Название: Jesus
Автор: Timothy Keller
Издательство: Bookwire
Жанр: Религиозные тексты
isbn: 9783765570889
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Jesus wird zornig auf die religiösen Führer. Warum das? Weil es beim Sabbat darum geht, dass Leeres wieder voll wird, dass die Ausgebrannten wieder neue Kraft bekommen, die Erschöpften gestärkt und die Zerbrochenen geheilt werden. Wenn Jesus die Hand dieses Mannes heilt, tut er genau das, was der Sabbat meint. Aber die Pharisäer sind so auf die Einhaltung ihrer Sabbatparagrafen fixiert, dass sie nicht wollen, dass Jesus diesen Mann heilt. Sie sind ein schier unglaubliches Beispiel für Menschen, die vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. Ihre Herzen sind gerade so verdorrt wie die Hand dieses Mannes. Sie sind verunsichert, weil sie ihre Regeln in Gefahr sehen. Anstatt barmherzig zu sein, sind sie borniert, verurteilend und egozentrisch. Warum sind sie das? Weil sie religiös sind.
Religion kontra Evangelium
Jesus zeigt in diesen Szenen, dass es zwei radikal unterschiedliche geistliche Paradigmen, Grundmodelle, gibt. Stellen Sie sich zwei Menschen vor, die beide das Gesetz Gottes befolgen wollen, aber beide eben von verschiedenen Standpunkten aus. Für den ersten ist dieser Gehorsam eine Last und ein Gefängnis, für den zweiten ist er eine Freude und ein Geschenk. Wie kann das sein? Das erste Paradigma ist das der Religion, die, wie wir schon sahen, im Wesentlichen ein System von Regeln und Anweisungen ist. Das zweite Paradigma ist das Evangelium von Jesus Christus, das mit einer Nachricht anfängt und endet. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Die meisten Menschen glauben, dass dann, wenn es einen Gott gibt, man durch Wohlverhalten Zugang zu ihm erlangt. Die meisten Religionen basieren auf diesem Prinzip, obwohl dies ein Thema mit tausend Variationen ist. Manche Religionen sind sozusagen nationalistisch: Wenn du zu Gott kommen willst, musst du zu unserer Gemeinschaft gehören und dich an unsere gesellschaftlichen Spielregeln halten. Andere sind spiritualistisch: Man kommt zu Gott, indem man bestimmte Transformationen seines Bewusstseins durchläuft. Wieder andere Religionen sind legalistisch, gesetzlich: Wenn ich einen bestimmten Verhaltenskodex einhalte, wird Gott mir wohlgesinnt sein. Doch alle diese Varianten folgen der gleichen Grundlogik: Wenn ich etwas leiste und gehorche, nimmt Gott mich an. Das Evangelium von Jesus Christus ist hier nicht nur anders, sondern das genaue Gegenteil: In Jesus Christus hat Gott mich ohne Wenn und Aber angenommen, und deswegen gehorche ich ihm.
Während meiner neunjährigen Pastorentätigkeit in Hopewell, einer kleinen Stadt in Virginia, kam mir dieser Unterschied zum ersten Mal zu Bewusstsein. Um das Jahr 1977 herum hielt ich eine Predigt zu dem Thema „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Ich erklärte diese Liebe damals so: „Ich glaube, Gott will uns sagen: ,Ich möchte, dass du die Bedürfnisse deiner Mitmenschen mit derselben Freude, demselben Eifer, derselben Entschlossenheit, derselben Fantasie und Kreativität und demselben Fleiß stillst, mit denen du deine eigenen stillst. Das ist mein Standard; so möchte ich, dass du dein Leben führst.‘“ Nach dem Gottesdienst sprach mich eine Teenagerin an. Sie erzählte mir, dass sie gerade auf einem Schulfest bei einem Wettbewerb an letzter Stelle gelandet war, während die Freundin gewonnen hatte. Sie sagte: „Wollen Sie mir sagen, dass die Bibel von mir verlangt, dass ich mich jetzt genauso für sie freue, wie ich mich gefreut hätte, wenn ich gewonnen hätte?“
Ich antwortete: „Hm, das ist ein tolles Beispiel. Das hätte ich in meiner Predigt glatt bringen sollen!“
Sie sah mich an und sagte: „Das Christentum ist ja voll verrückt! Wer lebt denn so?“
Wir setzten uns, um uns weiter zu unterhalten, und ich sagte ihr: „Jesus sagt ja wirklich: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘“
Sie erwiderte: „Also, da müsste ich erst mal genauer wissen, wer mein Nächster ist. Das kann doch nicht jeder sein. Wie weit um unser Haus herum reicht diese Regel in der Bibel?“ Sie fuhr fort: „Und dann möchte ich auch wissen, was ich genau alles machen muss für meinen Nächsten.“
Hören Sie die Angst in ihrer Frage? Das Mädchen war nicht selbstgerecht oder moralisierend, aber diese Liebe Gottes durch Jesus Christus, die sie annahm, so wie sie war, hatte sie noch nicht erfahren. Daher bestand für sie der Sinn des Gebotes darin, sicherzustellen, dass sie vor Gott und ihren Mitmenschen als „gut“ dastand und entsprechend behandelt wurde. Sie hatte nicht die innere Sicherheit, mit einem Gebot umzugehen, dass ein Leben der Liebe und des Gehorsams mit breiten, allgemeinen Pinselstrichen malt. Sie wollte es genau wissen, es haarklein ausgemalt haben, damit sie, wenn sie das Gebot befolgen würde, sich beruhigt zurücklehnen konnte. Wir alle neigen zu dieser Angst, nur dass einige von uns gelernt haben, sie besser zu verbergen, als dieses junge Mädchen das konnte.
In der Religion hat das Befolgen des Gesetzes den Sinn, sicherzustellen, dass Gott mich annimmt. Die logische Folge ist, dass ich Gesetze detailgenau befolgen muss. Ich will ganz genau wissen, was ich zu tun und zu lassen habe, denn ich darf ja nichts falsch machen. Ich frage nicht nach dem Geist und Sinn des Gebotes, sondern starre auf die Details; wenn ich das und das tue, diese Liste abhaken kann, dann weiß ich, dass ich das Gebot befolge. Im Leben des Christen funktioniert das Gesetz Gottes – obwohl es immer noch gilt – völlig anders. Es zeigt mir das Leben der Liebe, das ich vor dem Gott leben möchte, der so viel für mich getan hat. Gottes Gebot holt mich aus meiner Ichbezogenheit heraus; es zeigt mir, wie ich Gott und meinen Mitmenschen dienen kann, anstatt um mich zu kreisen. Ich vertiefe mich in die Gebote Gottes und befolge sie, um zu lernen, wie ein Leben aussieht, das dem, der mich erschaffen und von meiner Sünde und ihren Folgen erlöst hat, gefällt und ihm entspricht. Und auf keinen Fall werde ich es verbiegen oder „mundgerechter“ machen, indem ich es durch menschengemachte Regeln ergänze.
Der Herr des Sabbats
Angesichts dieses religiösen Übereifers sagt Jesus: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch des Sabbats“ (Markus 2,27-28). Er bekräftigt, ja feiert den Grundgedanken des Sabbats – dass wir ruhen müssen –, aber er verurteilt alle Gesetzlichkeit, die sich um die Sabbatausübung rankt. Er demontiert das ganze Grundmodell der Religion, und er tut dies, indem er auf seine Identität verweist.
Jesus hätte göttliche Vollmacht zur Änderung des Sabbats beanspruchen können, indem er etwa so gesagt hätte: „Ich bin der Herr über den Sabbat.“ Aber er sagt noch viel mehr.
Das Wort Sabbat meint eine tiefe Ruhe, einen tiefen Frieden. Es ist fast ein Synonym zu Shalom, das einen Zustand des Heils und Gedeihens in allen Bereichen des Lebens bedeutet. Wenn Jesus sagt: „Ich bin der Herr des Sabbats“ (ELB), meint er damit, dass er der Sabbat ist. Er ist die Quelle der tiefen Ruhe, die wir brauchen. Er ist gekommen, um die Art, wie wir ruhen, vollständig zu verändern. Der eine wöchentliche Ruhetag ist nur ein matter Spiegel der tiefen göttlichen Ruhe, die wir brauchen, und Jesus ist ihre Quelle.
Jesus sagt: „Ich bin der Herr des Sabbats; ich kann euch Ruhe geben.“ Was bedeutet das?
Wenn Jesus uns auffordert, zu ruhen, will er zunächst einmal, dass wir uns, körperlich und innerlich, regelmäßige Auszeiten von unserer Arbeit gönnen. Aber es gibt noch eine andere, tiefere Ebene des Ruhens. In 1. Mose 2,2 lesen wir, dass Gott nach seinem Schöpfungswerk ruhte. Warum tat er das? Weil er müde war? Nein, Gott wird nicht müde. Aber wie konnte er dann ruhen? Nun, ein anderer Grund zum Ausruhen ist, dass man mit einer Arbeit so rundum zufrieden ist, dass man sie СКАЧАТЬ