Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Die Matrosen grinsten. Sie wussten nämlich Bescheid. Und als die Forscher ihn überwachen ließen, dauerte es nicht lange, so wussten sie auch Bescheid. Sie sahen, wie er sich nach dem Frühstück nach vorn schlich und sich wie ein Bettler mit ausgestreckter Hand einem Matrosen näherte. Der Seemann grinste und reichte ihm einen Brocken von einem Zwieback. Er nahm ihn gierig, betrachtete ihn, wie ein Armer einen Goldklumpen betrachten würde, und steckte ihn unter sein Hemd. Von den anderen grinsenden Matrosen bekam er ähnliche Geschenke.
Die Forscher waren diskret und ließen ihn gewähren. In aller Stille untersuchten sie aber seine Koje. Und da entdeckten sie, dass die Koje mit Zwiebäcken gefüttert war. Die Matratzen waren mit Zwiebäcken ausgestopft. Jeder Winkel und jede Ritze war mit Zwiebäcken ausgefüllt. Und doch war sein Verstand völlig in Ordnung. Er wollte sich nur gegen die Möglichkeit eines neuen Verhungerns sicheren – das war alles. Die Forscher erklärten, dass er gesund werden würde. Und er war es auch, schon ehe die »Bedford« in der Bucht von San Franzisko vor Anker ging.
1
Ich weiß kaum, wo beginnen, wenn ich zuweilen auch im Scherz Charley Furuseth alle Schuld gebe. Er besaß ein Sommerhaus auf dem Lande, in Mill Valley, im Schatten des Tamalpais, bezog es aber nur, wenn er sich die Wintermonate vertreiben und, um auszuspannen, Nietzsche und Schopenhauer lesen wollte. Kam der Sommer, so gab er einem heißen, staubigen Dasein in der Stadt mit unablässiger Arbeit den Vorzug. Wäre es nicht meine Gewohnheit gewesen, ihn allwöchentlich von Sonnabend nachmittag bis Montag morgen zu besuchen, so hätte mich eben dieser Januar-Montagmorgen nicht auf der Bucht von San Francisco gesehen.
Das Schiff, auf dem ich mich befand, bot alle Sicherheit. Die ›Martinez‹ war eine neue Dampffähre, die ihre vierte oder fünfte Fahrt auf der Route Sausalito-San Francisco zurücklegte. Aber der dichte Nebel, der die Bucht wie mit einer Decke überzog, und von dem ich als Landratte keine rechte Vorstellung hatte, war gefahrdrohend. In der Tat erinnere ich mich noch der sanften Erregung, mit der ich meinen Platz vorn auf dem Oberdeck gerade unterhalb des Lotsenhauses eingenommen hatte, während die Geheimnisse des Nebels meine Fantasie umspannen. Es wehte eine frische Brise, und eine Zeit lang befand ich mich allein, in feuchte Finsternis gehüllt – allein und doch nicht allein, denn ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich der Lotse und noch ein Wesen, das ich für den Kapitän hielt, oben im Glashause über meinem Kopfe befanden.
Ich dachte daran, wie bequem die Arbeitsteilung war, die mich der Mühe enthob, Nebel, Winde, Gezeiten und Schifffahrtskunde zu studieren, und mir doch erlaubte, meinen Freund jenseits der Bucht zu besuchen. Ich stellte Betrachtungen über den Vorteil der Spezialisierung des Menschen an. Das Sonderwissen eines Lotsen und eines Kapitäns genügte für viele Tausende, die ebensowenig von See und Schifffahrt verstanden wie ich. Und ich wiederum hatte es nicht nötig, meine Kräfte auf das Studium unzähliger Dinge zu verschwenden, sondern konnte mich auf einige wenige konzentrieren, wie augenblicklich auf eine Untersuchung der Stellung Poes zu der übrigen amerikanischen Literatur – worüber ich, nebenbei bemerkt, gerade einen Aufsatz in der Zeitschrift ›Atlantic‹ geschrieben hatte. Als ich an Bord gekommen war, hatte ich beim Durchschreiten der Kajüte einen starken Herrn mit den Augen verschlungen, der in die, ›Atlantic‹ und offenbar gerade in meinen Aufsatz vertieft war. Und auch hier wieder das System der Arbeitsteilung: Das Sonderwissen von Lotsen und Kapitän brachten den starken Herrn sicher von Sausalito nach San Francisco und erlaubten ihm dabei, sich an den Früchten meines Sonderwissens über Poe zu laben.
Ein Mann mit rotem Gesicht unterbrach meine Betrachtungen. Er warf geräuschvoll die Kajütentür hinter sich zu und stapfte schwerfällig aufs Deck hinaus. Er warf einen raschen Blick auf das Lotsenhaus, betrachtete den Nebel, stapfte hin und zurück über das Deck (es sah aus, als hätte er künstliche Beine) und blieb endlich spreizbeinig und mit einem Ausdruck herber Freude im Gesicht neben mir stehen. Ich ging wohl nicht fehl in meiner Vermutung, dass er seine Tage auf dem Meere verbracht hatte.
»Scheußliches Wetter! Ein Wetter, das einem vorzeitig graue Haare verschafft!« rief er und nickte in der Richtung des Lotsenhauses.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass hier besondere Kunst nötig sei!« antwortete ich. »Es sieht so einfach aus wie das Abc. Der Kompass gibt die Richtung an. Entfernung und Fahrgeschwindigkeit sind bekannt. Ich sollte meinen, dass alles mit mathematischer Genauigkeit zu berechnen wäre!«
»Kunst!« schnaubte er. »Einfach wie das Abc! Mathematische Genauigkeit!«
Er schien sich zu recken, stemmte sich nach hinten gegen den Wind und starrte mich an: »Wie steht es zum Beispiel mit Ebbe und Flut hier im ›Goldenen Tor‹?« fragte oder brüllte er vielmehr. »Welche Fahrt macht die Ebbe? Wie läuft die Strömung, he? Bitte, horchen Sie mal! Die Glocke einer Ankerboje. Wir sind gerade darüber! Merken Sie, wie wir den Kurs ändern?«
Aus dem Nebel erklang das klagende Stöhnen einer Schiffsglocke, und ich sah, wie der Lotse das Steuerrad mit großer Schnelligkeit drehte. Das Läuten, das eben noch vor uns zu tönen schien, kam jetzt von der Seite. Unsere eigene Schiffspfeife fauchte heiser, und von Zeit zu Zeit quollen die Töne anderer Pfeifen aus dem Nebel hervor.
»Das ist eine Fähre!« sagte der Fremde, als jetzt rechts Pfeifen ertönte. »Und da! Hören Sie? Da bläst einer mit dem Munde! Höchstwahrscheinlich ein kleiner Schoner. Aufpassen, Mr. Schoner! Ach, hab’ ich’s nicht gedacht! Jetzt ist bei denen die Hölle los!«
Die unsichtbare Fähre stieß ein Nebelhornsignal nach dem anderen aus, und das kleine Horn tutete schreckenerregend.
»Und jetzt beweisen sie sich gegenseitig ihre Hochachtung und versuchen klarzukommen«, fuhr der Mann mit dem roten Gesicht fort, als das rasende Pfeifen aufhörte.
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