Wundersame Geschichten II. Detlev Stäcker
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Название: Wundersame Geschichten II

Автор: Detlev Stäcker

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783899692396

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СКАЧАТЬ Rasse selbst nicht kannte.

      Amy stand auf. Blackie folgte ihr bei Fuß. Sie führte den Hund zu dem Tisch mit den Asservaten und ließ ihn kurz Witterung an der Kassette aufnehmen. Der Hund verstand offensichtlich, was man von ihm wollte. Er hob seine Nase in die Luft, drehte seinen Kopf hin und her. Und dann geschah das Unerhörte. Er nahm mit seinem Fang die Kassette auf, bevor ihn irgendeiner daran hindern konnte, drehte sich um und steuerte ohne Umschweife auf die Reihe der Angestellten zu und legte die Kassette vor die Füße von Alfred Erwin, dem Sekretär, setzte sich auf seine Keulen, sah den Mann aus seinen grünen Augen an und bellte einmal mit seiner tiefen Stimme.

      Der Mann war bleich geworden. Er fing an zu zittern und schrie plötzlich: »Nehmt den Hund weg! Nehmt den Hund weg! Der Hund macht mich verrückt!«

      Unvermittelt drehte er sich um und stürzte aus der Halle, ohne dass ihn jemand aufhalten konnte, weil alles so plötzlich geschah.

      Nachdem sich die allgemeine Aufregung etwas gelegt hatte, standen Detektiv-Leutnant Morsley und Mr Merskin bei Viscount Haswell und unterhielten sich, was weiter zu tun sei.

      »Mein Mitarbeiter kümmert sich schon um Mr Erwin. Der Mann scheint nicht bei sich zu sein. Er jammert nur und redet wirres Zeug, als sei er behext. Wir werden ihn wohl mitnehmen müssen, Viscount Haswell.«

      »Nur zu. Ich hätte nicht gedacht, dass Alfred zu einer solchen Tat fähig wäre. Immerhin war er dreizehn Jahre in meinen Diensten. Bisher ist ja nichts bewiesen. Wir haben vor allem das Schmuckstück noch nicht gefunden, den Beweis seiner Schuld.«

      Da mischte sich seine Tochter Julia ein, die hinter ihm stand.

      »Wenn du erlaubst, Vater, könnten wir mit dem Hund danach suchen. Ich habe da alles Zutrauen.«

      Der alte Herr dachte kurz nach. »In mir sträubt sich etwas dagegen. Man muss jedem Menschen, so verdächtig er sich auch gemacht hat, doch seinen Freiraum geben. Andererseits bin ich hier Herr im Haus. Lassen wir es auf einen Versuch ankommen.«

      Eine halbe Stunde später waren Detektiv-Leutnant Morsley mit Julia Haswell und Amy wieder in der Halle. Sie hatten in Begleitung des Butlers mit dem Hund das kleine Apartment des Sekretärs inspiziert. Blackie hatte sie ohne zu zögern zu einer Kommode geführt, bei deren näherer Untersuchung sich ein Päckchen fand, das mit Klebestreifen unter dem Boden der Kommode befestigt war, darin lag das Collier. Es war fast unbeschädigt. Es fehlte nur einer der Brillanten. In einer Schatulle im Nachttisch fanden sich 3.610 Pfund Sterling mit der Abrechnung eines Londoner Juweliers über den Ankauf eines Brillanten für 4.000 Pfund. Das, die Fingerabdrücke des Sekretärs und schließlich sein Geständnis lösten den Fall. Er hatte vor vier Jahren den Auftrag der Viscountess Haswell, das Collier, das sie für eine Wohltätigkeitsveranstaltung unter ihrer Schirmherrschaft benutzt hatte, der Kanzlei Merskin & Threadwell zurückzugeben, auf seine Weise gelöst. Er hatte den Halsschmuck für sich behalten und die leere Kassette im versiegelten Umschlag zurückgesandt. Er hatte geplant zu kündigen und sich mit seinem Raub abzusetzen, dann aber den Absprung verpasst.

      Alle freuten sich über die Aufklärung der Geschichte und beglückwünschten Amy zu ihrem erstaunlichen Hund und seinen fast übernatürlichen Kräften.

      Detektiv-Leutnant Morsley lächelte ein bisschen und wandte sich zu Oberst Burgess. »So übernatürlich muss das nicht gewesen sein. Wenn das Kästchen noch die Witterung des Burschen nach dem letzten Einpacken trug, dann hat Ihr Blackie sie vielleicht nur zu dem getragen, dessen Witterung er aufgenommen hatte. Es ist erstaunlich, was solche Vierbeiner können. Immerhin war es vier Jahre her, dass Alfred die Kassette in Händen gehabt hatte. Verwunderlich ist allerdings, dass der Hund in Alfreds Zimmer sofort auf das Päckchen unter der Kommode zusteuerte. Alle anderen Objekte in dem Zimmer trugen die gleiche Witterung von Alfred. Tja, bemerkenswert ist das schon.«

      Julia trug das Collier am Sonntag zum großen Fest, das ihr Vater ihr aus Anlass ihres 21. Geburtstags gab. Sie trug es ohne den fehlenden Brillanten und hatte geschworen, dass der zur Erinnerung an diese Geschichte nie ersetzt werden solle. Zu den Gästen des Festes gehörten auch Amy Burgess und Blackie. Der lag während des glanzvollen Empfangs allerdings nur auf der Schwelle der großen Tür zur Halle und beobachtete, was seine Herrin machte. Alle, die vorbeigingen, machten einen respektvollen Bogen um ihn. Er beachtete niemanden.

       * * *

       Eine richtige Kriminalgeschichte, nicht wahr, mein Herr? Ich habe das alles von Amy Burgess selbst, die sich noch Wochen danach nicht über die Aufregungen, die es besonders in der Kanzlei gab, beruhigen konnte. Den Haswells und vor allem den Burgess‘ war es eigentlich gar nicht lieb, dass sie und der Hund durch die Geschichte so bekannt wurden. Es gab sogar ein paar Zeitungsreporter, die darüber schrieben. Aber das war über die Jahre eigentlich nicht einmal die wichtigste der Geschichten, die sich um diesen außergewöhnlichen Hund rankten.

       * * *

       Im Laufe der Zeit gewann Amy den Eindruck, dass Blackie ein besonderes Benehmen an den Tag legte, wenn sie an Friedhöfen vorbeigingen. Er hob dann seinen Kopf höher, stellte seine großen Lauscher noch mehr als sonst auf und schien mit seiner auffälligen Haltung anzeigen zu wollen, dass er die Besonderheit des Ortes erkenne und würdige. Er benahm sich, wie Amy fand, ›feierlich‹, wie man es bei Menschen nennen würde. Darüber hinaus schien er sie durch Zeichen auf den Genius Loci hinweisen zu wollen, ging dicht bei Fuß oder sogar etwas vor ihr, stieß sie manchmal mit seiner Schnauze leicht an oder blickte zu ihr hoch. Wenn sie, wie es selten vorkam, über den Friedhof gingen, blieb er, wenn Amy an einem Grab stehen blieb, auf seinen Keulen sitzen und bellte mit einem Laut kurz auf, der sich wie ein Klageruf anhörte.

      Amy stellte diese Eigenart fest, wenn sie, wie es fast täglich geschah, am Friedhof von St. James vorbeigingen oder ihn betraten. Selbst auf dem Hundefriedhof benahm sich Blackie sonderbar. Sie machte sich darüber Gedanken und kam zu dem Schluss, dass Blackie offenbar ähnliche Gefühle wie Menschen entwickelte, die an solchen Orten ihr Verhalten dämpften, um den Frieden und die Würde des Ortes der Toten nicht zu stören. Nur das merkwürdige gelegentliche Bellen konnte sie sich nicht erklären.

      Im Laufe der Zeit bestätigte sich dieses eigenartige Verhalten des Hundes auf oder in der Nähe verschiedener anderer Friedhöfe und sonstiger Begräbnisstätten, aber auch bei der Begegnung mit Beerdigungsprozessionen. Amy fiel auf, dass sich umgekehrt aus seinem Verhalten Rückschlüsse darauf ziehen ließen, dass man sich in der Nähe eines Begräbnisplatzes befand, den man selbst als solchen eigentlich nicht erkannt und gewürdigt hatte.

      Blackie wusste anscheinend genau, dass sie sich an einem Platz befanden, auf dem viele Menschen zu Tode gekommen und begraben worden waren, als er mit Amy den alten Oberst Burgess beim Besuch verschiedener historischer Schlachtfelder begleitete und zeigte das dann durch sein verändertes Verhalten. Das war so nicht nur bei einem Besuch der Normandie, wo sie zunächst die Landungsstellen der alliierten Truppen am D-Day 1944 besuchten, sondern auch später, als sie über das Schlachtfeld von Azincourt bei Calais gingen, wo die Engländer unter König Henry V. während des Hundertjährigen Kriegs im Jahre 1415 die Franzosen vernichtend geschlagen hatten, als Charles VI. König von Frankreich war.

      Genauso war es, ein paar Jahre später, als sie bei anderer Gelegenheit das Schlachtfeld von Hastings in Battle in East Sussex besuchten, auf dem 1066 Herzog William aus der Normandie den letzten angelsächsischen König Harold II. und seine Truppen besiegte und König von England wurde, oder auf dem Stück Erde bei Leicester, auf dem im Jahr 1485 König Richard III. sein Leben verlor und der Sieger, Henry Tudor, Earl of Richmond, König von England wurde, der Erste der Tudors.

      Aber es waren nicht nur Stätten aus historischen Zeiten, denen die Besuche der Burgess’ galten und die dann die besondere Aufmerksamkeit des merkwürdigen Hundes erregten. Er gab gleiche Zeichen СКАЧАТЬ