Halbtier. Böhlau Helene
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Halbtier - Böhlau Helene страница 5

Название: Halbtier

Автор: Böhlau Helene

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066114619

isbn:

СКАЧАТЬ spät heim. Sie hatten lange mit dem Abendessen auf ihn gewartet.

      Er war bei Emil gewesen, der auswärts wohnte und Emil hatte gerade einige Kameraden auf der Bude gehabt.

      Die Mutter seufzte, sie dachte sich ihr Teil.

      „Das solltest du doch nicht, bevor du deine Arbeiten gemacht hast, zu Emil gehen. Die setzen dir Gott weiß was in den Kopf, Karl. Studenten sind kein Verkehr für dich.“

      „Mama,“ sagte der Bub, „red’ doch net.“

      Er sprach nachlässig, schläfrig. Seine Backen sind außerordentlich ausgebildet und engen ihm die Mundwinkel ein, so daß der Mund etwas sonderbar Säuglinghaftes an sich hat, trotz einer gewissen bräunlichen Färbung, die ihn umgiebt und die mit einigen Härchen bepflanzt ist.

      „Mulier taceat in ecclesia,“ sagt der Bursche und schiebt ein großes Stück Butterbrot mit Wurst zwischen die Lippen.

      „Was hat er gesagt?“ fragt Isolde.

      „Das Weib schweige …… und so weiter,“ übersetzt der liebenswürdige Bruder patzig.

      „Zur Mutter hast du das gesagt?“ fragt Isolde ganz bleich.

      „Bäh!“ macht der Bruder. Und im Nu hat er von Isoldes Hand eine so derbe Ohrfeige, daß seine etwas gelbe Wange stark gerötet ist.

      „Mama, wie kannst du dir das von dem Flegel gefallen lassen?“

      Karl stürzt wutbleich auf Isolde, die weiß sich aber zu wehren.

      „Laß ihn doch,“ ruft Frau Doktor Frey, „erbittere ihn nicht. Du weißt, er muß heut abend noch arbeiten.“

      „Ja wohl, ich soll mich schließlich von dem Bengel wiederhauen lassen! Jetzt müßte noch Emil kommen, der Großhirnmensch, der vor lauter Intelligenz nächstens durch das Examen purzeln wird.“

      „Bst — bst!“ machte die Mutter, „Friede — Friede — Bedenke, daß du ein Mädchen bist.“

      „Was soll man da bedenken? Daß i net lach!“ sagte sie ganz wie ihr Vater.

      *

      Am Abend, beim Ausziehen, als sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatten und die Mutter noch neben Karl in der Wohnstube saß, um den schläfrigen Burschen beim Arbeiten zu überwachen, gab es eine sonderbare Szene zwischen den Schwestern.

      „Ide göh“, sagte Marie, „thu’ mir die große Lieb — schaff’ den da fort. Ich kann net schlafen, glaub mir. Ich mein, er lebt und wenn wir die Augen zumachen fliegt er im Zimmer ’rum und poltert an die Wand.“

       Sie hatte ihren Kopf an Isoldes Wange gelehnt.

      Da gewahrte sie, daß Isolde heiße Thränen weinte.

      „Na, was denn?“

      „Sammtaff, lieber,“ bat Isolde, „laß ihn mir! Es geschieht dir ja nichts. Er thut ja nichts — und mich freut’s so.“

      „Wie kann denn dich das freuen,“ fragte Marie ganz betreten.

      Isolde aber weinte so wild und schluchzend. „Ich möcht nur wissen, was man vom Leben hat — so was Fad’s! Bei uns is man so wie so geschlenkt. Es könnte ganz anders sein. — Weißt du was ich glaub? — Mama is dumm!“

      Isolde schluchzte herzzerreißend. „Ide, Mama ist ein Engel! — thu keine Sünd.“

      „Ja, eben ein Engel. Wer sagt dir denn, daß ein Engel net dumm ist! Weißt du, es ist komisch, aber manchmal kommt es so: da möcht ich den Leuten ins Gesicht schlagen.

       Alle kriechen sie — alle — wenn man’s auch gar nicht merkt. Keins sagt und thut was es will!

      Wir bilden uns nur ein, daß die Leut’ auf zwei Beinen gehn. Auf vieren gehen sie, — sie kriechen alle.

      Mama liegt glatt auf dem Leib — überhaupt fast alle Frauenzimmer — du auch — du erst recht! Und die Männer erst! O Gott! — und wie!

      Und was sie im Grund genommen für philiströse, heuchlerische Institutsvorsteher sind, wenigstens uns gegenüber.

      Dann möcht ich noch auf jeden blank gewichsten Cylinder spucken, mitten darauf, wenn unter den Fenstern so einer vorübergeht — mitten auf die kleine, blankgebürstete Sonne, die oben spiegelt. So eine dumme, steife, kleinliche Sonne.

      Ach, wie mich das alles aufbringt.

      Und das Häßliche, mit dem man sich umgiebt!

       Und das nennt man Leben!

      Schau her, so ein Gelump wie da herumsteht!

      Alles zum Fenster naus! Zum Kämmen ein widerlich riechender Kautschukkamm. — Ah! — die riechen alle und machen elektrische Funken! Pfui! — Gold muß es sein oder Elfenbein — dann!

      Aber was ist das hier — von allem das Geringste, das Schäbigste. Talmi und unechte Spitzen!

      So gemein! — so gemein! so gemein!“

      Sie schluchzte.

      „Was ich anfasse, soll schön sein, eine Freude — ein Glück!

      Ich will Hemden mit echten Spitzen — echte Spitzen — reines Gold! Elfenbein! — auch Perlmutter!

      Das ist’s! Das sind Dinge, die man in die Hand nehmen darf — nichts Andres!

      Ach, wie man lebt, wie ein Schwein!“

       Sie schluchzt und schluchzt.

      „Nackt müßte man gehen dürfen und es müßte keine Schande sein.

      Nackte, schöne Menschen. Gold, Elfenbein und Perlmutter! — das wär’ eine Welt! — Und dann — immer Seelenräusche.

      So, wie meine Seelenräusche! So herrlich! — und eine Liebe dazu.

      Seelenräusche und ganz wenig Sachen; aber alles schön zum anfassen, edel bis in den Kern.

      Etwa keine japanische Holzpuderbüchse!

      Aber wir leben im Schmutz.

      Unter ekelhaften Lumpen kriecht das alles wie Gewürm, wie Mehlwürmer in der Kleie —

      Und alle riechen mufflich — und sind mufflich durch und durch!

      Oder, wenn man all das Herrliche, das, was sein müßte, nicht haben kann — dann gar nichts — aber auch gar nichts!

      Die Haare mit den Fingern kämmen, ein Strohsack — eine wollene Decke — ein grobes Hemd — einen Strick um den Leib — das ist auch eine Welt! —

      Aber nicht so wie wir!

      Pfui der Plunder!

      So СКАЧАТЬ