Sex and Crime. Klaus Püschel
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Название: Sex and Crime

Автор: Klaus Püschel

Издательство: Bookwire

Жанр: Юриспруденция, право

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isbn: 9783831910434

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СКАЧАТЬ Eine zieht ganz aus Hamburg fort. Die Opfer leiden lange, manche für immer.

      Sechs Monate nach der Festnahme des Verdächtigen beginnt vor dem Landgericht der Prozess gegen den Arzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor. Der Mediziner gesteht die Vorwürfe im Wesentlichen. „Ich war zu sehr in meine Fantasie verstrickt“, sagt er. „Ich habe manchmal bis zur Erschöpfung an den Fensterscheiben geklebt.“ Er habe den Frauen keine Angst einjagen wollen. Jedem seiner Opfer bietet er 10 000 Mark Schmerzensgeld an.

      Seinen Lebenslauf schildert er so: Das Abitur bestand er mit der Note 1,9. Sein Medizinstudium hat er zügig durchgezogen und 1985 abgeschlossen. Bei seiner Tätigkeit in einem Krankenhaus leistet er viele Nachtdienste und bemüht sich um Fortbildungen. „Ich wollte besonders in der Notfallmedizin gut vorbereitet sein, weil ich Angst hatte, einer Situation nicht gewachsen zu sein. Als Arzt stellt man sich immer die Frage: Hätte ich es auch besser machen können?“

      Vielleicht wird Andreas A. sich gar nicht bewusst, wie sehr dieser medizinische Anspruch zu seinen Verbrechen im Gegensatz steht: hier der engagierte Arzt, da der hinterhältige Vergewaltiger. Seine Taten hat er offensichtlich sorgfältig vorbereitet. Die Wohnungen der durchweg jungen Frauen sind keinesfalls immer leicht einzusehen gewesen. Der Angeklagte, ein ehemaliger Leistungssportler, ist über Mauern geklettert oder durch unverschlossene Hauseingänge in die Gärten eingedrungen. Selbst durch Briefschlitze hat der Mann seine Opfer ausgespäht. „Ich war dort nicht der einzige Spanner“, sagt er.

      „Dieses Jahr ist wie ein Tunnel für mich gewesen“, beschreibt Andreas A. die Zeit, in der er die Frauen vergewaltigt hat. Auch Kollegen ist eine Veränderung an dem sonst als vorbildlich beschriebenen Arzt aufgefallen, der keine Fortbildung ausgelassen hat. „Er vergrub sich in seine Arbeit und wurde immer verschlossener dabei“, erzählt ein Kollege des Mediziners. „Ich dachte schon, er hätte Aids.“ Dass der 32-Jährige ein Verbrecher sein könnte, hat niemand in seinem Umfeld geahnt.

      Andreas A. wirkt im Prozess äußerlich sehr kontrolliert, nahezu unbeteiligt, emotionslos. Sein Gesicht ist wie zu einer Maske erstarrt. Nur das Spiel seiner Hände verrät Nervosität. Von seiner Ehefrau wird er als ein Mann geschildert, „der niemals erzählt, dass ihn etwas bedrückt“. Alles fresse er in sich hinein, so auch den Leistungsdruck, dem er sich selber ausgesetzt habe.

      Auch während die Opfer aussagen, wirkt Andreas A. wie abgeschottet. „Nachdem ich überfallen wurde, konnte ich erst mal keinem Mann mehr in die Augen sehen“, sagt eine Studentin und ehemalige Krankenschwester. Über die 10 000 Mark Schmerzensgeld, die der Angeklagte den Opfern jeweils angeboten hat, sagt sie: „Das klang wie ein Werbebrief. Ich hatte einen solchen Hass auf ihn, dass ich ihm keine weitere Gelegenheit geben wollte, in mein Leben einzugreifen.“

      Die Frauen schildern den Schreck, der ihnen durch die Glieder jagte, als sie den Fremden in ihrer Wohnung bemerkten. Sie erzählen von ihren Ängsten vor dem maskierten Mann, der sie bedrängte, bedrohte, überfiel, betäubte. Der sie sexuell missbrauchte. Eine 27-Jährige, die von dem Angeklagten chloroformiert, aber nicht vergewaltigt wurde, ist die einzige der Betroffenen, die sagt: „Ich empfinde zwar Ekel ihm gegenüber, aber auch Mitleid.“

      Ein psychiatrischer Sachverständiger billigt dem Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit zu, weil dieser sich während der Zeit, in der er die Verbrechen begangen hat, in einer schweren Lebenskrise befunden habe. Der Gutachter erzählt von den Anfängen des Angeklagten beim Spannen, als dieser noch in der Pubertät war und Mädchen in Schwimmbädern in den Umkleidekabinen beobachtet. Später beim Joggen habe er durch Wohnungsfenster Frauen beim Ausziehen zugesehen. Das frühe Spannen des Mannes sieht der Sachverständige als einseitige Fantasiebeziehungen, in denen Andreas A. gleichsam „mit einer Tarnkappe“ präsent gewesen sei.

      Später, als sich der Angeklagte als junger Familienvater und beruflich stark eingespannter Arzt äußerlich etabliert habe, habe er die Fantasie entwickelt, in die Wohnungen unbekannter Frauen einzudringen, sie zu fesseln und zu betäuben. Beim Spannen und schließlich, wenn er die Frauen durch Chloroform außer Gefecht setzte, habe er die Kontrolle geschätzt und sich mächtig gefühlt. Seine Fantasien auszuleben, sei „wie ein Sog“ gewesen. Mit seinen Taten habe er vor allem Aggressionen und Zorn abbauen wollen. Der Gutachter spricht von einer „Tag- und einer Nachtseite“ des Angeklagten, die „streng voneinander getrennt“ gewesen seien: Die Tagseite, in der er sich hilfsbereit und verantwortungsbewusst zeigte, lebte er in Familie und Beruf aus. Die Nachtseite offenbarte die Triebhaftigkeit und Aggressivität. Eine Parallele zu Dr. Jekyll und Mr. Hyde drängt sich auf.

      Eine Wiederholungsgefahr sei bei Andreas A. jedoch ausgeschlossen, urteilt der Sachverständige. Denn es handele sich bei den Verbrechen um Geschehnisse, die auf einer besonderen inneren und äußeren Lebenskrise beruhten. Mit der Festnahme und Inhaftierung habe eine Zäsur eingesetzt, in der sich der 32-Jährige mit seinen Problemen auseinandergesetzt habe. Allerdings sei eine weitere Therapie zu empfehlen, macht der Gutachter deutlich.

      Der Angeklagte selber sagt unter Tränen. „Für mich ist die Schuld da, und das lebenslänglich.“ Im selben Moment fängt eines der Opfer an, haltlos zu weinen. „Jedes Wort, das die Frauen gesagt haben, hat sich bei mir eingegraben“, fährt Andreas A. fort. „Ich war es, der ihnen ihr Vertrauen genommen hat. Ich kann verstehen, dass Hass da ist. Eins muss klar sein: Ich nehme das nicht leicht. Für mich ist die Schuld nicht teilbar“, sagt er. „Ich weiß, dass ich es war.“

      Die Staatsanwältin formuliert in ihrem Plädoyer: „Er hat seine Opfer zu einem leblosen Stück Fleisch degradiert.“ Andreas A. habe äußerst brutal gehandelt, als er seine Opfer im Schlaf überfiel. „Schlimm ist auch, dass er sich maskiert hat. Die Frauen lebten so in permanenter Unsicherheit. Jeder Mann, dem sie begegneten, hätte ihr Vergewaltiger sein können.“

      Der Verteidiger versucht, die Verbrechen seines Mandanten als schreckliche Entgleisung eines sonst gewissenhaften und verantwortungsvollen Menschen darzustellen. „Es handelt sich bei ihm um einen schwerwiegenden Persönlichkeitsverfall. Die Taten haben bei ihm tiefe Verzweiflung bewirkt. Das Tagesgesicht war voller Aufopferung. Seine abgedunkelte Persönlichkeit schaffte sich Opfer.“

      Das Gericht verhängt schließlich sechs Jahre Freiheitsstrafe für Andreas A. „Der Angeklagte ist nur beschränkt zurechnungsfähig“, erläutert die Richterin und folgt damit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen. Aber sie räumt auch ein: „Das klingt merkwürdig, weil alle Taten geplant waren und der Mediziner auch im Prozess ruhig und besonnen wirkt. Das Abnorme versagt sich oft der öffentlichen Einsicht.“ Auch das Geständnis habe für den Angeklagten gesprochen, denn dazu gehörten Mut, Einsicht, Schamgefühl und der Wille, die Taten zu beenden. Andererseits müsse strafverschärfend berücksichtigt werden, dass der 32-Jährige die Frauen in ihrem privaten, persönlichsten Umfeld überfallen hat. Andreas A. habe seit seiner Kindheit ein falsches Bild von einer dominanten Frau, er sei unfähig, völlig gelöst zu sein. „Sein Blickfeld wurde immer tunnelartiger, das Gesicht immer maskenhafter.“

      Vielleicht hat Andreas A. wirklich geglaubt, dass seine Verhaftung und die Zeit im Gefängnis ein heilsamer Schock wären. Dass er nie mehr straffällig werden würde. Aber die Realität holt ihn ein.

      Die Beziehung zu seiner Ehefrau, die im Prozess noch zu ihm gehalten hat, zerbricht. Es folgt die Scheidung. Und vor allem: Schon beim Urlaub aus der Haft beginnt er wieder mit dem nächtlichen Spannen. Ein früheres Opfer bemerkt das und alarmiert die Polizei. Nun wird er selber observiert, und die Ermittler stellen fest, dass er sich erneut und wiederholt voyeuristisch betätigt. Als er drei Jahre nach seiner Verurteilung einen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung stellt und eine vorzeitige Haftentlassung beantragt, wird ein Gutachten gefertigt — mit einem für den mittlerweile 36-Jährigen entblößenden Ergebnis: Die Gefährlichkeit des Mannes sei „so frisch wie am ersten Tag“.

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