Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Große verfilmte Geschichten
isbn: 9783955012205
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Die Leute ringsum aber hielten die Klausnerin hoch in Ehren; sie sei eine hartgeschmiedete Meisterin,43 sagten sie, und an manchem Sonntag stund Haupt an Haupt auf dem Wiesenplan, und Wiborad stund an ihrem Fensterlein und predigte ihnen, und andere Frauen siedelten sich in die Nähe und suchten bei ihr Anleitung zur Tugend.
Wir sind an Ort und Stelle, sprach Romeias. Da blickte Praxedis mit ihren Begleiterinnen um. Kein menschlich Wesen war zu erschauen; verspätete Schmetterlinge und Käfer summten im Sonnenschein, und die Grille zirpte flügelwetzend im Gras. An Wiborads Zelle war der Fensterladen angelehnt, so daß nur ein schmaler Streif Sonnenlicht hineinfallen konnte. Dumpfes, langsam und halb durch die Nase gesungenes Psalmodieren tönte durch die Einsamkeit.
Romeias klopfte mit seinem Jagdspieß an den Fensterladen, der blieb, wie er war, angelehnt; das Psalmodieren tönte fort. Da sprach der Wächter: Wir müssen sie anderweitig herausklopfen!
Romeias war ein Mann von ungeschliffener Lebensart, sonst hätte er nicht getan, was er jetzt tat.
1 .. wil er zu nacht aber da buliben, so soll ieklich schupposse, die in den hof hoeret, geben ein hun usw. Grimm, Weistümer I. 1.
2 .. canem seucem, quem »leithihunt« vocant... seucem, qui in ligamine vestigium tenet, quem »spurihunt« dicunt... Canem, quem »bibarhunt« vocant, qui sub terra venatur. lex Baiuvarior. tit. 19 de canibus. Siehe auch lex Alamannor. tit. 82 de canibus.
5 Siehe vita S. Galli bei Pertz Monum. II. 9.
6 Regula S. Benedicti, cap. 1.
7 In rauhen Zeiten sucht der Mensch seinem Gott auch in rauher Form zu dienen. Das Klausnertum sagte damals weltabgewandten Gemütern zu, und Beispiele von solchen, die über zwanzig und dreißig Jahre lang solch eine freiwillig auferlegte Einzelhaft trugen, beweisen, daß das physische Leben durch einen starken, vom Glauben, etwas Verdienstliches zu tun, beseelten Willen lang gefristet werden kann. In der Handschrift der sanktgallischen annales maiores ist ein Abbild des Priesters Hartker enthalten, eine unterwürfige, krummgebeugte, demütig kasteite Gestalt in faltigem Mönchsgewand mit großer Tonsur und der Überschrift: Hatkerus reclusus. Siehe Pertz Monum. I. 72. Diesem ist im liber benedictionum folgender Nachruf gewidmet:
8 Wiborad ist ein altdeutscher Name und bedeutet »Rat der Weiber«. – Zwei Mönche des Klosters Sankt Gallen, Hartmann und Hepidan, haben die Lebensgeschichte dieser durch ihren tragischen Ausgang bedeutend gewordenen Klausnerin verfaßt. Sie sind in die acta Sanctor. der Bollandisten (Monat Mai, Bd. I. 284 u. ff.) aufgenommen. Siehe auch Pertz Monum. VI. 452.
Er begann ein Lied zu singen, womit er oftmals die Klosterschüler ergötzte, wenn sie in seine Turmstube entwischten, ihn am Bart zu zupfen und mit dem großen Wächterhorn zu spielen. Es war eine jener Kantilenen, wie deren, seit daß es eine deutsche Zunge gibt, auf freier Heerstraße, an Wegscheiden und Waldecken und draus auf weiter Halde schon manches gute Tausend in den Wind gesungen und wieder verweht worden, und lautete also:
Ich weiß einen Stamm im Eichenschlag, Der steht im grünsten Laube, Dort lockt und lacht den ganzen Tag Eine schöne wilde Taube. ich weiß einen Fels, draus schillt und schallt Nur Krächzen und Geheule, Dort haust fahlgrau und mißgestalt Eine heisre Schleiereule. Des Jägers Horn bringt süßen Klang, Des Jägers Pfeil Verderben: Die Taube grüß ich mit Gesang, Die Eul' muß mir ersterben! |
Romeias' Lied hatte ungefähr die Wirkung, als wenn er einen Feldstein in Wiborads Laden geworfen. Alsbald erschien eine Gestalt an der viereckigen Fensteröffnung, auf hagerem Halse hob sich ein blasses, vergilbtes Frauenantlitz, in dem der Mund eine feindselige Richtung aufwärts gegen die Nase genommen; von dunklem Schleier vermummt, beugte sie sich weit aus dem Fensterlein, die Augen glänzten unheimlich. Schon wieder, Satanas? rief sie.
Da trat Romeias vor und sprach mit gemütlichem Ausdruck: Der böse Feind weiß keine so schönen Lieder wie Romeias, der Klosterwächter. Beruhigt Euch, Schwester Wiborad, ich bring ein paar feine Jungfräulein, die Herren im Kloster lassen sie Euch zu annehmlicher Unterhaltung empfohlen sein.
Hebet euch weg, ihr Truggestalten! rief die Klausnerin. Wir kennen die Schlingen, die der Versucher legt. Weichet, weichet!
Praxedis aber näherte sich der Zelle und neigte sich sittig vor der dürren Bewohnerin: sie komme nicht aus der Hölle, sondern vom hohen Twiel herüber, setzte sie ihr auseinand. Ein wenig falsch konnte das Griechenkind auch sein, denn wiewohl ihre Kenntnis von der Klause im Schwarzatal sich erst von heute herschrieb, fügte sie doch bei, sie hätte von dem auferbaulichen Wandel der Schwester Wiborad schon so viel vernommen, daß sie die erste Gelegenheit genutzt, bei ihr anzusprechen.
Da schien es, als wollten sich einige Runzeln auf Wiborads Stirn glätten. Reich mir die Hand, Fremde! sprach sie und reckte ihren Arm zum Fensterlein hinaus. Die Kutte streifte sich ein weniges zurück, da war er in seiner ganzen fleischlosen Magerkeit dem Sonnenschein ausgesetzt.
Praxedis reichte ihr die Rechte. Wie der junge, lebenswarme Pulsschlag der weißen Hand an der Klausnerin dürre Finger anschlug, war sie langsam von der Griechin Menschlichkeit überzeugt.
Romeias merkte die Wendung zum Besseren, er wälzte etliche Felsstücke unter das Fenster der Zelle. In zwei Stunden hol' ich euch wieder ab; behüt' Gott, ihr Jungfräulein! sprach er. Und erschreckt nicht, wenn sie in Verzückung kommt, flüsterte er der Griechin zu.
Hiermit pfiff Romeias seinen Hunden und schritt ins Waldesdickicht. Er legte auch etwa dreißig Schritte ohne Hindernis zurück, aber dann drehte er sein struppig Haupt und wandte den ganzen Menschen um; auf den Spieß gestemmt, schaute er unverrückt nach dem Platz vor der Klause, als hätt' er etwas verloren. Hatte aber nichts zurückgelassen.
Praxedis lächelte und warf dem gröbsten aller Wächter eine Kußhand zu. Da machte Romeias kehrt, wollte seinen Spieß schultern, ließ ihn fallen, hob ihn auf, stolperte, erholte sich wieder und verschwand in gutem Trab jenseits der moosverwachsenen Stämme.
O Kind der Welt, das in Finsternis wandelt, schalt die Klausnerin herab, was soll die Bewegung deiner Hand?
Ein Scherz... sprach Praxedis unbefangen.
Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erschrak.
O Teufelswerk und Verblendung! fuhr jene predigend fort. Da lasset Ihr Eure Augen listig herumstreifen, bis sie dem Manne als wie ein Blitz ins Herz fahren, und werft ihm eine Kußhand zu, als wenn das nichts wäre. Ist das nichts, wenn einer rückwärts schaut, der vorwärts schauen sollte? Wer die Hand an den Pflug zu legen hat und siehet zurück, СКАЧАТЬ