Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ lachte heiser und drückte die Klinke nieder.

      »Aber, Ignaz, ist's denn nicht so?« fragte sie ängstlich.

      »Vielleicht wäre manches anders, wenn die Mutter nicht – nun ja, was hilft's? Die Mutter hat's gut gemeint, aber es war nicht gut.«

      »Aber, Ignaz? Was hätte ich –?«

      »Wenn Ihr mich gelehrt hättet im Kindesalter, zuerst an andre und zuletzt an mich zu denken, so wäre wohl manches besser.«

      Die alte Frau stand oben an der Stiege und hielt mit zitternden Händen das Licht. Schwerfällig ging er die Treppen hinunter, öffnete das kreischende Schloß und trat hinaus in den kalten Dezembermorgen.

      Die alte Frau stand noch immer in Gedanken oben an der Stiege, und das Lichtflämmlein flackerte heftig. Im Hofe krähte der Hahn.

      »Hat er am Ende recht?« murmelte sie und sah ins Leere. Dann wandte sie sich fröstelnd und schlich in ihre Stube.

      Vom Turme des heiligen Martin klang die Glocke, und eilig schritt der kurfürstliche Sekretarius durch die Finsternis der Kirche zu.

      *

      Die Messe war zu Ende.

      »Eine sakrische Kälte!« brummte der kurfürstliche Regimentsrat und stülpte eilig, noch ehe er aus der Kirchenthüre getreten war, den Hut über den kahlen Schädel.

      »Kälte,« sagte Kriemhofen und schritt hinter dem alten Herrn auf den Marktplatz, der sich im Dämmerschein des grauen Frühlichts dehnte.

      »Hu,« klagte der kurfürstliche Regimentsrat und zog den Mantel enger, »laßt uns eilen, der kalte Wind! –

      »Wer an der Pfarrkirch' steht und weht kein Wind –«

      Kriemhofen fuhr respektvoll weiter, indem er neben dem alten Herrn dahinging:

      »Wer durch die lang' Gaß geht und schreit kein Kind,

       Wer über die Krambruck' kommt ohn' Schand und Spott –«

      Der kurfürstliche Regimentsrat vollendete schnaufend:

      »Der hat wahrlich groß' Gnad' von Gott!

      Und wem heute die Kniee nicht angefroren sind an der Steinplatte, den hat auch sein Schutzheiliger gewärmt. Eine sakrische Kälte! Da blieb' einer auch lieber in den Federn liegen.«

      »Liegen,« bestätigte der Sekretarius und bog mit dem Alten über die Krambrücke in die Georgenstraße.

      »Na, da macht sich's ja wieder,« murmelte der Regimentsrat und blieb keuchend stehen. »Aber sagt, habt Ihr eigentlich heute meinen Kollegen Sturm in der Messe gesehen? Es fällt mir schon seit acht Tagen auf, daß sein Platz in der Kirche –«

      »Der Herr Vizedom!« raunte der Sekretarius, und die beiden traten mit gezogenen Hüten zur Seite.

      Der Vizedom griff schweigend an den Hut und ging vorüber. Ganz laut aber sagte der Regimentsrat: »Seit acht Tagen habe ich den Kollegen Sturm nicht mehr in der Messe gesehen!«

      »Nicht mehr in der Messe gesehen,« murmelte Kriemhofen.

      »Das hat er gehört,« triumphierte der Regimentsrat und wies mit dem Daumen nach dem Vizedom, der in der Dämmerung des nebeligen Morgens verschwand; »dem Sturm hab' ich's eingebrockt! – Geht ja auch stracks gegen die allerhöchste Willensmeinung,« fuhr er eifrig fort und stapfte fürbaß. »Wißt Ihr eigentlich, wie mir Seine Kurfürstliche Durchlaucht in ihrem brennenden Eifer für die alleinseligmachende Religion vorkommt? Ich will's Euch sagen: Er ist in unsrer Zeit das größte, alleweil wider die Ketzer geladene Stück, das der himmlische Konstabel –« der Regimentsrat lüpfte den Hut – »also regiert, daß es im Losbrennen auf seine Feinde mit großem Knall und Wiederhall einen unaufhörlichen Schrecken verursacht.«

      »Einen unaufhörlichen Schrecken,« sagte Kriemhofen, und nun bogen die beiden in die Regierungsgasse ein.

      »Wenn das heilige römische Reich von Ungarn bis ans Nordmeer und von Welschland bis ins Ordensland noch vor wenigen Jahren durch die Ketzerei anzusehen war wie eine vollgesudelte Schultafel, so wird jetzt sachte die Tafel reingewaschen von einer Ecke zur andern, und die freundlichen Patres können die alleinseligmachende Lehre daraufzeichnen in seinen Linien und Ornamenten.«

      »Und Ornamenten,« wiederholte Kriemhofen.

      »Der große Schwamm fährt unwiderstehlich darüber,« sagte der Regimentsrat, bog ins Thor des Regierungsgebäudes und klopfte mit Schnauben und Pusten den Schnee von den Stiefeln. »Was ist noch übrig?« fragte er. »In den kaiserlichen Erblanden ist die Ketzerei im Blute ersoffen, die Böhmen kuschen, das Fürstentum der Oberpfalz ist katholisch.« – Er wandte sich auf der untersten Treppe und sah den Sekretarius herausfordernd an: »Oder nicht?«

      »Bis auf etliche halsstarrige Landsassen,« antwortete Kriemhofen.

      »Die am Hungertuche nagen und im Elend sitzen,« sagte der Regimentsrat und stieg die Treppe empor. »Und, Kollega, immer wieder muß ich's betonen – das größte Kunststück unsrer begnadeten Zeit ist doch das Restitutionsedikt. Das ist der Schwamm, Kriemhofen.«

      »Das ist der Schwamm, Herr Regimentsrat.«

      »Und denkt an mich, über Jahr und Tag kann ihnen auch der Teufel nimmer helfen, den Ketzern.«

      »Den Ketzern.«

      »Behaglich warm, Kriemhofen,« sagte der alte Herr und schritt über die Schwelle der vertäfelten Stube. »Doch eine Wohlthat Gottes, Kollega, solch warme Stube!«

      *

      Lange Zeit war nichts zu hören in der vertäfelten Stube als das Knistern der Federn und das tiefe, beschwerliche Atmen des alten Herrn.

      Dann erhob sich Kriemhofen in seinem Erker, goß das Streupulver über die nasse Schrift und trat mit seiner Arbeit hinter den Regimentsrat.

      »Na, Kriemhofen, fertig?« sagte der alte Herr, zog sein Taschentuch und schneuzte sich vernehmlich. »Na, Kollega, laßt einmal sehen!«

      »Eine böse Rechnung, Euer Gnaden,« meinte Kriemhofen und gab ihm den Bogen. »Noch immer an die hundert Emigranten vom Adel ohne die Weiber und Kinder.«

      Der Rat lehnte sich zurück, rieb sein Kinn und überlas das lange Verzeichnis. Dann rückte er den Stuhl, erhob sich und ging auf und ab: »Hm – das wird ein böser Bericht an Seine Durchlaucht – hm! Genau die Halbscheid! Offen gestanden, ich habe gerechnet, es würden sich im Laufe der Zeit die meisten von den halsstarrigen Kerlen eines bessern besinnen. Habe mich geirrt.«

      »Wer kann von irren reden?« sagte Kriemhofen. »Was jetzt nicht ist, kann bis zum Frühling werden. Der Winter steht vor der Thür, Herr Regimentsrat. Bar Geld ist rar. Und nun sitzen sie mit hungrigen Mäulern in den Städten – in Regensburg, in Nürnberg, wo's alle Tage teurer wird. Da kann manch einer zur Vernunft kommen. Und was ist's denn bei den meisten unter ihnen? Warum haben sie die Heimat verlassen? Aus Trotz, Herr Regimentsrat.«

      »Aus Trotz?« murmelte der alte Herr und schüttelte bedächtig das kahle Haupt. »Bei dem und jenem kann es Trotz sein, aber bei СКАЧАТЬ