Größer als der Schmerz. Alex Tresniowski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Größer als der Schmerz - Alex Tresniowski страница 8

Название: Größer als der Schmerz

Автор: Alex Tresniowski

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783961223299

isbn:

СКАЧАТЬ Schulter geworden. Ich lernte ihn wirklich schätzen und vertraute ihm. Es dauerte nicht lange, da waren Tony und Melvin vergessen.

      Als ich dann eines Tages mit ein paar Freundinnen in einem Kaufhaus war, ging ich an einem Brautmodengeschäft vorüber. Irgendwie überzeugte ich die Angestellte, mich eines der Brautkleider anprobieren zu lassen, und ich ließ eine Freundin ein Bild von mir darin machen. Ich schickte das Foto Terry und schrieb darunter: „Was hältst du davon?“

      Ich denke, das war in der Zeit, in der mir klar wurde, dass ich mich in Terry verliebt hatte und dass ich erwartete, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen.

      ***

      In der siebten Klasse ging ich von der Schule ab, weil Mama und ich so viel umherzogen. Vierzehn Mal in einem Jahr von einem Ort zum anderen zu hüpfen, erschwert es irgendwie, an den Hausaufgaben dranzubleiben. Terry war auch von der Schule abgegangen, und mit neunzehn nahm er an einem staatlichen Bildungsprogramm teil, das kostenlosen Unterricht und berufliche Ausbildung für Jugendliche ab sechzehn bot. Es ist vergleichbar mit einer gewöhnlichen Schule, man bleibt auf dem Schulgelände, besucht den Unterricht und schließt mit der Hochschulreife oder einer Berufsausbildung ab. Terry nahm an einem Programm nur für Jungs in Harpers Ferry, West Virginia, teil. Als er dorthin ging, vermisste ich ihn. Manchmal besuchte ich Terry in West Virginia und einmal im Monat kam er nach Hause, sah nach mir und verbrachte Zeit mit mir, egal wo ich gerade wohnte. Dann ging er wieder zurück und wir schrieben uns jeden zweiten Tag Briefe. Ich hob diese Briefe für viele Jahre auf.

      Als ich dann sechzehn wurde, nahm ich auch an diesem Bildungsprogramm in Charleston, West Virginia, teil, um näher bei Terry sein zu können. Und er wechselte innerhalb weniger Monate von Harpers Ferry nach Charleston, um bei mir zu sein. Danach waren wir fast immer zusammen.

      Wir verließen beide das Programm nach zwei Jahren – ich mit neuen Kenntnissen in Sachen Verwaltung und Maschinenschreiben sowie Terry im Baugewerbe und Schweißen. Zu der Zeit hatte meine Mutter in Washington, D.C., eine Wohnung gemietet, und ich fragte, ob ich bei ihr einziehen könne.

      Sie sagte ganz energisch: „Nein!“

      „Dein loses Mundwerk hat uns in der Vergangenheit von all den anderen Orten vertrieben“, begründete sie.

      Terry fragte dann seine Mutter, ob wir zu ihr in ihre Wohnung in D.C. ziehen könnten, doch auch sie sagte Nein. Und plötzlich war ich wieder obdachlos. Terry und ich schliefen im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses, in dem seine Mutter wohnte, an dem dunklen Ort unterhalb des Treppenhauses. Wir verwendeten unsere kleinen Kleidertaschen als Kissen, kuschelten uns aneinander und schliefen dort unten so gut wir konnten, umgeben von Staub, Dreck und Mäusen. Morgens, nachdem Terrys Mutter, die als Krankenschwester arbeitete, zur Arbeit ins Krankenhaus gegangen war, gingen wir in ihre Wohnung, duschten und aßen und schliefen vielleicht sogar noch eine Weile in seinem Bett dort. Sie hatte nichts dagegen, dass wir ihre Wohnung benutzten, wenn sie nicht da war. Aber weil wir nicht verheiratet waren, weigerte sie sich, uns dort zusammen übernachten zu lassen.

      Ich kann nicht einmal sagen, dass ich unglücklich darüber gewesen wäre, unter einer Treppe zu schlafen, schließlich hatte ich Terry. Damals dachte ich, er sei alles, was ich brauche. Er war wirklich lieb zu mir, gab immer auf mich acht, sorgte für mich und kümmerte sich bestmöglich um meine Sicherheit. Er arbeitete tagsüber als Fahrer und brachte Essen und Kleider mit sowie alles, was wir zum Leben brauchten. Ich arbeitete als Bäckereiverkäuferin in der örtlichen Filiale einer Café- und Bäckereikette und brachte auch etwas Geld mit nach Hause. Es schien mir, als seien Terry und ich so wie jedes andere junge verliebte Paar – und das, obwohl wir unter einer Treppe hausten.

      Das Muster, von einem Ort zum nächsten zu ziehen, behielt ich auch bei, nachdem meine Mutter mich vor die Tür gesetzt hatte. Denn auch mit Terry ging es so weiter. Einer seiner Freunde kannte jemanden, der eine Immobilie im Südosten von Washington, D.C., verwaltete, und Terry erreichte, dass wir dort in einer leer stehenden Wohnung schlafen konnten. Wir trafen dort spät am Abend ein, schliefen auf dem nackten Holzboden und schlichen uns früh am Morgen wieder hinaus. Auch das erschien mir gar nicht so übel zu sein. Im Gegenteil, ich war froh, dass ich an einem Ort mit vier Wänden und einer Tür schlafen konnte. Nachdem dann die Wohnung vermietet worden war, blieben wir ein paar Wochen bei einem Freund von Terry und anschließend bei seiner Exfreundin, was nicht so optimal war, denn sie lief immer wieder in aufreizender Unterwäsche herum, um ihn zurückzugewinnen.

      Sie denken vielleicht, das Letzte, was ich in solch einer Situation tun würde – kein Zuhause, kaum Geld, eine unsichere Zukunft –, wäre, dem Ganzen noch ein Baby hinzuzufügen.

      Aber bitte bedenken Sie, ich war neunzehn, und das Einzige, was ich mehr als alles in der Welt haben wollte – eine eigene glückliche Familie –, war nichts, auf das ich noch viel länger warten wollte. Deshalb entschieden sich Terry und ich inmitten all dieser Turbulenzen, dass wir ein Kind haben wollten. Ich wurde also nun schwanger. Es war kein Unfall, es war genau geplant. Terry und ich hatten viel darüber gesprochen, und wir wussten beide, dass wir für immer zusammenbleiben und eine große Familie haben wollten. Wir dachten, wir würden schon einen Weg finden, um all das zu ermöglichen. Wir schlossen sogar einen Pakt, bei dem wir beide uns versprachen, niemals mit jemand anderem Kinder zu haben als nur miteinander. Selbst wenn wir uns aus irgendeinem unwahrscheinlichen Grund trennen würden, sollte der Pakt weiterbestehen: Keine Kinder, es sei denn, sie wären von ihm und mir.

      Das alles bedeutet aber nicht, dass ich keine Ängste ausgestanden hätte, als ich zu einer Schwangerschaftsklinik ging und mir die Krankenschwester mitteilte, dass ich schwanger sei. Die ersten Worte, die aus meinem Mund kamen, waren: „Auf gar keinen Fall, ich kann nicht schwanger sein.“ Sosehr ich mir auch ein Kind wünschte, war ich dennoch geschockt, als ich hörte, dass ich eines bekommen würde. Aber Terry war es nicht. Er beruhigte mich und versicherte mir, dass alles gut werden würde. Terry war damals mein Held, er ging mit mir zum Schwangerschaftskurs, wiegte mich abends in den Schlaf, ließ mich quer über seinem Körper liegen, als wäre er ein großes Kissen, streichelte meinen Bauch, redete mit unserem ungeborenen Kind und sang ihm sogar Lieder vor.

      Während meiner Schwangerschaft zogen Terry und ich in ein Zimmer in einer verwahrlosten Pension im übelsten Teil von Washington, D.C. Von außen sah die Pension aus, als sei sie verflucht. Von innen war es sogar noch schlimmer. Sie hatte nur zwei Etagen, drei oder vier Zimmer oben und zwei unten, von denen eines unseres war. Das andere gehörte einem Furcht einflößenden älteren Mann, der darin ein Bordell betrieb. An jedem Abend klopften fremde Männer an die Tür, begrüßten grell geschminkte Frauen und verschwanden mit ihnen im Zimmer. Und ich in meinem Zimmer musste den Kopf in einem Kissen vergraben, um nicht das schreckliche Gestöhne zu hören, das durch die Wand drang.

      Eines Abends, als ich an diesem Bordell vorbeiging, hielt mich der Furcht einflößende ältere Mann im Flur auf und bot mir hundert Dollar an für Oralverkehr. Ich war zwanzig und im siebten Monat schwanger, doch das schien ihn nicht zu stören. Ich ging an ihm vorbei, doch er folgte mir den Flur entlang und wollte Sex mit mir haben. Ich rannte in die Gemeinschaftsküche, griff mir ein Messer, jagte ihn den Flur entlang zurück und schrie: „Wenn Sie mir jemals wieder nahekommen, werde ich Sie töten! Reden Sie nie wieder so mit mir!“

      Als ich Terry davon erzählte, rief er seine Mutter an und bat sie, uns bei ihr einziehen zu lassen. Wieder sagte sie Nein. Ich rief daraufhin meine Mutter an, und auch sie sagte Nein. Also hingen wir fest neben einem Bordell: Ich, Terry und unser Kind, das wir in Kürze erwarteten.

      Als ich schließlich nur noch ein paar Wochen bis zur Entbindung hatte, war meine Mutter einverstanden, dass ich zu ihr in ihre Wohnung nach Temple Hills, Maryland, ziehe. Vermutlich beeinflusste ihre Entscheidung, dass sie einige meiner Lebensmittelmarken abstauben konnte, wenn ich bei ihr war. Terry zog infolgedessen wieder bei seiner Mutter ein. In manchen Nächten durfte ich auch mal bei ihm bleiben. СКАЧАТЬ