Halbtier. Böhlau Helene
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Название: Halbtier

Автор: Böhlau Helene

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066114619

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СКАЧАТЬ griff nach dem Hut, band ein Schleierchen vor, vorsichtig huschte sie aus dem Zimmer; draußen nahm sie ihren Regenmantel um, ging dann zur Korridorthür hinaus, und unter dem Regenschirm gerad über das aufgewühlte nasse Erdreich. Mit einem leichten blitzschnellen Niedertauchen hatte sie etwas ergriffen und schüttelte sich vor innerem Ekel.

      Sie schaute sich ängstlich um und vor der Hausthür blieb sie wieder aufatmend stehn.

      Wie ihr das Herz schlug!

      Aber, was sie wollte, hatte sie. Und etwas später wäre sie von den Arbeitern überrascht worden.

      Sie hörte sie kommen, auch der Kapuziner war unter ihnen.

      Sie murmelten und lachten; der Kapuziner hatte etwas Drolliges gesagt, wie es schien. Sie waren alle sehr guter Laune, denn sie hatten während des Regens im nächsten Gasthaus eins getrunken.

      Durch die enge Jungfernturmgasse, die auf den Platz mündet, kam ein Leichenwagen gefahren, und stand bald vor dem kleinen Totenfeld.

      Isolde hielt den Schädel unter dem Regenmantel verborgen.

      Unausgesetzt dieses Ekelgefühl und das Grausen — auch ein Gefühl der Schuld, so geheimnisvoll anziehend, wie aus einer andern Welt.

      Die Kisten wurden von den Arbeitern gelupft und in den Wagen geschoben.

      „Fahrt hin, ihr nassen Deiwel,“ sagt einer.

      „Herrschaft, seid’s ihr schwer!“ ein anderer. „Die haben sich zu guter Letzt noch tüchtig eins angedudelt.“

      Isolde drückte sich voller Grauen eng an die Hausthür an und erst als der gefüllte Leichenwagen dumpf davon rollte, trat sie ein.

      „Du bleibst eben bei mir“, sagte sie warm und trug ihren sonderbaren Schatz die Treppe hinauf.

      Oben angekommen, warf sie Hut und Mantel ab und ging mit dem Schädel in der Hand in die Küche.

       Die Magd kreischte auf. Sie kreischte, ohne aufzuhören. Isolde kehrte sich nicht daran und hielt den Schädel unter den Strahl der Wasserleitung.

      „Das erfrischt,“ sagte sie gutmütig.

      Frau Doktor Frey bügelte mit ihrer ältesten Tochter im Nebenraum.

      Auf das Geschrei des Dienstmädchens kamen sie herbei.

      „Isolde!“ schrie auch Frau Doktor Frey außer sich.

      Isoldes Schwester verbarg das Gesicht in der Schürze, und wagte gar nicht aufzusehen.

      „Schön ist er doch!“ meinte Isolde gemütsruhig. Sie hob den Schädel mit beiden Händen hoch.

      „Daß du mir jetzt mit dem Ekel gehst! In der Küche so ’ne Schmutzerei! — Pfui Tausend!“

      „Wir haben ja doch alle so einen unter dem Gesicht — was ist da weiter?“

      Sie ließ sich nicht irre machen, besprühte den Schädel von neuem unter dem Wasserstrahl.

       „Ide göh doch — ich bitt’ dich — mir wird ganz schlecht.“

      Das war so eine weiche, weiche Stimme und diese Stimme kam aus einem Geschöpf, das wie von Sammetschimmer umgeben war — dazu rötlich blonde Haare, eine ganze Symphonie von Weichheit.

      „Sammtaff’“ hatte Isolde ihre Schwester Marie getauft und titulierte sie jetzt so.

      Jetzt ging sie und nahm den Schädel mit sich.

      „So was!“ sagte die Köchin und schüttete einen Eimer voll Schmutzwasser in den Ausguß.

      „Mi beutelts ganz, der soll doch net etwa im Hause bleiben? Saftig. — Dös möcht feierlich werden.“ —

      *

      Isolde hatte ihre Thüre geschlossen und war eifrig dabei, ein kleines hölzernes Postamentchen, ihrem Bett zu Füßen, an die Wand zu nageln.

       Sie schlug den Nagel mit dem Absatz ihres Hausschuhs ein, so fest wie es mit diesem Werkzeug gehen mochte. Zuerst hatte sie den Rücken ihrer Hausbürste benutzt, als sie aber die Nägelmale in dem polierten Holz merkwürdiger Weise wahrnahm, war sie bedächtig genug gewesen, nach etwas Anderem Umschau zu halten.

      Auf das Postamentchen wurde der Schädel gesetzt.

      Und wie er seinen Platz eingenommen hatte und mit seinen hohlen Augen geheimnisvoll grinsend über das purpurne Bett hinwegsah, geschah etwas ganz Wunderliches: des Schriftstellers Heinrich Ewald Frey’s Tochter, Isolde, im glücklichen, zu allen Überschwenglichkeiten geneigten Alter von siebzehn Jahren, fiel auf die Kniee, reckte die Hände zum Schädel auf und sagte mit heißen Thränen in den Augen: „Du Mensch aller Menschen!“

      Über ihr zartes Gesicht mit den tiefen dunkeln Augen ging etwas Verzücktes, etwas Überirdisches, etwas Bräutliches, eine wundervolle Verliebtheit, wie sie in manchen siebzehnjährigen Naturen zu Tage tritt, die nicht wissen, wo ein und aus mit der Fülle ihres Wesens.

      Und diese süße Liebeswonne schüttete sie über das braune, grinsende Knochengehäuse aus, wie eine Nonne über eine heilige Reliquie.

      Sie sah aber einen eleganten jungen Mann vor sich, mit französisch zugestutztem Spitzbart, einer schönen Stirn, in die das kurzgeschorne Haar in scharfem Winkel hineingewachsen war; einen jungen Mann, der sich im Hochsommer in weißen Flanell zu kleiden liebte.

      Ja, es war da etwas, eine Ähnlichkeit in der Kopfform, die ihr verliebter Blick vom Fenster aus entdeckt hatte.

      Wie sie das große Geheimnis bewegte!

      Und dieser Schädel war so neutral. Sie vergab sich nichts. Ihm gegenüber gingen die Dinge in einer andern Sphäre vor sich, in einer Sphäre, in der alles Eins geworden, alles zusammengeflossen ist.

       Sie empfand etwas so Beruhigendes und konnte sich gehen lassen.

      *

      Die verriegelte Thür wurde kräftig zu öffnen versucht.

      „Déesse!“ rief eine heftige Stimme. „Sapperlot!“

      Wie aus tiefem Schlaf erwacht sagte sie „Papa?“

      „Seid ihr denn alle des Kuckucks! Ihr wißt doch, daß ich in einer Stunde ……“

      Da war schon die Thür aufgeriegelt und ein großer blonder Mann mit rötlichem Gesicht, vollem lockigen Haar, das aber auf dem Wirbel einem Glätzchen gewichen war, trat ein.

      Eine markige Persönlichkeit.

      „Weibergegacker! — Draußen laufen sie wie die Hühner umeinand’! Und was machst du denn hier, Déesse? Mein Handkofferl sollt doch gepackt sein?

       Ich werd euch mal Beine machen! Fertig sollt’s sein und die Mutter bügelt noch an den Stärkhemden. Zum Teufel, — ich will gar keine Stärkhemden! — Touristenhemden will ich.“

      Das СКАЧАТЬ