Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»So ziehen Sie durch. Ziehen Sie durch!« sage ich. »Als ob Sie das könnten, bei dem Flackern in Ihren Augen.«
St. Vincent versuchte den Kopf abzuwenden.
»Sehen Sie mich an, Mann!« kommandierte McCarthy. »Sehen Sie mir in die Augen, wenn Sie es tun.« Wider Willen musste der Korrespondent den Kopf wieder drehen, sodass seine Augen denen des Irländers begegneten. »Jetzt!«
Zähneknirschend drückte St. Vincent ab – wenigstens glaubte er es zu tun. Sein Wille war bereit und gab den Befehl, aber die Angst in seiner Seele hielt ihn zurück.
»Wohl gelähmt, der arme, kleine, zitternde Finger, was?« grinste Matt dem gepeinigten Mann ins Gesicht. »Dann dreh ihn jetzt nach der anderen Seite, so, und leg ihn weg, vorsichtig … vorsichtig … vorsichtig.« Seine Stimme wurde zu einem knurrenden, beruhigenden Flüstern.
St. Vincent ließ den Drücker los, der Revolver glitt ihm aus der Hand, und mit einem kaum hörbaren Seufzer sank er kraftlos auf einen Stuhl. Er versuchte sich aufzurichten, fiel aber statt dessen mit dem Oberkörper auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den zitternden Händen. Matt zog sich die Fäustlinge an, warf ihm einen mitleidigen Blick zu, ging dann und schloss vorsichtig die Tür hinter sich.
6
Im Frühjahr setzte die große Abwanderung aus Dawson ein. Manche zogen fort, weil sie sich ein Vermögen gemacht hatten, viele, weil sie nichts mehr zusetzen konnten. Alle aber kauften Hunde, soviel sie nur kriegen konnten. Dann reisten sie über das dünne Frühlingseis nach Dyea.
Dave Harney hatte so viele Hunde aufgekauft, dass er die Preise diktieren konnte, und er diktierte nicht sanft! Er ging mit strahlendem Gesicht umher.
»Wollen Sie auch fort?« fragte ihn Welse eines Tages, als die blasse Mittagssonne zum ersten Mal wärmte.
»Denke nicht daran! Erst muss ich mein Lager an Mokassins losschlagen, von den Stiefeln gar nicht zu reden. Wissen Sie, Welse, mit dem Zucker haben Sie mich tüchtig hereingelegt, meine Puddings haben mich diesen Winter ein paar tausend Dollar gekostet. Aber ich hab’s wieder hereingeholt. Übrigens, haben Sie noch Gummistiefel?«
»Nein, mein Lager war schon Anfang des Winters geleert.«
Dave Harney lachte glückselig vor sich hin.
»Ja, wer mag die wohl fortgezaubert haben? Sehen Sie, das war wieder der pfiffige, kleine Dave.«
»Aber ich hatte doch meinen Leuten verboten, in Partien zu verkaufen!«
»Hat ja auch kein Mensch getan. Ein Mann pro Paar, ein Paar pro Mann, auf Ihre Jungens können Sie sich verlassen. Aber hundertmal eins gibt eben auch hundert, und jedes Mal war es eben mein Goldstaub, der in die Waagschale gefallen ist. Ob wir jetzt einen zusammen heben, Welse? Mir ist so komisch, ich glaube, ein doppelter Schnaps käme jetzt gerad’ in die richtige Ecke?«
*
Mitte April wurde am Hendersonfluss Gold gefunden; die Sache sah vielversprechend aus. Jacob Welse bereiste den Distrikt, und Frona begleitete ihn, denn es war eher eine Vergnügungs- als eine Geschäftsreise. Bald nach ihnen zog Gregory St. Vincent denselben Weg. Corliss und Bishop waren zunächst den linken Arm des Henderson hinaufgewandert. In einer Woche wollten sie auch bei den neuen Funden sein. Dann kam der Mai; jetzt war der Frühling so vorgeschritten, dass es gefährlich wurde, auf den Flüssen zu reisen. Über halb aufgetautes Eis zogen die Goldsucher und dankten Gott, wenn sie lebendig ihr Ziel erreichten. Es standen schon ein paar Hütten in der Nähe der neuen Funde, und ihre gastlichen Besitzer nahmen viele der Neuangekommenen auf. Welse und seine Tochter kampierten im Zelt, ihr Lager auf einem Höhenzug am oberen Ende von »Split-up-Island« im Yukon beherrschte wie ein Königssitz die ganze Gegend.
Die zunächst gelegene Insel hieß Freitags-Insel. Die beiden waren nur durch einen schmalen Kanal voneinander getrennt. Hier trafen Corliss und Bishop ein, als das Eis schon so morsch war, dass die Hunde beinahe ebensoviel schwimmen wie laufen mussten. Sie waren die letzten, die sich in diesem Winter über das Eis gewagt hatten. Nahe davon, auf Roubeau-Insel, hauste John Borg, ein mürrischer, alternder Bursche, der ungern sprach und sich am liebsten von der ganzen übrigen Menschheit abgesondert hätte. Zu seinem Unglück fand Gregory St. Vincent in seiner Hütte Quartier.
»Es ist nur wegen der Lausedollars«, sagte der Mann. »Gern nehm’ ich Sie nicht etwa auf. Werfen Sie Ihre Decken in die Ecke. Bella kann die eine Koje ausräumen. Wir brauchen sie sowieso nicht.«
Er öffnete den Mund erst wieder am Abend, um zu sagen: »Ihr Essen kochen Sie sich selber. Wenn das Mädel am Ofen fertig ist, können Sie anfangen.«
Das Mädel Bella war die schönste Indianerin, die Gregory je gesehen hatte. Sie hatte nicht die fettig dunkle Haut ihrer Rasse, sondern einen klaren, bronzefarbenen Teint, und ihre Züge waren weicher, edler, als man es in der Regel bei Indianerinnen findet.
Nach dem Abendbrot legte Borg beide Ellenbogen auf den Tisch, stützte sein Kinn in die mächtigen Fäuste, rauchte stinkenden Indianertabak und starrte vor sich hin. Sein Gesicht war unbeweglich wie eine Holzschnitzerei.
»Wohl schon lange im Land, alter Freund?« fragte St. Vincent, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
Borg wandte ihm seinen düsteren Blick zu. Es war, als sähe er in ihn hinein, durch ihn hindurch und doch an ihm vorbei. Während er St. Vincent betrachtete, schien er ganz zu vergessen, dass dieser Mann überhaupt existierte. Worüber er wohl grübeln mag? dachte der Geograf, indem er sich eine Zigarette drehte. Diese erste Zigarette war schon in duftenden Rauchringen aufgegangen. Eine zweite kam an die Reihe, als Borg endlich den Mund auftat.
»Fünfzehn Jahre«, sagte er, sonst kein Wort.
Eine halbe Stunde lang studierte Gregory wie fasziniert dies unergründliche Gesicht. Der Kopf war riesengroß, aber nicht zu groß für den mächtigen Stierhals, der ihn trug. Jede Einzelheit an diesem Kopf schien gewaltig entworfen, aber nicht ganz fertig geworden. Es war der unfertige Kopf eines alternden Riesen. СКАЧАТЬ