Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays
Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205639
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Sie sah ihn an.
Plötzlich übermannte es ihn. Er sank neben sie hin und küßte leidenschaftlich ihre Hand. Er vergrub seine Lippen in diese Hand.
Dann entzog sie ihm leise ihre feine, schmale, lange Hand.
– Tun Sie es nicht, Falk! Das tut so weh, so weh ...
Sie sprach leise, zögernd, mit verschleierter Stimme.
Falk setzte sich wieder. Er rieb sich die Stirn, trank, bebte vor Erregung und schwieg.
Lange Pause.
Dann fing er an; ruhig, still, mit traurigem Lächeln.
– Es sind zwei, drei Tage vergangen, seitdem ich Sie kenne ... Ja, ich kann es nicht begreifen, es ist auch Nichts zu begreifen, es ist eine Tatsache ... Seien Sie gut, lassen Sie mich Alles sagen, das beruhigt mich ... ich muß darüber sprechen ... Das können Sie wohl nicht verstehen, aber ich liebe zum ersten Male in meinem Leben.
Er trank hastig.
– Ja, das wissen Sie nicht, aber es ist etwas Furchtbares, zum ersten Mal in meinem Alter zu lieben. Das zerwühlt die ganze Seele, das gibt eine Wirrnis im Gehirn ... Sie wurden mein Schicksal, sie wurden mein Verhängnis ...
Er wurde erregt.
– Ich weiß, ja, ich weiß, daß ich so zu Ihnen nicht sprechen dürfte, ja ... er würgte Mikita herunter – ich weiß auch nicht, weswegen ich so zu Ihnen rede. Es ist ein furchtbares Mysterium ... ich bin heute ein Andrer, wie ich vor drei Tagen war – ich verstehe nicht, was in mir vorgegangen ist ... nun ja ... ich kann ja so sprechen: ich will ja Nichts von Ihnen, ich habe Sie in mir ... ich trug Sie mein ganzes Leben lang als eine große, schmerzhafte Sehnsucht, und so ... Ja, ich habe Ihnen schon hundert Mal dasselbe gesagt, aber – es brach plötzlich in ihm hervor – ich quäle mich so unerhört, ich gehe auseinander, ich bin so wahnsinnig unruhig ... Nein, nein – ich bin nicht verrückt, ich weiß es, ich weiß gut, was ich tue und sage, ich weiß auch, daß ich die Kraft habe, mich loszureißen ... Ja, ich werde gehen und Sie in mir haben, und diese ewige Sehnsucht mit mir schleppen und meine Seele zerbröckeln lassen ...
Wieder sank er vor sie hin. Vor seinen Augen wurde es schwarz. Er fühlte zwei Herzen, die sich aneinanderrieben.
Nur lieb mich, sag, sag, daß Du mich liebst ...
Er umschlang sie und fühlte, wie ihr Körper nachgab, er preßte sie an sich ...
– Mein, mein ...
Sie löste sich los.
Sie wußte nicht, warum sie sich wehrte; sie empfand nur plötzlich einen wilden Haß gegen Mikita, der sie beschmutzt hatte.
Falk sah sie an.
Ihre Augen waren groß und mit Tränen gefüllt. Sie sah weg und umfaßte krampfhaft die Sofalehne.
Er bezwang sich.
– Ja, Sie haben Recht! Er sprach müde und ein wenig kalt ... Ja, das war nicht schön von mir. Verzeihen Sie es. Sie sind zu müde, um lieben zu können.
Sie sah ihn lange mit einem stillen, traurigen Vorwurf an.
– Und dann ... es ist doch eigentlich so schön, so nebeneinander zu sitzen, ohne irgend Etwas zu fordern ... Ja, wir wollen Kameraden sein ... nicht wahr?
Falk wurde lustig. Aber er fühlte sich elend und krank. Er konnte seinen Schmerz nicht gut maskieren. Wozu auch? Ja, wozu? Er wurde wütend und empfand einen harten, verbissenen Trotz. Er hatte beinahe Lust, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Das tat er sonst nie.
Wieder stand er auf, ging um den Tisch herum und setzte sich neben Isa auf die andre Seite.
– Nein, es wäre doch zu lächerlich, wenn ich mit Ihnen Komödie spielen wollte. Das will ich nicht tun. Ich muß es Ihnen doch sagen. Ja, ich muß ... Sie könnten mein höchstes Glück werden, ja Sie ... nein Du! Du! Laß mich Dich so nennen. Ich habe ja Nichts auf der Welt. Es ist für mich schon ein unnennbares Glück, Dich mit dem Worte Du als mein zu empfinden, es ist für mich ein Glück, dies Du aus meinem Herzen herauszuschreien, dies eine Du ... Du ...
Ihn schwindelte. Er sah Nichts mehr. Und er vergrub sein Gesicht in ihren Schoß. Und sie nahm seinen Kopf in ihre Hände, und er fühlte, wie sie ihn küßte ... scheu, dann heftig, in kurzen Abständen hintereinander. Und er bebte und wühlte sich in sie hinein ...
Dann plötzlich hörte er sie reden mit erstickter Stimme, jagend, abgerissen ...
– Ich folgte ihm, ich glaubte, daß ich ihn lieben könnte, weil er mich so liebt ...
Wüßtest Du, wie ich müde bin ... Dich, Dich liebe ich schon lange – lange ... Seit er angefangen hat, von Dir zu sprechen ... Ich bestimmte ihn, hierherzukommen ... Als ich Dich sah, das erste Mal – ich zitterte, als sollte ich umsinken ... Aber ich darf nicht, ich darf nicht ... Ich will nicht von Einem zum Andren gehen ... Laß mich, laß –
Aber er hörte nichts mehr, er preßte sie an sich, er wühlte sich mit seinen Lippen in die ihren, er umfaßte ihren Kopf und preßte und preßte ihn mit irrer Leidenschaft in sein Gesicht.
Endlich riß sie sich los und schluchzte laut auf.
– Laß mich. Quäl mich nicht. Ich – ich kann nicht!
Er stand auf und eine unendliche Traurigkeit kam in seine Seele.
Dann faßte er ihre beiden Hände, sie sahen sich stumm an und hielten sich lange, lange fest.
– So gehen wir auseinander?
– Ja ...
– Und werden uns nicht mehr sehen?
Sie schwieg. Tränen liefen stumm über ihre Backen.
Nicht mehr! Falk zitterte heftig. Jetzt sollte er sein Todesurteil hören.
– Nein ...
XII.
Als Falk wieder allein auf der Straße war, blieb er stehen.
Er stand lange, bis er es plötzlich merkte.
Ja, zum ersten Male empfand er diese furchtbare, würgende Traurigkeit.
Er war wie gelähmt.
Nie mehr! Es kam ihm nicht deutlich zum Bewußtsein.
Er wiederholte es: Nie mehr. Aber er konnte es sich durchaus nicht vorstellen.
An der Ecke blieb er wieder stehen.
Nach Hause?
Was sollte er zu Hause?
Er СКАЧАТЬ