Das Asam Vermächtnis. Rüdiger Woog
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Читать онлайн книгу Das Asam Vermächtnis - Rüdiger Woog страница 6

Название: Das Asam Vermächtnis

Автор: Rüdiger Woog

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783969177112

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СКАЧАТЬ geradelt? Wahrscheinlich über hundert Mal. Und jedes einzige Mal hatte er dieselbe Ehrfurcht vor diesem Ort empfunden. Wenn ihn die Strömung an den Mauern des anderthalb Jahrtausende alten, wenn nicht noch älteren Klosters vorübertrieb, dann sah er einen Ort zeitloser Beständigkeit. Er fühlte sich wie in einem tickenden Kettenkarussell, das immerzu um einen steten Mittelpunkt kreist, und dieser Mittelpunkt war das Kloster Weltenburg – eine Feste inmitten der rastlosen Welt, die sich außerhalb der Klostermauern unentwegt weiterdrehte, sich veränderte, verging und wieder erstand, eine Welt, die so beständig war wie das Sonnenglitzern auf den Donauwellen an heißen Sommertagen.

      Und nun stand er an seinem Fluss und fragte sich, was da an ihm vorbeigezogen sein mochte, was er nicht mitbekommen hatte. Was war mit Tim Gräber passiert und wie kam diese überambitionierte Kollegin dazu, ihn wie einen Schuljungen zu behandeln und sogar – hatte sie das wirklich? – in den Kreis der Verdächtigen mit aufzunehmen? Moment mal: Was für ein Kreis? Galt er sogar als einziger Verdächtiger? Leo schüttelte mit einem bitteren Lächeln den Kopf und bückte sich nach einem flachen Kieselstein. Er schleuderte ihn aus der Hüfte heraus auf das Wasser, um ihn darüber tanzen zu lassen, aber anstatt vier-, fünfoder sechsmal über die Wasseroberfläche zu hüpfen, versank er nach dem zweiten Sprung mit einem hohlen Plattscher für immer und ewig in den unergründlichen Tiefen des Donaudurchbruchs.

      5

      Adi rührte in seinem Teeglas und sah dabei angewidert auf Leos Kaffeehaferl, auf dem die Kelheimer Befreiungshalle auf der einen und die Regensburger Walhalla auf der anderen Seite, beides Bauwerke Leo von Klentze, abgebildet waren.

      »Ich werde nie verstehen, wie du dieses Automatengesöff runterkriegst«, sagte er zu Dietz.

      »Und mir geht nicht ein, was man nur an Tee finden kann. Ich gebe zu, dass er immer richtig lecker riecht, aber letztendlich schmeckt er dann doch nur nach heißem Wasser.«

      »Das ist auch kein normaler Tee, du Kulturbanause«, rief Adnan.

      »Das ist echt türkischer Kaçkar. Was Besseres gibt es nicht auf der Welt!«

      Aber Leo hörte schon nicht mehr zu. Er hatte an seinem PC die Fenster mit den aktuell zu bearbeitenden Fällen, sprich unzähligen Formularen, Anträgen und Anfragen, kleingemacht und Bilder von historischen Lanzen aufgerufen. Nach einer Weile stieß er auf eine Waffe, die ziemlich so aussah, wie die am vergangenen Freitag in Weltenburg, mit der Gräber ermordet worden war. Leo machte das Bild größer und klickte auf Drucken. Da der Drucker in der Mitte ihrer beider Tische stand, sah Adnan den Ausdruck und blickte fragend zu seinem Kollegen hinüber.

      »Ist das so eine Lanze wie die in Weltenburg, von der du mir erzählt hast?«

      Dietz nickte.

      »Eigentlich hätte ich sie fotografieren sollen, aber dann hätte mir die Landshuter Schnepfe wahrscheinlich noch Handschellen angelegt.«

      Adi zog das Bild aus der Druckerausgabe.

      »Weißt du was, die sieht aus wie die Lanze des Longinus. Da gibt’s doch hunderte Filme drüber.«

      Leo verstand nicht sofort, was sein Kollege meinte.

      »Geht’s jetzt um Das Leben des Brian, oder was meinst du?«

      »Ich sag’s ja, du bist einfach ein Kulturbanause!«, lachte Adi.

      »Nein, Mann. Dies hier ist eine Abbildung der Lanze, mit der der römische Soldat Longinus Jesus am Kreuz in die Seite stach, um zu sehen, ob er noch lebte«, erklärte er.

      »Ach so, ja, klar, die Geschichte kenne ich schon. Die deutsch-römischen Kaiser hatten ja immer behauptet, sie in ihrem Besitz zu haben …«

      Leo googelte die Lanze des Longinus und bekam sofort über eine Million Treffer.

      »Hör mal, hier steht, dass sogar Hitler und Himmler persönlich danach gesucht haben und dass Reste davon in der alten Reichskrone eingefasst wurden. Die Krone befindet sich jetzt in der Wiener Schatzkammer.«

      »Klar«, meinte Adi, »das ist wie bei Indiana Jones: Sobald es irgendwo auf der Welt einen sakralen Fetisch gibt, manchmal ist es die Bundeslade, manchmal der Gral, dann sind sofort die Nazis hinterher und wollen damit die Welt erobern, gutes, altes Hollywood eben. Aber letzten Endes sind das alles nur Legenden ohne jeglichen wissenschaftlichen Beleg.«

      Leo sah auf die Uhr. Er musste es heute unbedingt pünktlich nach Hause schaffen. Seine Tochter spielte um neunzehn Uhr bei einem kleinen Schultheaterstück mit, worauf er sich schon seit Wochen freute. Michaela hatte Anna und ihm kein Sterbenswörtchen über ihre Rolle verraten, nur so viel, dass es sich um ein lustiges Stück handeln sollte. Aber von Aufregung konnte bei Michaela gar keine Rede sein. Anna hingegen war schon die ganze Woche nervös und auch Leo würde seinen Blutdruck auf die Zerreißprobe stellen, wenn sein kleiner, lispelnder Engel in zwei Stunden die Bühne in der Schulturnhalle betreten sollte. Also fuhr er den PC herunter, schüttete den mittlerweile kalten Milchkaffee runter und steckte den Ausdruck mit der schwarzen Lanze in seine Jackentasche. Gerade wollte er sich von Adi verabschieden, als sein privates Handy läutete. Die Nummer kannte er nicht.

      »Ja, hallo, hier Leo Dietz?«, meldete er sich.

      »Challo Cherr Dietz, Choffmann-Bühl am Apparat«, meldete sich das andere Ende der Leitung, »wir chatten gestern das Vergnügen.«

      »Äh, ja, hallo Frau Hoffmann-Bühl«, erwiderte Leo und schielte genervt zu Adi hinüber, »wieso rufen Sie auf dieser Nummer …«

      »Wir chaben mit Tim Gräbers Frau gesprochen«, unterbrach sie ihn schon wieder. Aus einem gewissen Trotz heraus antwortete er nicht, sondern wartete ab, was da noch kommen würde.

      »Sie cheißt Katja. Erinnern Sie sich?« Nein, das tat er nicht.

      »Tut mir leid, ich habe zwar einmal gehört, dass Tim geheiratet hätte, aber ich wusste nicht, wen.«

      »Sie erinnern sich also nicht an Katja?«, hakte Hoffmann-Bühl nach.

      »Nein, weshalb sollte ich das denn?«

      »Das ist aber komisch, Cherr Kollege. Denn Frau Gräber erinnert sich sehr wohl an Sie. Sie sagt, sie chätten sich früher sogar sehr gut gekannt, ihr Geburtsname ist übrigens Kuhning.«

      Katja Kuhning? Das war absolut unmöglich! Auch sie hatte mit Tim und Leo dasselbe Gymnasium besucht, aber die Uncoolen und Loser seinerzeit niemals auch nur eines einzigen Blickes gewürdigt. Vermutlich wusste sie gar nicht, dass es außer ihrem kleinen, privaten Fanclub, der ihr auf Schritt und Tritt folgte, noch andere sterbliche Lebewesen in der Klasse gab. Wie sollte sich so ein Mädchen, beziehungsweise so eine Frau, mit jemandem wie Tim Gräber einlassen? Katja Kuhning war der Inbegriff des schönen Biests, des blonden Gifts, aus einem amerikanischen Highschool-Film. Die Welt war für sie getrennt in Verehrer, Diener und Kriechtiere. Ganz ohne Frage war sie das meist verehrte und begehrte Mädchen der Schule. Als sie sechzehn oder siebzehn Jahre alt war, wurde sie zur Weißbierkönigin gewählt – ja, auch Leo hatte für sie gestimmt – und bei der kleinen Siegesfeier im Tennisheim waren sie sich sogar ziemlich nahegekommen, woraus eine fast zweiwöchige, leider ziemlich einseitige Beziehung entstand, deren Feuer seitens der frisch gekürten Weißbierkönigin schneller erloschen war, als man bis drei zählen konnte. Katja Kuhning und Tim Gräber! Wie konnte denn das zusammenpassen? Die Göttin und der Loser …

      »Chören Sie, Cherr Kollege, abgesehen von Ihrer kleinen Gedächtnislücke СКАЧАТЬ