Название: Wundersame Geschichten II
Автор: Detlev Stäcker
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783899692396
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»Na, wir werden Ihren Blackie ja wohl noch kennenlernen. Hoffentlich bringen Sie ihn mit zu unseren Besichtigungen in den nächsten Tagen. Wenn ich dabei bin, gibt es damit kein Problem, insbesondere da Ihr Hund, wie Sie sagen, sehr diszipliniert ist.«
Und damit war Professor Graham bei seinen Vorschlägen für die Gestaltung des Besichtigungsprogramms für die nächsten beiden Tage. Am kommenden Tag wolle er ihnen Karnak, den Tempelbezirk im Norden von Luxor, zeigen, und nachmittags die Gräberstadt auf der anderen Seite des Nils, mit einem anschließenden Besuch des Tempels der Hatschepsut. Abends würden er und seine Frau die Burgess’ gern bei sich zu Hause sehen. Am zweiten Tag möchte er mit ihnen das Tal der Könige besuchen, die berühmte Nekropole für Pharaonen und ihre Familien und Begleiter vornehmlich aus den Dynastien des frühen Neuen Reichs, also aus dem Mittelalter der ägyptischen Geschichte, der Zeit um 1500 vor unserer Zeitrechnung. Alle Welt kapriziere sich übrigens darauf, das Grab des Tutanchamun zu besichtigen, das bekanntlich erst 1922 völlig unbeschädigt gefunden und erforscht worden sei und heute tatsächlich die am besten erhaltene Grabstätte im ganzen Tal sei. Da dort der Andrang üblicherweise besonders groß werde, schlage er vor, dass man es vor der normalen Öffnung des Tals für andere Besucher besichtige. Das mache notwendig, dass er die Burgess‘ schon gegen 7 Uhr 30 morgens abhole.
»Wäre Ihnen das möglich und akzeptabel?«
»Das ist eine für uns normale Zeit. Meistens sind wir sogar früher auf.«
»So haben wir das Tal noch länger für uns, wenn ich bereits um 7 Uhr komme! Und auch mit dem Hund gibt es dann keine Probleme.«
Genau wie besprochen lief das Programm ab. Als Graham die Burgess‘ morgens mit seinen Landrover abholte, bewunderte er zunächst Blackie.
»Ohne Zweifel ein reinrassiger Anubis-Hund. Sie werden sein Konterfei oft auf unseren Rundgängen als Hieroglyphe, Relief oder als Abbild in den Grabkammern wiedersehen.«
Die Tempelanlage von Karnak für den Gott Amun und die Pharaonen Ramesses III. und Thutmosis III. mit ihren riesigen Säulen, dem großen Gräberfeld, dem Heiligen See begeisterte Vater und Tochter Burgess, wie alle Besucher, die in der Neuzeit vor ihnen dieses Weltwunder zu sehen bekommen hatten. Nur die vom späteren Vormittag an zunehmende Hitze machte den Rundgang ein bisschen beschwerlich.
Blackie benahm sich mustergültig. Als sie durch den Wald der großen Säulen gingen, zeigte er in seiner Haltung, dass er wusste, wo er war; aber er gab keinen Laut von sich. Erst in den Gräberfeldern setzte er sich ein paarmal hin und stimmte eine seiner kurzen Klagen an. Was ihn jeweils dazu bewegte, blieb wie zuvor rätselhaft. Gleiches geschah, als sie auf der Westseite des Nils die Tempel und Gräberfelder in Theben-West und insbesondere die große Tempelanlage der Hatschepsut besuchten. Er gab nur an den eigentlichen Gräberfeldern und an einigen der Mastabas seinen Klagelaut von sich.
»Wie üblich sind es offenbar nicht die Tempel, sondern die belegten Gräber, die ihn zu seiner Trauer anregen«, sagte Amy zu Professor Graham, was diesen erneut verwunderte. Und nicht nur den Burgess’, sondern in erster Linie ihrem Führer fiel auf, dass der Hund vor allem bei den Arbeitern und sonstigen Helfern mit Scheu beobachtet wurde, und das besonders, wenn er einen seiner kurzen Klagegesänge anstimmte.
»Fraglos, ein ganz ungewöhnliches Verhalten. Ich habe das bisher von keinem anderen der Anubis-Hunde gehört.«
Beim Dinner, abends bei den Grahams, wurde über die Erlebnisse des Tages gesprochen. Ernest Graham erzählte den Burgess unter anderem etwas über die große Pharaonin Hatschepsut, die ›Mutter Ägyptens‹, die für über zwanzig Jahre für ihren Mann und Bruder Thutmosis II. und nach dessen Tod für seinen Nachfolger Thutmosis III. das enorme Reich regierte, wie wohl keine andere Frau der Alten Welt. Er redete sich richtig in Begeisterung über diese außergewöhnliche Sonderstellung in der patriarchalischen Welt und meinte schließlich schmunzelnd, dass nicht einmal Margaret Thatcher dieser Frau hinsichtlich politischer Klugheit, Energie und Durchsetzungsfähigkeit das Wasser hätte reichen können. Anschließend gab er den Burgess eine Vorschau auf den bevorstehenden Besuch des Tals der Könige und anhand einer Skizze eine Übersicht über die wichtigsten Gräber. Am Ende seines kurzen Exkurses beantwortete er Amys Frage, ob man eigentlich im Tal der Könige oder dem der Königinnen alle Grabstellen gefunden habe mit: »Ich weiß es nicht« und zuckte die Achseln.
»Manchmal denke ich, dass es hier wie dort keinen Winkel gibt, in dem nicht gesucht wurde. Nicht nur von uns, den Erforschern der ägyptischen Vergangenheit, sondern vor allem auch von denen, die sich seit der Antike illegal an den verborgenen Schätzen bereichern wollten. Andererseits fehlen uns doch noch die Grabstellen für etliche Pharaonen und der ihnen nahestehenden Personen aus dieser Epoche der ägyptischen Geschichte, der der 17. bis 20. Dynastie. Irgendwo begraben müssen sie sein. Mich sollte es nicht wundern, wenn irgendwann einmal wieder ein aufsehenerregender Fund gemacht wird.«
Blackie lag derweil vor der Schwelle des Esszimmers und schien dem Gespräch zuzuhören. Er gab keinen Laut von sich.
Am nächsten Morgen stand Graham mit seinem Landrover pünktlich am Liegeplatz der Alexandria und nahm die beiden Burgess und den Hund auf, die Sonne stand bereits am Himmel, es war frisch.
»Die beste Zeit für diese Besichtigung. Ich mache meine Besuche drüben meistens um diese Zeit.«
Die Fahrt ging flott über die große Luxor-Brücke hinüber auf die Westseite und dann nach Norden. Geredet wurde nicht viel. Zwanzig Minuten später waren sie vor dem Eingang zum Tal der Könige. Die Wärter schlossen das Tor auf und Graham stellte seinen Wagen vor dem Verwaltungsgebäude ab. Der Fußmarsch begann über die sauber geharkten, von aus Beton gegossenen Begrenzungssteinen eingefassten Wege. Nur wenige Menschen – Wach- und Reinigungspersonal – waren zu sehen.
Vor ihnen lag der Eingang zum Tal, das an beiden Seiten durch verkarstete Berge begrenzt wurde, deren oben glatten Hügel in der Morgensonne fast hellrot glänzten, mit braunen bis lila Schatten in den Schründen an einigen Bergflanken und an den der Sonne abgewandten Stellen. Während manche der Hügel fast wie riesige Dünen wirkten, war doch sichtbar, dass es sich um ein uraltes Gebirge handelte. Überall gab es stark verwitterte steile Abstürze und Eingänge zu Seitentälern, als wenn es sich um ein vor Tausenden von Jahren ausgetrocknetes Flussbett mit Seitenarmen handele. Kein Busch oder Baum war zu sehen. Die morgendliche Stille wurde nur durch das entfernte Pochen eines Dieselmotors unterbrochen.
»Eigentlich sieht es hier aus, wie ich mir eine Mondlandschaft vorstelle, Papa«, meinte Amy.
»So ganz unrecht hast du da wohl nicht, Amy. Man hat tatsächlich das Gefühl, dass man sich in einer ganz besonderen Umgebung befindet. Besonders, wenn man sich die Leichenbegängnisse vorstellt, die diesen Weg entlanggezogen sind!«
Sie kamen an den ersten Abzweigungen von ihrem eingefassten Fußweg vorbei. Diese Abzweigungen führten auf längeren oder kürzeren Wegen zu den einzelnen Grabstätten, in den Berg links oder rechts getriebenen Stollen mit einfachen oder mit einem besonderen steinernen Rahmen eingefassten Zugängen.
Professor Graham begann mit seinen Erläuterungen. Er redete ein bisschen über die Geschichte der Entdeckung dieser Nekropole, sagte, dass alle Gräber in einem KV-Verzeichnis nummeriert seien, wobei die Abkürzung KV für ›Kings’ Valley‹ – Tal der Könige – stehe. Diese Öffnung an der linken Seite zum Beispiel sei die Grabstätte KV5, das ehemalige Grab von Söhnen des Pharao Ramesses II. aus der 20. Dynastie, mit um die 120 Kammern eine der größten Grabanlagen des Tals überhaupt. Etwas weiter, KV6 sei das Grab Ramesses II., oder Ramses II, wie er früher genannt wurde, einer der größten Pharaonen, selbst. Wie die meisten der Gräber seien sie bei ihrer Entdeckung bereits von Grabräubern geplündert gewesen СКАЧАТЬ