Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ geben, das Dich und Deine Kinder unglücklich machen müsste.’

      Es war das Vorurteil der Zeit. Die gegenwärtige Zeit hat es abgestreift. Wie viel Blut, wie viele Unfreiheit hat es gekostet! Freilich, die Gleichstellung der christlichen Konfessionen forderte einen dreißigjährigen Krieg. Die neueste Zeit will wieder reagieren; der letzte Feldzug nach Frankreich galt im Grunde nur dieser Reaktion — aber kommen wir auf Deine Mutter zurück. — Sie liebte ihren Vater, ich den meinigen. Wir beide waren in der Liebe und dem Gehorsam der Kinder gegen die Eltern aufgewachsen, auferzogen. Das waren keine Vorurteile.

      ‘Ich werde Geistlicher werden’, sagte ich zu meinem Vater ohne allen Trotz.

      ‘Gut, ich werde Dir eine Dompräbende kaufen’, er widerte er mir ohne alle Ironie.

      Dein Großvater sagte zu Deiner Mutter:

      ‘Suche Dir in Deinem Stande einen Mann aus, welchen Du willst.’

      Deine Mutter war ihrer Eltern einziges Kind. Ihr fiel nach dem Tode des Vaters das schöne und reiche Gut Ovelgönne zu. Auf dem Gute lebte ihr Vetter Robert Lohrmann. Dein Großvater hatte ihn als arme Waise zu sich genommen; er war der Sohn seines früh verstorbenen Bruders. Er war ein stiller, braver junger Mann.

      Für Deine Mutter hätte er sein Leben hingegeben.

      ‘Lass’ mich den Vetter Robert heiraten’, bat Deine Mutter den Großvater.

      Die Bitte erfüllte ihm einen Wunsch, den er nicht gewagt hatte auszusprechen.

      In den ersten Tagen des August musste ich mit meinem Vater Hofgeismar verlassen.

      Am Erntefeste nahmen Deine Mutter und ich Abschied voneinander; hier, auf dem Grabe ihrer Mutter, in stiller, heiliger Abendstunde; die Tanzmusik tönte aus der Ferne zu uns herüber, wie heute. Es war kein Abschied auf immer.

      ‘Wir bleiben Freunde!’

      ‘Für immer!’

      ‘Wir sehen uns wieder.’

      ‘Wir sehen uns wieder!’

      Was in der heiligen Stunde die Herzen sich gelobt hatten, die heiligste Freundschaft verband sie für das Leben.

      Lange Jahre sahen wir uns nicht. Es waren schwere Wunden, von denen unsere Herzen vorher genesen mussten.

      Ich trat in den geistlichen Stand; dann machte ich weite Reisen durch die halbe Welt. Dann sah ich mir das Leben und Treiben der Völker näher an, den Despotismus, die Knechtschaft. Frankreich, Paris fesselten mich zuletzt. Ich studierte das Königtum, die Republik. Ich sah das eine Sturm laufen zu dem Abgrunde, der es verschlingen sollte; ich sah die andere in jenen furchtbaren krampfhaften Windungen, um das Leben zu gewinnen, in dem schwersten, entsetzlichsten Kampfe mit sich selbst. Ich sah sie sterben in jenen Krämpfen, in diesem Kampfe. Aber sie starb wie ein Phönix.

      Als der erste Kaiser der Franzosen gekrönt war, kehrte ich in mein deutsches Vaterland zurück, um hier von neuem einem Gange der Ereignisse zu folgen, dessen traurigen Verlauf ich auf der andern Seite des Rheins angesehen hatte. Ich sah nicht so Entsetzliches, aber ich sah Schmachvolles. Ich sah den Verrat, den Verkauf des Vaterlandes von oben, von den Thronen herab.

      Eine neue, eine andere Wunde zerriss mir das Herz; sie hatte die erste heilen helfen.

      Ich kehrte nach Ovelgönne zurück. Deine Mutter trug Dich mir entgegen. Du warst wenige Wochen alt. Dein erstes Lächeln galt uns beiden, mir, ihr. Es war uns eine glückliche Vorbedeutung für Dich. Wir lebten in Dir. Du wurdest unser beider Engel. Ich sah Dich von Jahr zu Jahr.

      Deine Mutter sah ich nicht viele Jahre mehr. Selbst die heilige Mutterliebe hatte ihrem Körper die frühere Kraft nicht zurückgeben können.

      Sie starb so früh.

      Aber erzähle mir jetzt von Dir, Karoline.«

      Sie erzählte ihm:

      »Es war keine frohe und stille Zeit, es waren traurige, stürmische Tage, da ich Friedrichs zuerst sah. Im November des Jahres 1813 nach der Schlacht von Leipzig flohen aus allen Gegenden Deutschlands die Franzosen dem Rheine zu. Auf den großen Heerstraßen zogen die geschlossenen Kolonnen; in die Gebirge warfen sich die vereinzelten Trupps. Besonders diese bezeichneten ihren Weg durch Plünderungen, Exzesse, Rohheiten und Grausamkeiten aller Art, um noch eine letzte Beute mitzunehmen aus dem Lande, das sie nicht wieder betreten sollten, oder um Rache zu üben für die Niederlage, die sie bei Leipzig erlitten hatten. Auch durch das Ovelgönner Tal kamen Tag für Tag Züge der Flüchtigen, von zehn, zwanzig und mehr Mann. Auf Haus und Gut Ovelgönne fielen stets zuerst ihre Blicke. Von hier nahmen sie alles mit, was sie mitschleppen konnten, was sie bedurften oder nicht bedurften. Eines Tages kam ein großer Haufen von mehr als hundert an; es war eine wilde Bande. Sie forderten zu essen, zu trinken. Wir gaben ihnen, was wir hatten. Sie verlangten mehr. Sie erbrachen die Vorratskammern, die Keller. Sie fanden nichts mehr. Es war alles aufgezehrt, durch ihre Vorgänger, durch sie selbst. Sie gerieten in Zorn, in Wut. Sie verlangten Geld. Der Herr des Hauses solle hervorkommen. Im Hause war kein anderer Herr als ich. Ich trat zu ihnen heraus. Meine Leute wollten mich zurückhalten. Die Wütenden drohten, das Haus mit den Wirtschaftsgebäuden anzuzünden, wenn der Herr nicht zu ihnen herauskomme. Ich trat ruhig und entschlossen zwischen sie. Sie waren einen Augenblick überrascht, als sie eine junge Dame sahen. Dann schrien einige: ‘Ah, die Tochter! Der feige Vater schickt sie vor! Der Elende verdient den Tod!’ Da sahen sie mein schmerzliches Lächeln und sie wurden still und ich konnte ihnen sagen: ‘Mein armer Vater ruht längst dort im Grabe!’ Aber die Stille dauerte nur kurze Zeit. Sie hatten in einem Keller ein Fass mit Branntwein entdeckt.

      Die meisten von ihnen hatten sich berauscht. Ihre Wut erhob sich wieder, fachte die der andern an. ‘Ist sie der Herr des Hauses, so soll sie geben, was wir von dem Herrn des Hauses verlangten. Und gibt sie es nicht, so nehmen wir sie als unsere Beute mit’, riefen einige; ‘so sterbe sie!’ riefen andere. Ich war umringt; ich wurde dichter umdrängt. Sie wollten Hand an mich legen.

      ‘Im Sturmschritt vorwärts!’ rief es auf einmal seitab vom Hause. Es war ein deutsches Kommando.

      Die Franzosen flogen auseinander, zu ihren Gewehren In einem Moment standen sie in Reih’ und Glied, fertig zum Kampfe. Man muss es ihnen lassen. Und es waren so viele unter ihnen, die im Augenblicke vorher noch getaumelt hatten. Sie wollten sich verteidigen.

      Aber es waren zwei Kompanien preußische Landwehrmänner, die im Sturmschritt gegen sie anrückten.

      Eine dritte Kompanie kam links aus dem Gebirge in das Tal herunter. Einer solchen Übermacht erfolgreich Widerstand zu leisten, war nicht möglich. Der Anführer der Franzosen sah es ein. Er ließ seine Leute das Gewehr strecken. Die Truppe ergab sich dem Anführer der Preußen.

      Es war der Major Friedrichs.

      Soll ich Dir noch mehr erzählen, Onkel Florens, von dem Manne, den Du kennst, von meinem Herzen, das Du ja auch kennst?

      Doch! Er durfte nur einen Tag bleiben, dann musste er weiter in der Verfolgung des fliehenden Feindes.

      ‘Darf ich wiederkommen?’ fragte er beim Abschiede.

      Mein Herz hatte nur ein tausendfältiges Ja; meine Lippen hatten kein Nein.

      Es war ein banger Winter, den ich verlebte, in so reicher СКАЧАТЬ