Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Große verfilmte Geschichten
isbn: 9783955012205
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Daran hab' ich nicht gedacht, sprach Praxedis errötend.
Ihr denkt noch an vieles nicht, sprach Wiborad. Sie schaute Praxedis mit einem musternden Blick von oben bis unten an. Ihr denkt auch nicht, daß Ihr heut ein grüngelb Gewand traget, und daß solch herausfordernde Farbe weltabgewandten Augen ein Greuel ist, und daß Ihr den Gürtel so lose und nachlässig darum geschlungen habet, als wäret Ihr eine landfahrende Tänzerin. Wachet und betet!
Die Klausnerin verschwand eine Weile, dann kehrte sie zurück und reichte einen grobgedrehten Strick heraus. Du dauerst mich, arme Lachtaube, sprach sie. Reiß ab die seidegestickte Umwindung und empfah' hier den Gürtel der Entsagung aus Wiborads Händen; der soll dir eine Mahnung sein, daß du unnützem Schwatzen und Tun den Abschied gebest. Kommt aber wieder eine Versuchung eitlen Herzens über dich, Wächtern Kußhände zuzuwerfen, so wende dein Haupt gen Sonnenaufgang und singe den Psalm: Herr, zu meinem Beistand eile herbei! – und will auch dann der Friede nicht bei dir einkehren, so brenn ein Wachslicht an und halt den Zeigefinger über die Flamme, so wirst du sicher sein zur Stunde.45 Das Feuer heilt das Feuer.
Praxedis schlug die Augen nieder.
Eure Worte sind bitter, sprach sie.
Bitter! rief die Klausnerin, gelobt sei der Herr, daß auf meinen Lippen kein süßer Geschmack wohnt! der Mund der Heiligen muß bitter sein. Da Pachomius in der Wüste saß, trat der Engel des Herrn zu ihm und brach die Blätter des Lorbeerbaums und schrieb die Worte des Gebets drauf und gab sie dem Pachomius und sprach; verschling die Blätter; sie werden schmecken in deinem Munde wie Galle, aber dein Herz wird erfüllt werden vom Überschwall wahrer Weisheit. Und Pachomius nahm die Blätter und aß sie, und von Stund an blieb sein Mund bitter, sein Herz aber füllte sich mit Süße und er pries den Herrn.46
Praxedis schwieg. Es blieb eine Zeitlang still. Die andern Frauen der Herzogin waren nicht mehr zu sehen. Wie die Klausnerin ihren Gürtel herausreichte, hatten sie einand mit dem Ellbogen angestoßen und waren leise um das Häuslein geschlichen. Sie pflückten einen großen Strauß Heidekraut und Herbstblumen im Walde und kicherten dazu.
Wollen wir auch einen solchen Gürtel umlegen? sprach die eine.
Wenn die Sonne schwarz aufgeht, sprach die andere.
Praxedis hatte den Strick ins Gras gelegt. Ich will Euch Eures Gürtels nicht berauben, sprach sie jetzt schüchtern zum Fenster der Zelle hinauf.
O harmloses Gemüt, sprach Wiborad, der Gürtel, den wir tragen, ist kein Kinderspiel wie der, den ich dir reichte; der Gürtel Wiborads ist ein eiserner Reif mit stumpfen Stacheln und klirrt wie eine Kette und schneidet ein; – deine Augen erschauerten seines Anblicks.47
Praxedis schaute nach dem Wald, als wolle sie spähen, ob Romeias nicht bald zurückkehre. Die Klausnerin mochte bemerken, daß es ihrem Gast nicht allzu behaglich war, sie reichte ein Brett aus ihrem Fensterlein, drauf war ein halb Dutzend rotgrüner Äpfel gelegt.
Wird dir die Zeit lang, Tochter der Welt? sprach sie. Greif zu, wenn die Worte des Heils dich nicht sättigen. Backwerk und Süßigkeiten hab' ich nicht, aber auch diese Äpfel gefallen dem Herrn wohl, sie sind die Speise der Armen.
Die Griechin wußte, was der Anstand erheischt. Aber es waren Holzäpfel. Wie sie den ersten zur Hälfte verzehrt, verzog sich ihr anmutiger Mund, und unfreiwillige Tränen perlten in den Augen.
Wie schmecken sie? rief die Klausnerin. Da tat Praxedis, als ob des Apfels Rest zufällig ihrer Hand entfalle. Wenn der Schöpfer allen solche Herbigkeit anerschaffen, so hätte Eva nimmermehr vom Apfel gekostet, sprach sie mit sauersüßem Lächeln.
Wiborad war beleidigt. Gut! erwiderte sie, daß du der Eva Angedenken nicht erlöschen lässest. Die hat denselben Geschmack gehabt wie du, drum ist auch die Sünde in die Welt gekommen.48
Die Griechin blickte nach dem Himmel. Aber nicht aus Rührung. Ein Falke kreiste einsam über Wiborads Zelle. O könnt' ich mit dir über den Bodensee fliegen, dachte sie. Dann wiegte sie schalkhaft ihr Haupt.
Wie muß ich's anfangen, fragte sie, daß ich vollkommen werde, wie Ihr?
Der Welt gründlich entsagen, antwortete Wiborad, ist eine Gnade von oben; der Mensch kann sich's nicht geben. Fasten, Quellwasser trinken, das Fleisch abtöten, Psalmen beten, das sind nur Vorbereitungen. Das wichtigste ist ein guter Schutzheiliger. Wir Frauen sind ein gebrechlich Volk, aber eindringlich Gebet ruft die Streiter Gottes an unsere Seite, die helfen. Schau her ans kleine Fenster, da steht er oft in nächtlicher Stille, der Erlesene meiner Gedanken, der tapfere Bischof Martinus, und hält Schild und Lanze wider die anstürmenden Teufel; ein blauer Strahlenkranz geht von seinem Haupte aus, es zuckt durchs Dunkel wie Wetterleuchten, wenn er naht, und grunzend entfliehen die Dämonen. Und wenn der Kampf geendet, dann pflegt er gar traulichen Zwiespruch; ich klag' ihm, was das Herz bedrängt, all die Not, die ich mit den Nachbarinnen habe, und alles Leid, das mir die Klosterleute zufügen, und der Heilige nickt und schüttelt die wallenden Locken und nimmt alles mit sich himmelaufwärts und teilt es seinem Freund, dem Erzengel Michael, mit, der hat jeden Montag Wache am Thron Gott Vaters,49 so kommt's an den rechten Ort, und Wiborad, die letzte der letzten im Dienste des Hochthronenden, ist nicht vergessen...
Da will ich den heiligen Martinus auch zu meinem Schutzpatron erwählen, sprach Praxedis. Aber darauf hatte Wiborads Lobspruch nicht gezielt. Sie warf einen verächtlich eifersüchtigen Blick auf die roten Wangen der Griechin. Der Herr verzeih Euch Eure Anmaßung, sprach sie mit gefalteten Händen; – glaubt Ihr, das ist mit einem leichtfertigen Wort und mit einem glatten Gesicht getan? Unerhört! Viel lange Jahre hab' ich gerungen und die Falten der Askesis wie Narben auf der Stirn getragen und war noch nicht von ihm begnadigt, daß er mir nur einen Blick zuwarf. Es ist ein fürnehmer Heiliger und ein tapferer Kriegsmann vor dem Herrn, der schaut nur auf erprobte Streiterinnen.
Er wird mein Gebet nicht gröblich abweisen, warf Praxedis ein.
Ihr sollt aber nicht zu ihm beten, rief Wiborad zornig. Ihr dürft nicht zu ihm beten. Was hat er mit Euch zu schaffen? Für Euresgleichen sind andere Schutzheilige. Ich will Euch einen sagen. Nehmt Ihr den frommen Vater Pachomius zum Patron.
Den kenn' ich nicht, sagte Praxedis.
2 .. Castitatis, inquit, fili mi, tibi cingulum per hoc lineum meum a Deo accipe. Continentiaeque cingulum per hoc lineum meum a Deo accipe, continentiaeque strophio ab hac deinceps die per Wiboradam tuam te praecinctum memento. Cave autem, ne ullis abhinc colloquiis vanis mulierculis miscearis. Et si, ut facillime fit, aliquo carnis igne incensus fueris, loco in quofueris, mutato, »Deus in adiutorium meum intende. Domine ad adiuvandum me festina« mox cantaveris. Sin autem sic pacem aliquo alio lapsu tuo vetante non habueris, titionem sive candelam ardentem quasi aliud aliquid agas querens, digitum vel leviter adure, eodemque versu dicto securus eris. Ekkeh. IV. casus S. Galli cap. 3 bei Pertz Mon. II. 107.
3 .. et accepit angelus folia lauri et scripsit in eis verba orationis et dedit ea Pachumio dicens; manduca ea, et erunt amara in ore tuo sicut fel, ventremque tuum implebunt obsecrationibus СКАЧАТЬ