Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
isbn:
Corliss drehte sich um und sagte: »Wunderschön wäre es, wenn Sie jetzt endgültig das Maul hielten, Bishop.«
»Wer? Ich?«
»Nein, Sie!«
Bishop war gekränkt, aber dann hörte er Corliss lachen und dachte gar nicht mehr daran, zu schweigen.
»Ich will Ihnen in aller Freundschaft sagen, was Sie zu tun haben: sobald wir zurück sind, waschen Sie sich die Hände, binden sich einen sauberen Kragen um, gehen zu Ihrem Mädel, machen für jede Stunde und für jeden Tag etwas anderes mit ihr aus und legen so viel Beschlag auf ihre Zeit, dass das Stinktier einfach in einer Versenkung verschwindet. Wenn Sie die Sache dann so weit getrieben haben, dass man Sie anlächelt, wenn Sie kommen, und ein Maul zieht, wenn Sie gehen, dann greifen Sie gefälligst mit ihren beiden Vorderflossen zu, nehmen die Kleine mit einem Arm oben rum und mit einem Arm so um die Mitte und ziehen die ganze Geschichte so fest an sich, dass keine Briefmarke mehr dazwischen Platz hat. Dann wird Ihnen noch allerlei von selber einfallen, was dazugehört, und dann sagen Sie: Morgen spreche ich mit deinem Vater. Wie es dann weiter ausgeht, das kann ich Ihnen allerdings auch nicht sagen. Manchmal wird so was mit der Zeit immer schöner, man hat auch von Fällen gehört, die weniger erfreulich verliefen. Aber heiraten müssen Sie auf jeden Fall. Das soll eine Geschichte zum Totlachen sein, die muss jeder mal versucht haben. Am besten, ehe einer zu alt dazu ist und schließlich nichts leistet, wenn es drauf ankommt.«
Er trank, dampfte und dachte nach. Dann schloss er: »Dem Stinktier, falls es sich mausig machen sollte, kleben Sie eine in den Bauch oder an die Stelle, wo ich damals aus Versehen hingekommen bin mit meinem Händchen. Dann merkt er gleich, dass er Ihnen nicht sehr sympathisch ist, denn für dergleichen hat er ein ungeheuer zartes Empfinden, und zieht sich zurück. Sie haben’s ganz bestimmt nicht erst nötig, ihm den Schädel einzuschlagen.«
Damit stand Bishop auf, kratzte sich, wo es ihn juckte, das heißt überall, und ging nach geraumer Zeit hinaus, um die Hunde zu füttern.
*
Wieder einmal war Fronas Empfangszimmer voll von Menschen gewesen, darunter ein Franzose, Baron Courbertin, den St. Vincent eingeführt hatte. Die beiden standen auf Neckfuß miteinander. Sie kannten sich aus langvergangenen Tagen, hatten in Yokohama das Kirschblütenfest gefeiert, wussten viel von Geishas und dem Fudschijama zu berichten. Eine Zeit lang hatte Courbertin das Wort geführt, aber dann spürte er Gregorys Missbehagen, und als ein ritterlicher Freund zog er ihn auf, wie man eine Spieluhr aufzieht.
»Jetz abbe Sie sick lang in Réserve geallten! Vincent, ick kennen Sie nickt wieder! Wo ist die Elan? Die alte Elan? Ick sprecken und sprecken – Sie macke silence, allons donc, sprecke Sie!«
Es war nicht schwer, den Geografen zum Reden zu bringen. Er ließ eine Kanugeschichte vom Stapel, bei der sich allen Zuhörern die Haare sträubten. Er war mit einem feigen Kameraden den Kanonstrom hinuntergereist. Vor den Weißroß-Schnellen war der Bursche ausgestiegen und hatte es ihm allein überlassen, sich durch die Strudel zu kämpfen. Seine Nussschale von Boot war über die Schnellen getanzt, schwere Brecher waren über die Reling geschlagen und hatten das Boot fast zum Kentern gebracht. Auf Haaresbreite war er an tödlichen Riffen vorbeigeschifft, um endlich nach einer Todesfahrt von nur wenigen Minuten, die für ihn eine Ewigkeit voll von Schrecknissen bedeutete, ans sichere Ufer zu treten. Dann hatte er viele Stunden warten müssen, bis sein Kamerad ihn zu Fuß einholte.
»Eine feige Bestie!« rief einer aus der Gesellschaft.
»Sagen Sie das nicht«, belehrte ihn St. Vincent. »Persönlicher Mut ist nichts anderes als Nervensache. Man hat ihn, oder man hat ihn nicht, manche Menschen versagen in der Lebensgefahr und finden danach den Mut, sich beispielsweise selbst umzubringen. Ist es nicht merkwürdig, dass jemand um sein Leben zittert und doch stark genug ist, es von sich zu werfen?«
»Aber Sie! Aber Sie!« rief Frau Sheffield. »Wie viel tausend Mal haben Sie dem Tod ins Auge gesehen, und man hört es aus jedem Ihrer Worte, dass Sie nicht mit der Wimper gezuckt haben!«
Frau Sheffield lud St. Vincent und den Baron zum Abendessen ein, der Zufall brachte es mit sich, dass Frona und Corliss zusammen den Heimweg antraten. In schweigender Übereinkunft bogen sie zu einem großen Rundweg um Dawson aus, überkreuzten zahllose Fußwege und Schlittenpfade und kamen in die tiefe, schweigende Einsamkeit eines Winterabends in Alaska. Die Sonne hatte an diesem Tag kaum eine Stunde lang ein ärmliches, blasses Licht gespendet, schon um drei Uhr nachmittags war der Himmel voll von Sternen gewesen, und jetzt zeigten sich am Horizont die fantastischen Feuer des Nordlichts, ein zitterndes, flammendes, funkelndes Licht, erregend und dennoch kalt wie der Weltraum selbst.
Sie schritten in dieser magischen Beleuchtung hin, der Schnee knirschte unter ihren warmen Mokassins, ihr Atem kräuselte sich in weißen Dunstwolken. Zu ihren Füßen lag unter der großen Himmelswölbung ein dunkler Fleck inmitten der grenzenlosen weißen Einsamkeit: die Goldstadt Dawson, wie ein schwacher menschlicher Protest gegen die Unendlichkeit. Keiner von ihnen mochte sprechen, so wundervoll war alles, so unbeschreiblich gut tat es, die Lungen mit jedem Atemzug dieser eisgekühlten, würzigen Luft neu zu beglücken.
Männerstimmen und Rufe durchbrachen die Stille ganz in ihrer Nähe, dann kam heiseres Bellen, Peitschen knallten, ein beladener Hundeschlitten schwankte heran. Den reifbedeckten Wolfshunden hingen die warmen Zungen rot aus den heiß dunstenden Mäulern. Die beiden wussten nicht, welche Fracht man zu dieser Stunde hier um die Stadt herumführte, und blieben stehen. Auf dem Schlitten stand eine lange schmale Kiste aus ungehobelten Kieferbrettern. Darauf lag ein Kruzifix. Es war ein Leichenbegängnis. Zwei Peitschen schwingende Hundetreiber liefen rechts und links des Schlittens. Dahinter wankte eine fast blind geweinte Frau, ein Geistlicher im schwarzen Ornat gab ihr das Geleit.
»Ein toter Pionier«, brach Frona das Schweigen, als unter Winseln, Rufen und Knallen der Sarg in der Ferne verschwunden war, einer Art von Totenkammer entgegen, die man irgendwo vor der Stadt in das Eis gehauen hatte.
Corliss’ СКАЧАТЬ