Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ die Magd.

      »Ei, ei, ei,« murmelte die Ahnfrau, während das Rädchen schnurrte; »die Mannsbilder, die Mannsbilder! Aber schau, Rettl, die Bettstattfüß' mußt auch noch abreiben – so!«

      »Und der Nikl hat gesagt, er woll' unter die Soldaten gehen!« schrie die Magd und kroch an der Bettstatt hin.

      »Unter die Morethaten?« fragte die Greisin. »Ei, ei! Was thut er denn da?«

      »Unter die Soldaten!« schrie die Magd und richtete sich halb empor. »Das hört schon gar nimmer!« murmelte sie.

      »Unter die Soldaten? Jetzt, ja, das ist was andres – der wüste Kerl!«

      »Und die gnädig' Frau ist schon um achte in die Stadt gefahren!« schrie die Magd.

      »Noch in der Nacht? Ja, jetzt wird's halt immer recht lang nicht Tag. Geh, gieb mir mein Taschentüchel her und thu 'n paar Tropfen drauf! So – ah! Und kannst auch etliche Wacholderbeeren aufs Blech thun. – So, so, noch in der Nacht? – Ei, ei!«

      »Und es ist auch ein Schreibebrief 'kommen glaub' von Hilpoltstein,« sagte die Magd.

      »I was, von der Ruth?« fuhr die alte Frau in die Höhe. »Wann denn?«

      »Gleich wie die gnädig' Frau fort war,« antwortete die Magd und brummte: »Diemalen versteht s' mich ganz g'schwind.«

      »Wann hast g'sagt?« fragte die Ahnfrau und legte die Hand ans Ohr. »Mußt lauter reden, Rettl, alte Leute –«

      »Gleich wie die gnädig' Frau fort war!« schrie die Magd.

      »Jetzt, Rettl, kannst in die Kuchel gehen und kannst mir mal 'n Stück Speckschwarte bringen für meine Vogerln, einen Nagel und einen Hammer. Hast g'hört?«

      Die Magd kam zurück.

      »Bleibet Ihr sitzen, ich kann's auch annageln!« rief sie eifrig.

      »Thu' ich selber, thu' ich selber«, sagte die Ahnfrau und öffnete das Fensterlein, schob den Schnee vom Brett und nagelte die weiße Speckschwarte an. »So, jetzela können die Vogerl kommen.«

      »Die Ahnfrau is halt gar viel barmherzig,« meinte die Magd. »Is leicht für die Vögel oft besser g'sorgt als für die Menschen.«

      »Da hab' ich jetzt gleich gar nichts verstehen können,« sagte die Greisin, schloß das Fenster und ging an ihr Spinnrad.

      »Die Ahnfrau sorgt für Mensch und Vieh!« rief die Magd.

      »Und daß du mir fein heut mittag die Suppe für die kranke Simons-Marie nicht wieder vergessen thust!« sagte die Greisin und hob den Finger.

      Rettl wurde rot und schrie: »Grad' ist auch der Herr Dechant auf seinem Esel eingeritten.«

      »Der bekannte – wie hast g'sagt – Esel ist eingeritten?« fragte die Greisin und hielt die Hand ans Ohr.

      Die Magd grinste: »Der Herr Dechant ist beim gnädigen Herrn.«

      »Dechant?« fragte die Greisin und schüttelte das schneeweiße Haupt und spann. »Dechant? Kenn' ich nit, weiß ich nit.«

      »Nu, der Herr Dechant von Allersburg!« schrie die Magd.

      »Kenn' ich nit, weiß ich nit,« sagte die Alte störrisch und spann, daß es surrte und schnurrte. »Jetzt geh!«

      Die Magd nahm das Putzschaff und ging aus der Thüre. Auf der Stiege murmelte sie: ›Ist halt doch schon ein uraltes Leut, die Ahnfrau!«

      Die Ahnfrau aber in ihrem warmen Stüblein sah zornig aus, rieb ihre Nase, stand auf, trippelte hin und her, ging an ihr Bett, nahm das Buch heraus, ging an die Truhe, schloß die Truhe auf und steckte das Buch hinein, zog den Schlüssel ab, besann sich, kratzte am gefrorenen Fensterlein, daß die Vögel fortflogen. Dann zog sie den warmen Schuh vom Fuße, legte den Schlüssel hinein, zog den Schuh wieder an, humpelte vorsichtig zu ihrem Spinnrade und begann aufs neue zu spinnen, daß es surrte und schnurrte. Und im Ofen krachten die Scheiter, und vor dem Fensterlein hackten und pickten wieder die Vögel um die Wette. Es war urbehaglich im Turmstüblein der alten Frau.

      *

      In der Wohnstube vor dem Zantner saß der hagere Dechant, rieb seine Hände, strich lächelnd über sein Kinn, nippte vom süßen Weine, patschte seinen kahlen Scheitel, blinzelte mit den schweren Augendeckeln, wandte keinen Blick von dem Edelmanne und nickte von Zeit zu Zeit mit einem beifälligen Murmeln.

      »Merkwürdig,« sagte er, »ganz merkwürdig! Bin ich zu Euch geritten in der Meinung, auch so einen – Ihr entschuldigt schon – in der Meinung, einen armen, irregeführten Ketzer zu finden, und nun sitzet Ihr vor mir, Herr von Zant, wie, nun, wie sage ich doch gleich? – wie ein Doktor der Theologie aus Ingolstadt und lest mir ein Kollegium über die subtilsten Materien unsrer alleinseligmachenden Religion! Ihr kennt gewiß auch dieses Büchlein, das ich Euch zum Präsent zu machen gedachte?«

      Er nahm ein Buch aus dem Rocke und reichte es dem Zantner. Der schlug das Titelblatt auf, klappte es wieder zusammen, warf es nachlässig auf den Tisch und sagte: »Wie sollte ich den Katechismus des Peter Canisius nicht kennen?«

      »Ich habe mir's gedacht,« nickte der Dechant, zog sein verwittertes, graues Gesicht in freundliche Falten und steckte das Buch wieder ein.

      Der Zantner aber lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andre und kreuzte die Arme: »Und was ist denn das Luthertum neben der römischen Kirche? Ein neugeadelter Salzsieder neben einem uralten Herrengeschlechte, das seit sechzehnhundert Jahren die Welt regiert.«

      »Egregie!« sagte der Dechant und schnalzte mit der Zunge. »Eine ganz vortreffliche Parallele!«

      »Die römische Lehre,« fuhr der Zantner fort und netzte seine schmalen Lippen mit einem Schluck Wein, »kann sich allein mit Fug und Recht katholisch nennen; denn sie umfaßt die bewohnte Erde, sie durchdringt alle Lebensverhältnisse; vertrieben an einem Orte, kehrt sie unversehens wieder zurück; unverändert ist sie geblieben unter so vielen Ketzereien bis auf den heutigen Tag, und mit demütigem Stolze kann sie von sich sagen: seht hier die unzertrennte Succession der Bischöfe, seht hier die festgefügte Kette segnender Hände, zurück bis auf die Apostel! Was aber ist dagegen die Augsburgische Konfession? Ein klein, armselig Stück- und Menschenwerk, zur Welt gebracht vor etlichen und hundert Jahren in einem obskuren Winkel des deutschen Landes, oft verändert in seinen Formen, immer wieder bedrängt von den eignen Bekennern und in die Enge getrieben, ein Kind der Empörung und eine Pandorabüchse der Zwietracht!«

      »Besseres könnte ich Euch auch nicht sagen!« rief der Dechant.

      »Und beim Zeus,« fuhr der Zantner mit unmerklichem Lächeln fort, »zu wem halte ich lieber, wem diene ich lieber, auf wen verlasse ich mich lieber in allen Lagen des Lebens – auf den unscheinbaren, nachgeborenen Mann, der aus dem glänzenden Vaterhause entlaufen ist und von der Hand zum Munde lebt, oder auf den mächtigen Erstgeborenen, der im Vaterhause waltet und aus einer unermeßlichen Schatzkammer den Seinen darreicht, was sie bedürfen?«

      »Elegantissime!« sagte der Dechant. »Ich weiß, worauf Ihr zielet, Herr: auf den unausschöpflichen Goldhort der Kirche, auf die Verdienste der zahllosen Heiligen, an denen jeder Gläubige Anteil hat. Elegantissime! Ich neige mein Haupt voll Bewunderung. Und Ihr lechzet also danach, vor allem Volke die Ketten des lutherischen Irrtums СКАЧАТЬ