstände abstrahiert, sich sozusagen ausschließlich dem nackten Sein zuwendet, doch das wäre zu eng gefasst. Weil Sein und Irgendwie-Sein stets zusammenfallen, müssen immer auch die Eigenschaften von Gegenständen bedacht werden, wenngleich, aber das ist wesentlich, nur sehr allgemeine. So interessiert uns beispielsweise, ob existierende Gegenstände notwendig existieren oder bloß zufällig; ob es sich um konkrete Gegenstände handelt oder um abstrakte; ob sie sich verändern können und doch dieselben bleiben usw. usf. Ähnlich der Biologie wird damit einhergehend versucht, alles überhaupt seiner ontologischen Art nach zu bestimmen, d. h. ein System von Kategorien zu entwickeln, indem das Seiende ebenso Platz findet wie das Nichtseiende und das Mögliche ebenso wie das Unmögliche.

      Von der Ontologie ist die Spezielle Metaphysik zu unterscheiden. Sie hat sich vor allem in der Philosophie des Mittelalters – entlang der ewigen Frage nach der Existenz Gottes – zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt. Heute unterscheidet man in der Speziellen Metaphysik drei Teilbereiche: Die Philosophische Psychologie, die Philosophische Theologie und die Philosophische Kosmologie.

      Betrachten wir zunächst die Philosophische Psychologie, die einerseits eng mit der Philosophie des Geistes verwandt ist, andererseits mit Teilen der klassischen Psychologie, die ja lange Zeit keine eigenständige Disziplin war, sondern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der Philosophie zugeordnet wurde. Die zentrale Frage lautet: Was ist der (menschliche) Geist bzw. was sind mentale Phänomene? Es lassen sich drei Grundprobleme formulieren, die einer einfachen Beantwortung im Wege stehen: Erstens das Problem des phänomenalen Bewusstseins, also des Bewusstseins im Sinne von Erleben und Subjektivität. Hier werden jene Aspekte des (menschlichen) Geistes verhandelt, die lediglich aus der Innenperspektive zugänglich sind. Zweitens das Leib-Seele-Problem. Hier werden jene Aspekte des (menschlichen) Geistes verhandelt, die den Anschein erwecken, als würde das Geistige einen eigenständigen Bereich des Wirklichen konstituieren, der vom Bereich des Materiellen prinzipiell verschieden ist. Endlich drittens das Problem der Intentionalität und Repräsentation. Hier werden jene Aspekte des (menschlichen) Geistes verhandelt, die den Anschein erwecken, als versetzten sie uns in die Lage, uns auf eine Außenwelt zu beziehen und sie im Geist zu repräsentieren.

      Die zentrale Frage der Philosophischen Theologie ist von jeher die Frage nach der Existenz Gottes. Insbesondere in der Philosophie des Mittelalters wurde mit ausgefeilten logischen Apparaten versucht, eine Antwort zu geben, die jedem Zweifel enthoben ist. Mögen diese Versuche auch mannigfaltig gewesen sein, letztlich gibt es nur drei Richtungen, in die man gehen kann. Man kann der Auffassung sein, dass Gott existiert, dass Gott nicht existiert, oder dass man über die Existenz Gottes nichts wissen kann. Philosophiehistorisch gesehen lassen sich diese Auffassungen folgenden philosophischen Positionen zuordnen: Die Auffassung, dass Gott existiert, bildet die Grundannahme des Theismus. Der Theismus ist eine in der Aufklärung entstandene Richtung innerhalb der philosophischen Theologie, die СКАЧАТЬ