Ägypten. Juergen Stryjak
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ägypten - Juergen Stryjak страница 6

Название: Ägypten

Автор: Juergen Stryjak

Издательство: Bookwire

Жанр: Путеводители

Серия:

isbn: 9783862844791

isbn:

СКАЧАТЬ Audioaufnahmen, in denen sich Mursi noch drastischer antisemitisch äußerte. In einer Rede vor Mitgliedern der Ärztekammer der ägyptischen Provinz Al-Sharqiyya erklärte er Anfang 2010: »Meine Brüder, wir dürfen nicht vergessen, unseren Kindern und Enkelkindern den Hass auf die Juden beizubringen. Mit diesem Hass müssen wir sie füttern, er muss erhalten bleiben.« Palästina werde nicht ohne Widerstandskampf befreit werden können. Die Zionisten müssten bekämpft werden, wo immer sie sich aufhielten. Von al-Sisi wird man solche Äußerungen nicht hören. Mit Israel verbinden ihn eine Reihe gemeinsamer Interessen. Ab 2020 bekommt Ägypten aus dem jüdischen Nachbarstaat Erdgas geliefert, auf der Grundlage eines Vertrages, der eine Laufzeit von 15 Jahren hat. Mindestens ebenso wichtig ist aber die Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit. Wie die New York Times zuerst berichtete, flogen israelische Kampfflugzeuge, Militärhubschrauber sowie Drohnen seit dem Herbst 2015 mehr als 100 Luftangriffe auf Ziele im Norden des Sinai. Die Angriffe richten sich gegen Stellungen von Terroristen des sogenannten Islamischen Staats auf ägyptischem Gebiet. Das geschieht mit dem Einverständnis von al-Sisi. Die IS-Terroristen sind ein gemeinsamer Feind von Ägypten und Israel. In den Jahrzehnten vor Abschluss des Friedensvertrages von Camp David standen sich die beiden Länder noch in vier Kriegen gegenüber. Auf die beiden ersten in den Jahren 1948/49 sowie 1956 folgten 1967 der Sechs-Tage-Krieg sowie 1973 der Jom-Kippur-Krieg, der in Ägypten Oktoberkrieg genannt wird, weil er am 6. Oktober begann.

      Besonders enge Beziehungen pflegt Ägypten zu Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die drei Golfmonarchien sind froh, dass Ägyptens Militär den gesellschaftlichen Umbruch im bevölkerungsreichsten arabischen Land abgewürgt hat, und helfen mit Milliardensummen aus. Das Regime von al-Sisi unterstützt den aufständischen General Haftar in Libyen militärisch, in der Hoffnung, er könne das Nachbarland mit eiserner Faust stabilisieren. Al-Sisi sucht die Nähe zu den autokratischen Regimen in Russland und China, kann sich aber schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht vom Westen entfernen. Da passte es gut, dass US-Präsident Donald Trump Präsident al-Sisi als seinen »Lieblingsdiktator« bezeichnete. 2019 war Ägypten weltweit der drittbeste Kunde der deutschen Rüstungsindustrie.

      Bezugspunkte für die Selbstwahrnehmung der nationalen Größe findet das Land in der Vergangenheit. Dass Ägypten auf diese einzigartig lange und einflussreiche Geschichte zurückblicken kann, tut dem Nationalstolz so gut, wie es dem Tourismusgeschäft hilft. Derzeit wird auch deshalb viel zur Bewahrung der Kulturgüter des Landes unternommen. Etliche neue Museen wurden eingeweiht, andere sind im Bau oder werden gerade saniert. So wurde zum Beispiel das Museum von Mallawi in der oberägyptischen Provinz Al-Minya drei Jahre nach einer Plünderung wiedereröffnet. 950 der einst 1089 Ausstellungsstücke pharaonischen, griechisch-römischen, koptischen und islamischen Ursprungs sind wieder zu sehen. Der Rest verschwand 2013 während des Angriffes durch die plündernden Banden. In Alexandria wurde Anfang 2020 die Eliyahu-Hanavi-Synagoge nach der Sanierung in altem Glanz wiedereröffnet. Umgerechnet 5,5 Millionen Euro wurden aus der Staatskasse für die Renovierung bereitgestellt. Zum ersten Schabbat-Gebet nach der Wiedereröffnung reisten 180 ägyptische Juden aus dem Ausland an.

      In die Museumslandschaft Ägyptens ist Bewegung gekommen. Lange soll es auch nicht mehr dauern, bis endlich das Echnaton-Museum in Al-Minya, 250 Kilometer südlich von Kairo, eingeweiht wird. Die Außenhülle des pyramidenförmigen Gebäudes ist strahlenförmig gebrochen und soll damit an den Sonnengott Aton erinnern. Es ist das drittgrößte Museum des Landes, sein Innenausbau wird von der Museumsagentur der deutschen Bundesregierung unterstützt. Lange kann es eigentlich nicht mehr dauern, bis auch das zweitgrößte Museum Ägyptens eröffnet wird. Das Haus mit dem Namen National Museum of Egyptian Civilization möchte dann 5000 Jahre Landesgeschichte präsentieren.

      Und damit die Touristen und die Ägypter auf den Geschmack kommen, hat man vier Sphingen aus dem Karnak-Tempel bei Luxor und einen 17 Meter hohen und 90 Tonnen schweren Obelisken aus dem Nildelta in die Hauptstadt geschafft. Die fünf Stücke wurden auf den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos gestellt. Das hat etwas Aufregung verursacht, weil antike Monumente und neuzeitliche Abgaswolken sich nicht wirklich vertragen. Vielleicht ist es ja so, dass mancher vom Regime darauf hofft, dass die paar Jahre Polizeistaat, die Ägypten gerade durchlebt, angesichts von Tausenden von Jahren glorreicher Historie ganz und gar nebensächlich werden.

      Vor allem aber fiebert man derzeit der feierlichen Einweihung eines großen Teils vom Grand Egyptian Museum entgegen, die im Herbst 2020 erfolgen soll. Es ist ein Bau der Superlative. Die Hauptfassade aus Glas und Alabaster, entworfen vom irischen Architekturbüro Heneghan Peng, ist fast einen Kilometer lang. Das Gebäude befindet sich in der Nähe der Pyramiden von Giza und soll mit seiner Gestalt eine Art künstliches Felsplateau bilden. Als ich den Museumsdirektor und Archäologen Tarek Tawfik auf der Baustelle besuchte, wusste er gar nicht, wovon er zuerst schwärmen sollte, von der Piazza vor dem Haupteingang mit einem der größten altägyptischen Obelisken oder vom Atrium, in dem die Kolossalstatue von Ramses II. die Besucher begrüßen wird, oder von der majestätischen Treppe, die nach oben zum Licht führt und auf der 87 der wichtigsten Exponate stehen werden. Am Ende der Treppe, gewissermaßen als Belohnung für den Aufstieg, sieht der Besucher durch ein 27 Meter hohes Panoramafenster die Pyramiden von Giza – in nur 2000 Metern Entfernung. Oben angekommen hätte der Besucher dann die Wahl, sagt der Direktor: »Entweder man geht nach rechts zu den Galerien von Tutanchamun. Oder nach links in die chronologischen Galerien mit mehr als 45 000 Artefakten aus dem Alten Ägypten. Der Star des Museums wird natürlich König Tutanchamun sein. Auf 7000 Quadratmetern zeigt Ägypten zum ersten Mal die mehr als 5000 Artefakte komplett, die in dem Grab gefunden wurden, einschließlich der berühmten Totenmaske aus Gold.« Die Tutanchamun-Galerie wurde von der Firma Atelier Brückner aus Stuttgart gestaltet. »Das war natürlich der totale Wahnsinn«, erinnert sich Shirin Brückner. »Das hätte ich im Traum nicht gedacht, dass wir mal das größte Museum der Welt mitgestalten werden.«

      Museumsdirektor Tarek Tawfik freut sich ganz besonders auf den Moment, wenn die Königin Hetepheres gewissermaßen nach Hause zurückkehrt. Die Grabbeigaben der Mutter von König Cheops wurden einst ganz in der Nähe des neuen Museums gefunden. »Jetzt werden die Artefakte direkt vor der großen Glasfassade platziert, von wo aus man zu ihrem Entdeckungsort schauen kann. Was für eine innige Beziehung – so sollte ein Museum sein!«

      Kurz nachdem Tarek Tawfik mir das alles mit einer Begeisterung erzählte, die nur ein Vollblutarchäologe empfinden kann, wurde er übrigens seines Amtes als Museumsdirektor enthoben. Stattdessen ist jetzt ein Armeegeneral der Projektleiter und damit das Gesicht des neuen Museums in der Öffentlichkeit. Offiziell begründet wurde dies nicht. Wenn man Ägypter fragt, erhält man möglicherweise folgende Antwort: Naja, vielleicht musste ein hochrangiger Militäroffizier für seine loyalen Dienste belohnt werden. Das ist Alltag in einem Land mit jahrtausendealter Kulturgeschichte, das heute von einem Militärregime beherrscht wird. Die Beziehung des ägyptischen Volkes zu seinen Herrschern war niemals leicht und selten harmonisch. Im Februar 2011 führte ein wahrer Volksaufstand sogar zum Sturz des Machthabers Mubarak. Doch heute herrscht wieder das Militär. Warum ist es bisher immer so gekommen?

       Gestohlene Revolutionen

       Ägyptischer Frühling

      Der 8. Februar 2011 ist ein ungewöhnlich warmer Wintertag in Kairo. Mubarak-Gegner halten seit elf Tagen den Tahrir-Platz im Stadtzentrum besetzt und haben ihn in eine faszinierende Oase des zivilen Widerstands verwandelt. Manchmal sind es Zehntausende, die hier laut, bunt und entschlossen protestieren, an vielen anderen Tagen sind es Hunderttausende. Wie so oft seit dem 25. Januar, dem Beginn des Volksaufstandes gegen Präsident Hosni Mubarak, laufe ich kreuz und quer über den Platz. Auf der Suche nach einer Toilette betrete ich schließlich die Omar-Makram-Moschee. Ich muss eine Viertelstunde lang anstehen. In der Schlange vor der Toilette warten junge und alte Ägypter, sie sind bärtig oder glattrasiert, tragen Jeans oder die Gallabiyya, das traditionelle weite Kleid der Männer. Die Stimmung begeistert mich, ich schnappe die Wörter Zivilgesellschaft, Rechtsstaat СКАЧАТЬ